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Gesellschaft

Blick über den Tellerrand: Eine Reise nach Uganda, Teil 1

Donnerstag, 11. August 2011 | Text: Stephan Martin Meyer | Bild: Stephan Martin Meyer

Geschätzte Lesezeit: 8 Minuten

Seid ihr schon mal in Afrika gewesen? Ich meine damit nicht die nordafrikanischen Staaten, die in den Hochglanzkatalogen der Reiseanbieter standardmäßig zu finden sind. Ich spreche auch nicht von Südafrika, wohin die Touristen seit dem Ende der Apartheid wieder strömen. Ich spreche von Ostafrika. Von der Region, die nur dann in den Medien auftaucht, wenn es wieder einmal zu einer katastrophalen Hungerkatastrophe oder zu anderem menschlichen Leid kommt. Eine Region, über die wir hier in Europa meist so gut wie nichts wissen und auch lieber nicht wissen wollen, denn ansonsten müssten wir viel zu viel von dem hinterfragen, was wir als selbstverständlich ansehen.

 

Ich war da. 14 Tage im Juni. Die Recherche für ein Buch hat mich dorthin verschlagen. Und am liebsten würde ich sofort meine Koffer wieder packen und zurück fliegen.

 

Uganda – Eintauchen in eine fremde Kultur

++ Uganda ++ Lage: Ostafrika ++ Kein Zugang zum Meer ++ Im Westen: Die Demokratische Republik Kongo ++ Im Norden: Seit kurzem Südsudan ++ Im Osten: Kenia ++ Im Süden: Ruanda, Tansania und der Victoriasee ++ Quer durch: der Äquator ++ Hauptstadt: Kampala ++ Einwohner: über 30 Millionen, Tendenz: stark steigend ++ Fläche: 240.000 km² (das entspricht der Größe Westdeutschlands vor 1990) ++

 

Armut in überbordender Landschaft

Wenn man sich entscheidet, einen bislang nicht selbst erkundeten Kontinent zu betreten, dann bietet es sich zuweilen an, in einer Gruppe zu reisen, die von einem guten Guide geführt wird. Gleichermaßen empfiehlt es sich jedoch ab und an, den geschützten Rahmen der Gruppe zu verlassen und die neue Welt auf eigene Faust zu erkunden. Beides durfte ich erleben, als ich Anfang Juni zum ersten Mal meine Füße auf afrikanischen Boden setzte. In die Wiege der Menschheit. Ich kam nach Ostafrika.

 

Am Flughafen von Entebbe nahe Kampala schlägt mir die feuchte Hitze entgegen. Doch mit ihr dringt auch ein ganz spezifischer Geruch in meine Nase, der schwer zu beschreiben ist: Ich schmecke Sand und Wärme, da ist ein Hauch von Abenteuer, der Duft Tausender Blüten und eine Ahnung vom penetranten Gestank verbrennender Kohle und schmorendem Plastik. Burschikose Damen nehmen mir am Zoll 50 Dollar für das Visum ab und schießen mit einer billigen Webcam Fotos von mir. Sogar meine Fingerabdrücke werden gescannt. Ein modernes Land, diesen Eindruck will man offenbar vermitteln. Doch direkt nach diesen Formalitäten endet die Modernität auch schon und wird mir erst 14 Tage später bei der Ausreise wieder begegnen.

 

Uganda ist feucht. Immer und überall. Egal ob man sich in den Niederungen rund um die Hauptstadt oder im Gebirge auf 5000 Meter Höhe aufhält, egal ob es 40° oder 0° Celsius sind – die Luft ist von Feuchtigkeit geschwängert. Immer.

