Lesestoff für die Sommerpause
Mittwoch, 23. Juli 2025 | Text: Nora Koldehoff | Bild: Nora Koldehoff
Meine Südstadt geht mal wieder in die Sommerpause. In den nächsten Wochen werden hier nur sporadisch neue Beiträge erscheinen.
Für Koffer oder Park kommen aber noch unsere Büchertipps. Heute nicht nur mit Empfehlungen von mir, sondern auch mit Lesetipps, die ich von anderen bekommen habe. Habt Ihr auch Lesetipps für uns? Dann schreibt sie gern in die Kommentare!
Meine Südstadt wünscht Euch einen wunderschönen Sommer!
Sarah Lorenz
Mit Dir, da möchte ich im Himmel einen Kaffee trinken
„Siehst du, Mascha, ich bin deinem Rat gefolgt: Ich war klug und hielt mich an Wunder.“ Und dass das so gut aufgehen würde, war wirklich nicht selbstverständlich für Elisa, die Protagonistin des autofiktionalen Romandebüts von Sarah Lorenz. In Rückblicken der erwachsenen Elisa erfahren wir von ihrer Kindheit und Jugend, die geprägt ist von der Suche nach Liebe und Wärme, einem Zuhause, das sie bei der Mutter nicht findet. Nicht nur erwachsen geworden, sondern auch angekommen nimmt die „große“ Elisa die kleine an der Hand, spürt ihrer Gefühlswelt als „Systemsprengerin“ nach und erzählt von ihrer Zeit des immer wieder Ausbrechens, unter anderem auf die Kölner Platte, unter Punks und etlichen Männern, die ihre Lage auszunutzen wissen. Harte Themen, zart erzählt.
Die Autorin Sarah Lorenz ist vermutlich die reizendste Person des Internets und bei Instagram ihrer stetig wachsenden Fangemeinde als „Buchischnubbel“ bekannt, Untertitel „Queen of Oversharing“. Und so unmittelbar und filterlos wie Buchischnubbel uns in Sozialen Netzwerken teilhaben lässt, so unverstellt beschreibt auch ihre Buchheldin ihre Suche nach Glück. Die Dichterin Mascha Kaléko ist bei Elisas innerer Reise durch die eigene Jugend imaginäre Ansprechpartnerin und Bezugspunkt. Ein berührendes Debüt.
Sarah Lorenz: Mit Dir, da möchte ich im Himmel einen Kaffee trinken
Rowohlt 224 Seiten, 24 Euro
Kristine Bilkau
Halbinsel
Annett ist Ende vierzig und lebt auf einer nordfriesischen Halbinsel. Nach dem plötzlichen und frühen Tod ihres Mannes hatte sie sich dort mit ihrer Tochter Linn zurückgezogen. Inzwischen ist Linn erwachsen, hat Schule und Studium zügig gemeistert, die Welt bereist und in der Hauptstadt einen Job in einem Unternehmen für Umweltberatung angenommen. Bei einem Vortrag in einem Hotel aber erleidet sie einen Kreislaufzusammenbruch. Annett holt sie zur Erholung zu sich, für eine Weile erst, doch aus Wochen werden Monate. Linn hat ihren Job gekündigt und braucht inmitten einer Sinnkrise Zeit, um Kraft für einen Neustart zu finden, während Annett sich hilflos fühlt, ihre Tochter so perspektiv- und antriebslos zu erleben.
Im kleinen Kreis zwischen Mutter und Tochter werden die großen Themen unserer Zeit verhandelt, in unaufgeregt ruhigem Ton, der die kleinen Schritte eines Perpektivwechsels berührend nachvollziehbar macht.
Ausgezeichnet mit dem Leipziger Literaturpreis 2025.
Kristine Bilkau: Halbinsel
Luchterhand 224 Seiten 24 Euro
Max Kersting
Damals hatten wir nur Minigolf, sonst nichts
Das Buch, das sich auch für Lesemuffel eignet – wie auch schon der Vorgänger „Auf der Suche nach Trouble“. Max Kersting beschriftet alte Fotos und macht so aus jedem Bild eine ganz neue kleine Geschichte. Ich liebe Kerstings Humor und lache ohne Übertreibung täglich über diesen grandiosen Quatsch.
Max Kersting: Damals hatten wir nur Minigolf, sonst nichts
Bastei-Lübbe 176 Seiten, 18 Euro
Richard Osman
Wir finden Mörder. Sie haben den Fall. Wir haben die Lösung.
