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Kultur

Die verbotene Venus

Freitag, 15. April 2016 | Text: Jörg-Christian Schillmöller | Bild: Tamara Soliz

Geschätzte Lesezeit: 5 Minuten

In Noushin Kianis Kindheit riecht es nach Reis. Nicht nach gegartem Reis, sondern nach rohem Reis. Sie kannte die Läden und die Händler, sie streifte oft durch die Gassen von Shahi im Norden Irans, nicht weit vom Kaspischen Meer. Dort roch es nach Kräutern, nach Obst und Gemüse, nach Fisch. Auch den Duft der Stoffballen wird sie nie vergessen. „Es gab natürlich auch moderne Straßen, aber diese alten Gassen hatten etwas Uriges, etwas Ursprüngliches“, erzählt sie mir. Wir sitzen an einem großen, rechteckigen Esstisch mit roter Decke in ihrer Wohnung in Bayenthal. Draußen scheint die Sonne, es ist Frühling. Noushin kocht mir Tee.

Als ich nach Deutschland kam, bin ich seltsame Dinge gefragt worden“, sagt sie. „Zum Beispiel: Habt ihr Fernsehen? Esst ihr mit den Händen?“ Auf eine dieser Fragen antwortet sie gern: Sitzt ihr beim Essen auf dem Boden? „Wir essen meist am Tisch. Doch ich esse auch gerne auf dem Boden. Bei großen Festen legen wir eine Sofreh hin, ein großes weißes Tuch, das sieht schön aus. An unseren Tisch hier passen zehn Menschen. Säßen wir auf dem Boden, hätten wir Platz für 25 und wären uns viel näher.“

Busfahrten durch Teheran als Abenteuer

Noushin Kiani ist in Teheran geboren und hat als kleines Mädchen in Shahi (heute Qaem Shahr) gelebt. Ihr Vater ist Arzt, ihre Mutter Lehrerin. In Shahi bauen sie eine Schule auf, aber ihre Mutter will irgendwann zurück nach Teheran. Noushin ist zwölf, und in Teheran riecht es vor allem nach Abgasen, schon damals, in den Siebzigern. Ihre künstlerische Ausbildung beginnt sie ein Jahr später bei dem Maler Nima Petgar. 

Und es ist ein Abenteuer. Sie fährt mit dem Bus vom wohlhabenden Norden Teherans die breite Khiabane Pahlavi (heute Vali Asr) mit ihren Platanen rechts und links hinunter ins Herz der Stadt. „Ich sah viele Menschen und lernte eine andere Gegend kennen, das war aufregend. Das Viertel von Nima Petgar war voller Kunst, Kultur und Antiquitätenläden – ein bisschen wie das Marais in Paris.“ Noushin lernt gegenständliche Malerei, sie malt Stillleben, sie zeichnet Skulpturen ab.

„Geh ins Ausland“

Nima Petgar sagte: Du kannst erst modern malen, wenn Du die Grundlagen kennst.“ War er streng? „Nee“, sagt Noushin. „Er sah auch ziemlich gut aus. Und er hatte zwei Lieblingsschülerinnen (sie lacht laut). Mich fand er eigensinnig und sagte: Noushin, Du musst das so und so machen.“ Und er rät ihr: Geh ins Ausland. „Er sagte, Deutschland sei sehr gut“, meint Noushin.

Aber erst kommt die islamische Revolution. Und vieles verändert sich. Auch beim Malen: Es ist nicht mehr erlaubt, eine nackte Venus abzuzeichnen. Wer als Lehrer diese Skulpturen besitzt, kann Schwierigkeiten bekommen. Für Noushin wird bald klar: Sie will tatsächlich ins Ausland gehen. Damals sagt sie sich: „Ich möchte nicht in einem Land arbeiten, wo ich nichtmal eine nackte Skulptur abzeichnen darf.“

Ein mulmiges Gefühl

Im Sommer 1986 geht sie nach Köln, ihre Mutter bringt sie hin, sie fliegen zusammen. Damals ist noch Krieg, Iran gegen Irak. Als das Flugzeug in der Luft ist, sieht Noushin aus dem Fenster und erstarrt: Rechts und links wird die Maschine von Kampfjets eskortiert, sie fliegen über das Kriegsgebiet. „Es war ein mulmiges Gefühl. Ich hatte mich immer gefreut, rauszukommen. Aber in dem Moment dachte ich: Was geschieht mit meinem Land? Wie lange dauert der Krieg? Wie lange wird es dauern, bis ich zurückkomme?“

Noushin erreicht Deutschland nicht als Flüchtling. Das Visum hat sie offiziell beantragt, sie brauchte eine Immatrikulationsbescheinigung – und gute Noten. Darum hat sie in Teheran in den Schuljahren vorher so viel gelernt. Jetzt ist sie plötzlich in Köln. Und merkt kaum einen Unterschied zu Teheran. „Kennst Du Marienburg?“ fragt sie mich. Na klar, sage ich. „Von solchen Straßen gibt es in Teheran und Isfahan Dutzende. Riesige Appartments gibt es da, mit Gärten und Schwimmbad.“ Von wegen kein Fernsehen.

Bis heute arbeitet sie auch als Malerin

Noushin zieht ins Schmittmann Kolleg am Sachsenring. Sie lernt ihren Mann Rüdiger kennen, obwohl der beim Aufnahmegespräch noch Bedenken hat – wegen der Sprache. Aber Noushin wird trotzdem genommen. Sie büffelt viel, sie liest Asterix auf Deutsch und schafft in nur einem Jahr das Sprachdiplom für zwei Jahre. Sie studiert an der FH Köln am Ubierring bei Franz Dank. Damals heißt die KISD noch „Kölner Werkschule“. Und parallel lernt sie an der Kunstakademie Düsseldorf bei Alfonso Hüppi, einem Schweizer Maler. Und arbeitet bis heute als Malerin.