Der erste Abend in einer Lodge nahe des Flughafens ist geprägt von dem starken Drang, sich aus einem Klischee zu entfernen: Da sitzen wir weißen Europäer am fein gedeckten Tisch auf einer Terrasse mit Ausblick auf einen Pool und lassen uns von dunkelhäutigen Angestellten bedienen. Die Verhältnisse sind wie in der Kolonialzeit. Das ist der Deal, auf den ich mich eingelassen habe. Doch im Laufe der Tage werde ich mich daran gewöhnen, denn es ist ab jetzt überall das gleiche Bild: Europäer, Australier, Amerikaner kommen als Touristen in dieses von Armut und Korruption gebeutelte Land, bringen Devisen mit sich und erwarten dafür, dass die Einheimischen sie entsprechend bedienen. Da ist es gut zu wissen, dass eine Übernachtung in der Lodge dem Monatseinkommen der Angestellten entspricht.

 

 

Der folgende Tag führt uns stundenlang über sandige Pisten. Entlang der Hauptstraße quer durch das Land, die bei uns noch nicht einmal den Namen Landstraße verdient hätte, reihen sich wie Perlen kleine Dörfer aneinander. Die Menschen sind draußen, sie arbeiten und leben vor den Hütten und in den schmalen Gassen. Voluminöse Sessel und bunte Kleider, grüne Bananen und rohes Fleisch, geschmuggelte Kohle und Särge für Kinder – alles wird selbstverständlich unter freiem Himmel angeboten. Und immer wieder erstrecken sich dazwischen weite Steppen, durchsetzt mit Papyrussümpfen, Teeplantagen, Rinderherden und ganzen Schulklassen in rosa Uniformen. Meine Augen und Ohren, die Nase und der Fotoapparat kleben am Fenster oder strecken sich gleich aus diesem heraus.

 

Das Beeindruckende in Uganda scheint mir die Gelassenheit der Menschen zu sein: Sie sind zwar einerseits entsetzlich arm, doch zugleich strahlen sie eine unfassbare Zufriedenheit aus, von der wir ständig gehetzten Mitteleuropäer uns ruhig eine dicke Scheibe abschneiden könnten. Glück bekommt auf dieser Reise eine neue Definition.

 

Ja, die Ugander sind arm. Auf dem Land – und die meisten leben nicht in Städten – definiert sich Glück durch eine große Anzahl von Kindern. Sieben an der Zahl bringt eine durchschnittliche ugandische Frau auf die Welt. 13% von ihnen sterben jedoch bereits vor ihrem fünften Geburtstag. Über die Hälfte der Bevölkerung ist heute unter 15 Jahre alt – das bedeutet, dass die Straßen voll sind mit Kindern und Jugendlichen. Welch ein dramatischer Unterschied zu Deutschland!

 

Die holprige Straße windet sich von der 80.000-Seelen-Stadt Kasese langsam den Berg hinauf und endet mit seinen vielen Schlaglöchern in Kilembe. Hier leben 8.000 Menschen am Fuße des gewaltigen Ruwenzori-Gebirges. Ein paar wenige frei stehende Holzhäuser gibt es, doch die haben schon bessere Zeiten gesehen. Ein Kupfermine gab es, doch der Anteil an dem wertvollen Erz im Gebirge ist nicht hoch genug, damit sich der Abbau noch lohnt. Lediglich die verrotteten Industrieanlagen, die weithin sichtbaren Stolleneingänge, die bis ins 20 Kilometer entferne Kongo quer durch das Gebirge reichen sollen und die giftigen Abraumhalden, auf denen heute Mais angebaut wird, zeugen von dieser Zeit.

 

 

Die meisten Menschen leben in einer Art Reihenhaus – Reihenhütten eher – dicht an dicht aufgereiht, mit schmalen Wegen und kleinen Feldern dazwischen, auf denen Bananen und Mais angebaut werden. Die Kinder kommen sofort auf mich zu gerannt, als ich es wage, mit einem schwarzen Begleiter durch den Ort zu gehen. Kleine Hände schieben sich in meine Hand. Mzungu rufen sie sich zu. Weißer Mann. Und sie probieren ihr Englisch aus, immer und immer wieder. Jedes Mal, wenn ich auf die Frage „How are you?“ mit „Fine, thank you, How are you?“ antworte, laufen sie laut lachend weg. Ich muss ein großer Spaß für sie sein. Fast wie Fernsehen.