Amy Wheeler ist Personenschützerin und derzeit damit beschäftigt, auf die schwerreiche und erfolgreiche Thrillerautorin Rosie aufzupassen, als sie selbst ins Visier eines Unbekannten gerät. Da sie nicht weiß, wem sie noch trauen kann, holt sie sich Hilfe von sicherer Seite: ihren Schwiegervater Steve, pensionierter Kriminalpolizist. Gemeinsam mit ihm und Rosie nimmt Amy die Spur auf, die rund um den Globus führt.
„Wir finden Mörder“ ist der Auftakt einer neuen Krimi-Reihe von Richard Osman, der schon mit der „Donnerstagsmordclub“-Serie großen Erfolg hatte. Unterhaltsam und spannend, mit liebenswert gezeichnetem Ensemble.
Richard Osman: Wir finden Mörder. Sie haben den Fall. Wir haben die Lösung.
Ullstein 432 Seiten, 22,99 Euro
Alina Bronsky
Pi mal Daumen
Der hochbegabte 16-jährige Oscar aus reichem Elternhaus trifft in der Mathematikvorlesung auf Moni Kosinsky. Die wiederum ist mit Anfang 50 reich an Lebenserfahrung, bunt und auffällig, hat mehrere Jobs, eine Familie und bereits drei Enkelkinder. In ihr findet der eigenbrötlerische Oscar, dem der Alltag im Gegensatz zur Mathematik oftmals ein Rätsel ist, eine Vertraute und Freundin. Und muss feststellen, dass (auch) er sie unterschätzt hat.
Alina Bronsky erzählt auch in ihrem neuesten Roman in leichtem Ton mit warmem Blick auf ihre Charaktere, spannend, klug und lustig.
Alina Bronsky: Pi mal Daumen
Kiepenheuer & Witsch, 272 Seiten, 24 Euro
Bonnie Garmus
Eine Frage der Chemie
In den 60er Jahren ist es die Norm, dass Frauen den Namen und auch Status des Mannes nach erfolgter Hochzeit annehmen. Im Anschluss scheinen sie dann in der Rolle der Hausfrau und Mutter erfolgreich aufzugehen.
Elizabeth Zott hat eine andere Auffassung von der Art und Weise ihr Leben zu führen, beziehungsweise führen zu wollen.
Sie ist Wissenschaftlerin, genauer gesagt Chemikerin, und in ihrem Arbeitsfeld erfolgreich. Nur ist in den patriarchalen Strukturen von etablierten Instituten, in denen Elizabeth arbeitet, Gleichberechtigung ein Fremdwort. Allein der erfolgreiche Chemiker Calvin Evans denkt und handelt anders, so dass die beiden sich verlieben. Doch das ist nicht das Happy End des fesselnden Romans, denn schon bald ist die Chemikerin alleinerziehende Mutter und arbeitslos.
Sie landet eher ungewollt im Mittelpunkt der Koch-Show „Essen um sechs“. Doch sie macht „ihr Ding“ daraus: Den zuschauenden Frauen bringt sie nicht nur gesunde Rezepte auf wissenschaftliche Art bei, sondern ermutigt sie nachzudenken und ihre Lebensweisen und ihre Entscheidungen zu hinterfragen.
Ergänzt wird Elizabeths Geschichte um die amüsanten und lebensklugen Gedanken und Beobachtungen ihres Hundes „Halbsieben“.
Ein Buch, das man kaum weglegen kann – klug, fesselnd, humorvoll.
Bonnie Garmus: Eine Frage der Chemie
übersetzt von Klaus Timmermann und Ulrike Wasel, Piper 464 Seiten, 26 / 17 Euro
Eine Empfehlung von MT Waschk
Marouane Bakhti
Wie man aus der Welt verschwindet
Der namenlose Held des Buchs wächst im ländlichen Frankreich auf, die Mutter ist Französin, der Vater Marokkaner. Und auch, wenn es an Liebe auf beiden Seiten der Familien nicht mangelt, fehlt ihm hier wie da das Zugehörigkeitsgefühl. Nachdem das Geheimnis seiner Homosexualität unfreiwillig gelüftet wird, kommt es zum Bruch mit dem Vater und zum Wegzug nach Paris. In der Hauptstadt kann der Erzähler zwar offen schwul leben, doch die Einsamkeit bleibt. Erst nach einem Todesfall in der Familie trifft er wieder auf seinen Vater und es gibt eine Annäherung.