Dann ein wichtiger Schritt: 1994 kommt sie ans Kölner Filmhaus – damals noch an der Luxemburger Straße – und ihren ersten Kurzfilm, zusammen mit dem Fotografen KaPe (Klaus-Peter) Schmidt und Marcus Maassen. Sie filmen auf 16 Millimeter in Schwarz-Weiß, der Film ist 17 Minuten lang und heißt „Primetime“. Er erzählt von einer lebensmüden Frau, die sich vor laufender Kamera das Leben nimmt, weil man ihr verspricht, dass es im Gegenzug eine ordentliche Beerdigung gibt. „Wir haben das Sozialkritische mit Fantasie und Kunst vermischt“, sagt Noushin. „Vielen war das damals zu modern. Die klassische Sozialkritik, das waren Porträts von Arbeitslosen, so wie ein Student sie sich vorstellt.“

„Mir ist Mystik sehr wichtig“

Noushins Filme laufen in vielen Kinos, darunter auch das Odeon. „Primetime“ lief damals im „Broadway“ auf der Ehrenstraße. „Wir hatten die Abendvorstellung, und das Kino war rappelvoll“, erzählt sie. Das war ihr damals schon wichtig: Dass die Filme in richtigen Kinos laufen, und nicht in irgendeinem normalen Saal. Sie laufen auch im alten Ufa-Palast am Ring, im Filmhaus, im Museum Ludwig, in den USA, in Brasilien – und im Berliner Kino „Eiszeit“.

Ich will wissen, wovon ihre Geschichten erzählen. „Mir ist Mystik sehr wichtig.“ Was ist Mystik? „Du findest sie zum Beispiel im Glauben. Den kann man ja nicht sehen. Und so haben meine Geschichten oft mit unsichtbaren Dingen zu tun, die ich sichtbar mache. David Lynch arbeitet auch mit Mystik, aber mir ist er zu düster.“

Auch einen Film über die Caffè Bar hat sie gedreht

Einen Film von ihr will ich sehen. Sie zeigt mir auf dem iPad „Zauberstein“ von 2003. Er spielt in einer Bar, es geht um Mann und Frau, ums Flirten und die Frage, was es braucht, um jemanden zu eroberen. Ja, es spielt ein rosa Stein mit. Er hat die Form eines Frosches. Und es passieren lustige Dinge mit den Darstellern. Bis am Ende jemand Neues den Stein findet. Viele von euch kennen vielleicht auch ihren Film über Susis Caffè Bar am Ubiering: 16 Minuten Südstadt pur, auch der ist im Odeon gelaufen.

Noushins neuer Film heißt „Io, Argos und seine 1.000 Augen“ und ist gar nicht so neu. Er ist seit 2013 fertig und handelt von einem Rubens-Gemälde im Wallraff-Richartz-Museum: „Juno und Argus“. Das Werk ist ungefähr zwei mal drei Meter groß und von 1610. Es geht um griechische Mythologie. Juno entnimmt mit einer Pinzette dem abgeschlagenen Kopf des Argus seine legendären Augen und setzt sie in den Schwanz eines Pfaus ein. Noushins Film erzählt von dem Gemälde und bringt es – auch im wörtlichen Sinne – in Bewegung. Sprecher ist übrigens Phil Daub, bekannt als Stimme von „Big Brother“.

Uraufführung am Samstag im „Odeon“

Leider gab es Unstimmigkeiten mit dem Wallraff-Richartz-Museum, das liegt nun schon Jahre zurück. Dabei ging es, sagt Noushin, um die Öffentlichkeitsarbeit. Danach zog sich das Museum (unter dem damaligen Direktor Andreas Blühm) aus dem Projekt zurück. Sie stellte den Film fertig – und schrieb dann dem neuen Direktor Markus Dekiert. „Ich habe ihm den Film angeboten, das lag doch nahe, wenn es um ein so wichtiges Gemälde aus seinem Museum geht. Aber er lehnte ab, er wollte den Film nicht einmal sehen. Darum habe ich niemanden mehr zu der Vorführung im Odeon-Kino eingeladen.“

Wir haben beim Museum nachgefragt, und Pressesprecher Stefan Swertz antwortet uns sofort. Ja, schreibt er, es habe Unstimmigkeiten gegeben. Zitat: „Frau Kiani hatte ihre ganz eigenen Ansichten von Öffentlichkeitsarbeit, die sich nicht mit unseren deckten.“ Zur Absage des Direktors heißt es: „Herr Dekiert hat Frau Kiani im November 2013 persönlich auf ihre zweite Unterstützungsbitte geantwortet und seine Absage ausführlich begründet. Er begrüßte dabei ausdrücklich ihre Initiative, sah aber in unserem Museum keinen Platz für das Projekt.“

Die Geschichte ist nun lange her. Der Film ist fertig, er wird am Samstag uraufgeführt. Um 13 Uhr im „Odeon“ in der Severinstraße. Und Noushin Kiani zeigt dann auch zwei weitere Perlen ihrer Arbeit – nämlich „Susis wunderbarer Kaffee“ – also den Film über die Caffè Bar und „Zauberstein“ (siehe oben). Wenn ihr Kunst made in Cologne sehen wollt, dann lasst euch diesen Termin nicht entgehen.

Mehr im Netz

Hier findet ihr Noushin Kiani im Internet.

Text: Jörg-Christian Schillmöller

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