 

Seit die Minen im Ort geschlossen sind, gibt es so gut wie keine Arbeit für die Männer mehr. Sie verdingen sich als Träger für die Touristen, die auf die idiotische Idee kommen, in den Ruwenzori hoch zu steigen. Was die anderen den Tag über tun, habe ich bis zum Abreisetag nicht in Erfahrung bringen können. Wer zu etwas Geld gekommen ist, kann sich ein kleines Stück Land auf den Hügeln rechts und links des Ortes kaufen, eine eigene Hütte darauf bauen und das Feld, das meist eine Steigung von mehr als 45° hat, bestellen. Mais, Bohnen, Bananen, Süßkartoffeln, Maniok – das sind die einträglichsten Produkte. Wer selber genug hat, kann auf dem regionalen Markt ein wenig davon verkaufen. Viel ist das jedoch meistens nicht. Die Menschen in Kasese leben von der Hand in den Mund.

 

Mit Shawn, einem einheimischen Guide, den ich auf einer Tour ins Gebirge kennenlerne, und Victoria besteige ich den Hügel rechter Hand. Die Wege sind keine Wege. Es sind lediglich schmale Pfade, die sich in einer Steigung nach oben winden, die ich mir bis dato nicht zugetraut hatte. Zwischen Avocadobäumen und Orchideen hindurch erkämpfe ich mir Meter für Meter nach oben. „Steff, what´s up?“, höre ich immer wieder den lachenden Ruf meines Führers, der diesen Weg ohne einen einzigen Schweißtropfen auf der Stirn zurücklegt. Mein T-Shirt ist nach zehn Minuten komplett nass. Wen wundert es da, dass hier oben eine Frau lebt, die nach der Geburt ihres dritten Kindes im Alter von 25 Jahren den Hügel nicht mehr verlassen hat. Heute ist sie 75.

 

Neben ihrem Haus sitzt eine Gruppe Kinder im Gras. Zwischen drei und acht Jahren sind sie alt. Sie gucken neugierig, als Shawn an ihnen vorbei geht, sie lachen, als Victoria sie grüßt, zwei von ihnen laufen laut weinend weg, als ich den Hof überquere. „They have never seen a man with a skin desease like you have“, spottet Shawn, als die Kids mir kurz darauf im Sicherheitsabstand von mindestens zwei Metern folgen. Ich muss auf sie wirken wie ein Geist. Wie einer der unter ihnen wohnenden Ahnen, von deren Existenz man hier überzeugt ist. Sobald ich stehen bleibe und ihnen den Kopf zuwende, rennen sie mit einem lauten Schrei weg, nur um ein paar Sekunden später wieder hinter mir zu stehen.

 

Shawn ist es auch, der mich und Ally, einen anderen Guide, an einem Abend in den schrottreifen Van bugsiert. „I´ll meet some friends in Kasese, playing pool billard, drinking beer. Let´s go!“ Noch ist es hell, doch ich habe gelernt, dass die Dunkelheit schlagartig kommt. Das ist die Nähe zum Äquator. Da spreche ich nur ein paar Minuten mit Shawn – der war wirklich hübsch, ich hätte meine Mutter für ihn verkauft – und plötzlich ist es draußen finster. Und finster bedeutet in Uganda nun mal stockdunkel. Man sieht nichts mehr! Wir fahren durch ein paar kleine Orte, überholen dabei reihenweise BodaBodas. Das sind kleine Motorräder mit einer etwas verlängerten Sitzfläche, auf denen bis zu fünf (!) Ugander hintereinander Platz finden. Frauen sitzen grundsätzlich seitlich. Alternativ kann man auf einem BodaBoda auch zwei Ugander mit einem hohen Stapel voller Eierpaletten, ein anderes BodaBoda quer oder Verletzte transportieren.

