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Kultur Südkids

Fluchtgeschichten und Fantasiesprachen – BücherwurmsBestes #16

Donnerstag, 20. April 2017 | Text: Gastbeitrag | Bild: Tamara Soliz

Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten

Während der April seinem unstetem Ruf gerecht wird und sich Frühlings- und Winterwetter quasi minütlich abwechseln, haben wir die neuen Büchertipps zusammengetragen, die mit Gartenideen und Schmökervorschlägen beiden Extremen Rechnung tragen.
Heute kommen die Empfehlungen aus dem Anderen Buchladen und von den Tagedieben aus dem Hirschgässchen.

 

 

Drei Frühjahrstipps haben Friederike und Ute vom „Anderen Buchladen“ dieses Mal ausgesucht. Zwei Romane, in denen es um Flucht und Vertreibung geht – einer spielt in Syrien und erzählt von Amal und Hammoudi, die keine Wahl haben. Der andere spielt in der Stalinzeit und schildert Suleikas Leben als Bäuerin, die nach Sibirien umgesiedelt wird. Und schließlich ein wunderbares Bilderbuch, das ganz und gar aus Fantasiewörtern besteht, die man aber doch alle sofort versteht.

 

Als Friederike das erste Buch holt, habe ich ein Aha-Erlebnis: Genau dieses Buch hat mir gerade eine Bekannte ausgeliehen – aber ich habe noch nicht angefangen zu lesen. „Gott ist nicht schüchtern“ heißt der Roman von Olga Grjasnowa, der die Geschichte von Amal und Hammoudi erzählt. „Amal ist Schauspielschülerin in Damaskus, sie ist dort verwurzelt, sie lebt gern dort“, sagt Friederike. „Und Hammoudi lebt eigentlich in Paris und kommt nur nach Hause nach Syrien, um seinen Pass verlängern zu lassen.“ Aber dann beginnen die Unruhen und der Aufstand im Land. „Hammoudi kann Syrien nicht verlassen, er kommt nicht raus, sein Leben wird auf den Kopf gestellt“, erzählt Friederike. Hammoudi und Amal treffen sich, erst in Syrien, dann auf der Flucht, später in Berlin. Denn beide müssen fliehen, sie haben keine Wahl. „Man möchte unbedingt wissen, wie es mit ihnen weitergeht“, sagt Friederike. „Es ist ein hartes Buch, es zeigt das Flüchtlingsproblem von einer anderen Seite, es zeigt, wie das Leben plötzlich unmöglich wird. Und trotzdem ist es… (sie sucht nach einem Wort) …menschlich erzählt.“ Noch ein Detail weiß Friederike: Die Autorin ist mit einem Syrer verheiratet. Und hat durch ihren Mann viele Menschen kennengelernt, die Fluchtgeschichten erlebt haben. Auch das mache das Buch, sagt Friederike, so authentisch.

Olga Grjasnowa: Gott ist nicht schüchtern. Roman. Aufbau-Verlag. 309 Seiten. 22 Euro.

Danach bringt Ute mir den Roman „Suleika öffnet die Augen“ von Gusel Jachina, Jahrgang 1977. Auch dieses Buch erzählt von einer einschneidenden Epoche – von der Stalinzeit. „Es ist aus der Sicht einer tatarischen Bäuerin geschrieben, die ein einfaches Leben führt und nach Sibirien umgesiedelt wird“. Die Frau – Suleika – hat vier kleine Kinder verloren, der viel ältere Mann wird erschossen, die Familie wird enteignet, „Aber in Sibirien bekommt Suleika noch einen Sohn und emanzipiert sich“, sagt Ute. Ihr gefällt, dass das Buch zwar vom Stil her einfach geschrieben ist, aber trotzdem nicht platt wirkt. Empfindet sie die Hauptfigur als starken Charakter? „Nein, am Anfang nicht“, sagt sie. „Denn Suleika duckt sich immer weg und wird gegängelt, zum Beispiel von der Schwiegermutter. Auch ihr Mann bestimmt, wo es lang geht. Aber in Sibirien, in dem neuen Dorf, da hat sie etwas zu sagen und merkt: Auch sie kann Dinge entscheiden.“ Übrigens ist „Suleika öffnet die Augen“ der Debütroman der jungen Autorin.

Gusel Jachina: Suleika öffnet die Augen. Roman. Übersetzung: Helmut Ettinger. Aufbau-Verlag. 541 Seiten. 22,95 Euro.

