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Kultur

Die Hässlichkeit gütig?

Dienstag, 3. März 2015 | Text: Alida Pisu | Bild: Juri Brodskij

Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten

Wie viel Leid kann ein Mensch ertragen? Und wie geht er damit um? Existentielle Fragen, die vielleicht auf jeden einmal zukommen. In der Gestalt und der Geschichte des alttestamentarischen Hiob verdichten sie sich auf furchtbare Weise. Die Figur des Hiob stand Pate für den gleichnamigen, 1930 erschienenen Roman von Joseph Roth. Sein Protagonist, Mendel Singer, ein Thora-Lehrer, erleidet schwere Schicksalsschläge, an denen er fast zerbricht.

Das Svetlana Fourer Ensemble präsentiert im „Freies Werkstatt Theater“ eine Bühnenbearbeitung, die zeigt, das Schreckliches zwar schrecklich ist, aber auch zum Weinen schön sein kann. Dabei entwickelt das Ensemble eine Bildsprache der Schlichtheit, deren intensiver Wirkung man sich nicht entziehen kann.

Eine Geschichte wollen sie uns erzählen, die beiden Darstellerinnen Julia Brettschneider und Wiebke Alphei. Sie beginnt damit, dass eine riesige Thorarolle hereingetragen und aufgerollt wird. Noch ist das Papier unschuldig weiß, aber schon während erzählt wird, wie Mendel und seine Frau Deborah drei Kinder bekommen, die Söhne Jonas und Schemarjah und die Tochter Mirjam, werden ihre Umrisse auf das Papier gezeichnet. Und dann begibt sich Deborah hinter die Thorarolle, um dort ein viertes Kind zu gebären. Wie dieses Kind sich durch das Papier hindurch Bahn bricht, wie sein Kopf, schließlich sein ganzer Körper darum kämpft, in die Welt zu kommen, das hat etwas von der Urgewalt des Lebens. Bricht aber auch mit Gewalt in das Familienleben hinein.

Denn Menuchim (verkörpert durch eine monströs aussehende Puppe) ist kein normales, gesundes Kind. Menuchim kann nur ein einziges Wort sagen: „Mama.“ Wieder und immer wieder. Und was beim ersten Mal noch als beglückend erlebt werden konnte, das wird zum Alptraum, das Kind zur Last, die sich Mendel schwer auf die Schultern legt. Da ist es Deborah, die sich mit dem Kind auf den Weg macht und von einem Rabbi die prophetischen Worte hört: „Der Schmerz wird ihn weise machen, die Hässlichkeit gütig, die Bitternis milde und die Krankheit stark.“

Der Einfall der Regisseurin, Svetlana Fourer, dem Papier als wichtigstem Requisit einen bedeutungsstarken Raum zu geben, macht durchaus Sinn. Was wären wir denn ohne beschriftetes oder bedrucktes Papier? Das Gedächtnis der Menschheit besteht in den Aufzeichnungen von Geschichtsschreibern. Die Bibel, der Koran, die Thora, in ihnen sehen zig Millionen Menschen schwarz auf weiß die Grundlagen ihres Glaubens. Meine Geburts-Urkunde, mein Tagebuch, meine Zeugnisse. Allesamt Stationen auf einem Lebensweg.

So ist es faszinierend zu sehen, wie die Figuren der Söhne aus dem Papier geschnitten werden, sich neu formen und darüber reden, was sie einmal sein wollen: „Ich will sein ein reicher Mann…“ „Ich will sein…“ Doch was wir sein wollen, davon können wir zwar träumen, haben es aber nicht in der Hand. Ihre Lösung aus der Familie markiert für die Söhne einen Umbruch. Schemarjah wandert nach Amerika aus und fällt später als US-Soldat im 1. Weltkrieg, Jonas geht, entgegen der jüdischen Tradition, zu den Kosaken. Beide verloren…

Noch vor Ausbruch des 1. Weltkrieges folgen Mendel, seine Frau und ihre Tochter Schemarjah nach New York und lassen Menuchim zurück. Sehr eindrücklich die Fotos aus diesem Moloch Stadt, durch die Mendel als Schattenfigur irrt und sich selbst verliert. Ebenso wie er die Liebe zu seiner Frau verloren hat, die ihm fremd geworden ist. Das Szenario gipfelt darin, dass Mendel sein Haus anzündet und ihm nichts mehr bleibt. Warum er das getan hat? „Ich will mehr als einen Menschen verbrennen. Ich will Gott verbrennen.“

Aber Gott lässt sich nicht verbrennen. Diese Erkenntnis ist Mendel noch vergönnt, als er zum Pessach-Fest geht. Der Freund, der ihn eingeladen hat, spricht im Verlauf des Abends die traditionelle Einladung an den Propheten Elias aus. Es klopft an der Tür. Ein Mann begehrt Einlass. Wie sich herausstellt, ist es niemand anderes als der von seiner Krankheit geheilte Menuchim. Damit ist ein Bogen geschlagen zu den Worten des Rabbi: „Der Schmerz wird ihn weise machen, die Hässlichkeit gütig, die Bitternis milde und die Krankheit stark.“ Es ist ein bewegendes Bild, wie der alte Mendel auf dem Schoss seines Sohnes sitzt und die Güte eines Gottes erfahren darf, an den er nicht mehr geglaubt hat.

Wenn auch die Inszenierung nicht die Fragen beantwortet, die Joseph Roth in seinem Roman stellt, insbesondere die des Ringens und Haderns mit einem als ungerecht und grausam empfundenen Gottes, tut ihr das doch keinen Abbruch. Sie ist dicht und lädt dazu ein, selbst Antworten zu finden. Julia Brettschneider und Wiebke Alphei sind glaubwürdig und zeigen eine starke Leistung.

Die nächsten Termine:

4. und 5. März, 8. Und 9. Mai 2015, jeweils um 20.00 Uhr

Freies Werkstatt-Theater, Zugweg 10, 50677 Köln

Text: Alida Pisu

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