Bakhti erzählt sensibel, bildhaft und poetisch, setzt Erinnerungsstücke und Monolage collagenartig zusammen. Ein starkes Romandebüt.
Marouane Bakhti: Wie man aus der Welt verschwindet
Aus dem Französischen von Annabel Summet, März Verlag, Berlin 148 Seiten, 20 Euro
Eine Empfehlung von Sarah Linßen
Paula Irmschler
Superbusen
Gisela ist Anfang zwanzig und weiß nicht, wohin: In der Liebe, im Leben und überhaupt. Also fährt sie los, mit ihren besten Freundinnen aus Chemnitz. Als Band namens Superbusen touren die Frauen durchs Land und werden dabei auf unterschiedlichste Weise damit konfrontiert, was es heißt, jung, weiblich und links zu sein. So unterhaltsam wie berührend schreibt Paula Irmschler über Freundinnenschaft und Feminismus, Verletzlichkeit, Sinnkrisen und das Erwachsenwerden.
Das neue Buch von Paula Irmschler „Alles immer wegen damals“ liegt noch auf meinem Nachttisch. Große Vorfreude!
Paula Irmschler Superbusen
Ullstein Taschenbuch, 320 Seiten, 13,99 Euro
Paula Irmschler: Alles immer wegen damals
dtv, 320 Seiten, 14 / 24 Euro
Eine Empfehlung von Sarah Koldehoff
Adrian McKinty
Alter Hund, neue Tricks
Sommer, Sonne, Urlaubslektüre? Natürlich gehören zur Lektüre auch immer Krimis, am liebsten direkt eine ganze Reihe. Ich empfehle die Krimis von Adrian McKinty rund um den Ermittler Sean Duffy, der im krisengeschüttelten Nordirland der 80er Jahre als „einziger katholischer Bulle in Belfast“ zwischen aufregenden Fällen, einsamen Nächten mit reichlich Gin und zwischenmenschlichen Verwicklungen, seine Fälle löst. Die Tatsache, dass in jedem der 5 Bücher Musik, insbesondere Tom Waits, eine große Rolle spielt, sorgt für zusätzliches Lesevergnügen.
Adrian McKinty: Alter Hund, neue Tricks
Aus dem Englischen von Peter Torberg, Suhrkamp, 367 Seiten, 18 Euro
Eine Empfehlung von Markus Küll
Ulli Lust
Die Frau als Mensch
Wann ist ein Mann ein Mann? Egal – viel wichtiger: Wann wurde die Frau zur Frau? In Form einer Graphic Novel, mit historischen und aktuellen Quellen aus Archäologie, Anthropologie und Gender Studies kommt Ulli Lust, Professorin für illustrative Gestaltung und Comic in Hannover, nicht nur zu einer, sondern zu überraschend vielen und vielfältigen, engagierten und trotzdem unideologischen Antworten. Die Geschichte der Menschheit und der Zivilisation ist eine Geschichte der Frauen, auch wenn sie jahrhundertelang anders gelesen wurde. Für Inhalt und Form ihres Buches hat Ulli Lust gerade den Deutschen Sachbuchpreis 2025 verliehen bekommen.
Ulli Lust: Die Frau als Mensch: Am Anfang der Geschichte
Reprodukt, 256 Seiten, 29 Euro
Eine Empfehlung von Stefan Koldehoff
Bibi Dumon Tak, Annemarie van Haeringen
Regenwurm und Anakonda
„Hallo, ich bin eine Amsel und mein Referat heute handelt vom Halsbandsittich.“ Die Tiere haben sich ihre Referatsthemen ausgesucht und erzählen – aus ihrer Sicht – von anderen Tieren. Der Regenwurm über die Anakonda, der Putzerfisch über den Hai und der Halsbandsittich über Singvögel.
In ebenso kurzweiligen wie lehrreichen Erzählungen ermutigt die Niederländerin Bibi Dumon Tak ganz nebenbei auch zum Perspektivwechsel, wunderschön illustriert von Annemarie van Haeringen.
Bibi Dumon Tak, Annemarie van Haeringen: Regenwurm und Anakonda
übersetzt von Maike Blatnik, Gerstenberg, 128 Seiten, 22 Euro
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