 

Die Stadt. Kasese. Auch hier gibt es in erster Linie Sandpisten. Die Gebäude sind niedrig. Hier wie auf allen Straßen des Landes sind unendlich viele Menschen unterwegs. Selbst in den abgelegendsten Gegenden habe ich doch immer noch Menschen gesehen, die Holz, Bananen oder Zuckerrohr transportierten. An allen Ecken der Stadt wird gegrillt, ganze Kompanien Hähnchen werden hier öffentlich kross gebraten. Selbstverständlich kommt der Grillmeister auf die Terrasse der Pool-Billard-Bar, bringt das Essen und hält mir eine Schüssel, eine Karaffe Wasser und ein Handtuch entgegen. Nur mit sauberen Fingern essen, klar. Die Identifikation des Essens fällt mir eher schwer, aber ich habe mich daran gewöhnt, dass man in Uganda einfach irgendeinen Teil des Geflügels auf den Teller bekommt, wenn man Hähnchen bestellt. Das Gleiche gilt im Übrigen auch für andere Fleischsorten.

 

Apropos Geflügel: Da die Müllabfuhr in Kasese und anderen ugandischen Städten ein Manko ist, toleriert man hier die Anwesenheit von Marabus – riesigen, etwas hässlichen Vögeln, die mit einer Flügelspannweite von mehr als drei Metern alles Aas der Stadt verputzen. Dafür sitzen sie dann in mehr oder weniger großen Gruppen auf allen Bäumen herum. Vor der Pool-Billard-Bar sind es 15 Tiere, die in der sich schnell über die Stadt senkenden Dunkelheit auf einem kleinen Baum übernachten. Ein faszinierender Anblick.

 

 

Die Rückfahrt durch die Dunkelheit Afrikas ist eine besondere Erwähnung wert: Rund um uns herum ist kein Licht zu sehen. Nur die Scheinwerfer des Vans geben einen vagen Eindruck von dem, was da auf uns zufliegt. Die Fenster haben wir herunter gelassen. Ich sitze auf dem Beifahrersitz, halte den linken Arm aus dem Fenster, der Fahrtwind zerrt an des Haaren, Ally hat sich bereit erklärt, wenig zu trinken und dafür zu fahren. Eine pechschwarze Hand reicht mir von hinten eine volle Flasche Whisky nach vorne. So rasen wir durch die ugandische Nacht. Wenn Muttern davon in diesem Moment wüsste, sie hätte sich vermutlich freiwillig verkaufen lassen.

 

Doch auch den problematischen Fragen will ich nicht aus dem Weg gehen. Womit war Unganda doch gleich im Frühsommer so oft in den Medien vertreten? Ach ja: Das Parlament plante die Einführung eines neuen Gesetzes, das die Todesstrafe für überführte Homosexuelle nach sich ziehen sollte. Das Gesetz wurde, vermutlich nach internationalen Protesten, nicht in die Kammer eingebracht, ist also lediglich verschoben, nicht aufgehoben. Meine Nachfragen zu diesem Thema brachten sehr unterschiedliche Positionen zutage: Die einen behaupteten schlicht, die Homosexualität gehöre nicht in ihre Kultur, die anderen konnten von den Bars in Kampala erzählen, die von Schwulen frequentiert wurden. Auch Bemerkungen wie „Some of the guys travel to Kampala and do homosexuality“ habe ich vernommen, doch das klang in meinen Ohren eher nach Prostitution.

 

Uganda ist auf einem schwierigen Weg, sich von Europa als Repräsentant ehemaliger Kolonialmächte abzuwenden und selbst zu finden, sich dabei aber auch nicht zu isolieren. Ein Mann hat sich schon vor langer Zeit mit sympathischen Gesten in dem Land eingekauft und wird daher allen politische Unbilden zum Trotz hoch verehrt: Gaddafi. Nicht nur in der Region Kasese, wo er den Palast des vor einigen Jahren erst wieder aus dem Exil zurückgekehrten Königs von seinem Geld bauen ließ, sondern auch in vielen anderen Regionen hat er seine Spuren hinterlassen. Über den ganzen afrikanischen Kontinent hat sich Gaddafi Sympathien erkauft. In Ländern, an denen Europa viele Jahre nicht das geringste Interesse hatte. Das prägt langfristig. Und das ist eine nicht zu unterschätzende Gefahr.

 

Lesen Sie auch Teil 2 des Reiseberichts aus Uganda.

Text: Stephan Martin Meyer

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