Das dritte Buch ist einfach nur witzig. Auch wenn ich kein Wort verstehe. Aber das macht nichts, denn was Friederike in der Hand hat, ist ein großes, buntes Kinderbilderbuch, geschrieben von vorne bis hinten in einer Fantasiesprache. Carson Ellis erzählt die Geschichte einer kleinen Pflanze, die eines Tages irgendwo auftaucht – und dann von den Tieren entdeckt wird. Friederike blättert, ich sehe zwei Insekten mit großen Flügeln rechts und links von der Pflanze stehen: Sie grübeln, worum es sich bei dem kleinen Gewächs wohl handeln könnte. „Wazn teez?“ fragt das eine Insekt. „Mi nanüt“, antwortet das andere. Friederike blättert weiter, und ich sehe Käfer, Vögel, grüne und braune Farben, große und kleine Tiere – und überall Wörter, die nicht existieren: Einfach herrlich. Denn natürlich kann man sich dann doch immer denken, was die Tiere da alles miteinander besprechen. Tolle Bilder, schöne Geschichte.
Ellis Carson: Wazn Teez? Übersetzung Jess Jochimsen, Anja Schöne. NordSüd Verlag. 48 Seiten. 16 Euro.

 

Autor: Jörg-Christian Schillmöller
 

 

Auch bei den Tagedieben ist alles auf Frühling eingestellt, wobei das Angebot des Ladens ganzjährig ein buntes ist. Passend zur Jahreszeit verweist Claudia zunächst auf die Gartenbüchern.
„100% Ernte-Glück“  erklärt Garten-Neulingen Grundlagen des erfolgreichen Gärtnerns mit vielen nützlichen Insider-Tipps und Hintergrundinformationen. In Monate gegliedert wird beschrieben, was zu tun ist und wann was geerntet werden kann. Die beiden Autorinnen Natalie Kirchbaumer und Wanda Ganders betreiben das Unternehmen „meine ernte“, das am Rand deutscher Großstädte bundesweit saisonweise Gemüsegärten und Beete vermietet. Das hierbei geballte gesammelte Wissen haben sie in dem Buch zusammengebracht.
Natalie Kirchbaumer und Wanda Ganders: 100 % Ernte-Glück, BLV Verlag, 144 Seiten, 19,99 Euro

„Frische Ernte ohne Garten“ tutet in ein ähnliches Horn. Allerdings liegt hier – wie der Titel schon vermuten lässt, der Schwerpunkt eben nicht auf Gärten und Beeten, sondern auf das Gartenglück im Topf. – Welche Pflanzen eignen sich, was muss man beachten und wie macht man viel aus wenig Platz. Schönes und nützliches Buch.
Kay Maguire: Frische Ernte ohne Garten, Dorling Kindersley Verlag, 176 Seiten, 16,95 Euro

So viel Geblühe und Geernte bringt uns dann zu Corinnes Favoriten: „Das Bienen Buch – Bienen verstehen, schützen und halten“. Detailverliebt aufbereitet und wunderbar illustriert vermittelt das Werk umfassendes Wissen über Bienen, beleuchtet von fünf Autoren aus verschiedenen Fachrichtungen – Biologie, Ökologie, Botanik, Imkerei und Vertrieb. Darüberhinaus gibt es Tipps, was man selbst tun kann und welche Blumen angepflanzt werden können, um die Tiere bei ihrer sprichwörtlichen Fleißarbeit zu unterstützen – und Honig-Rezepte für Salben, Spülungen, Möbelpolituren und vieles mehr.
Fergus Chadwick, Steve Alton, Emma Sarah Tennant, Bill Fitzmaurice, Judy Earl: Das Bienen Buch, Dorling Kindersley, 224 Seiten, 19,95 Euro

Nachdem man nun gebuddelt und gewerkelt, gepflanzt und geimkert hat, ist es Zeit, die Beine hochzulegen, vorzugsweise mit einem fesselnden Buch. Corinne hat „Das kalte Blut“ erst vor kurzem selbst ausgelesen: „Das Buch erzählt eine deutsch-baltische Familiengeschichte über drei Generationen, die geprägt ist durch nationalsozialistische Vergangenheit und den Umgang damit. Es greift am Beispiel dieser Geschichte, die mit zwei Brüdern beginnt, die beide in der SS waren, auf, wie lange Deutschland nach dem Weltkrieg durchsetzt war mit Alt-Nazis. Und wie wenig dafür in Bewusstsein vorhanden war. Mitreißend und unterhaltsam geschrieben, dabei aber auch informativ und nachdenklich machend. „
Chris Kraus: Das kalte Blut, Diogenes Verlag, 1200 Seiten, 32,00 Euro

 

Autorin: Nora Koldehoff

 

Weitere Büchertipps finden Sie hier:

BücherwurmsBestes#1

BücherwurmsBestes#2

BücherwurmsBestes#3

BücherwurmsBestes#4

BücherwurmsBestes#5

BücherwurmsBestes#6

BücherwurmsBestes#7

BücherwurmsBestes#8

BücherwurmsBestes#9

BücherwurmsBestes#10

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BücherwurmsBestes #15

Text: Gastbeitrag

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