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Bildung & Erziehung Kultur Südkids

Futterkrippe  für Leseratten

Mittwoch, 4. Mai 2011 | Text: Reinhard Lüke | Bild: Dirk Gebhardt

Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten

Heute ist für Egon Müller nichts dabei. Hera Linds „Superweib“ mag er sich nicht antun, „Vom Winde verweht“ trifft ebenso nicht seinen Geschmack und für den dicken Wälzer „Das große Buch der Gesundheit“ sieht der rüstige Rentner glücklicherweise auch noch keinen Bedarf. Aber meistens finde er bei seinen täglichen Besuchen durchaus was zum Schmökern in dem Ding, sagt Müller und blinzelt in die Mittagssonne auf dem Platz im GoltsteinForum. Das „Ding“ ist Kölns erster Offener Bücherschrank, der seit nunmehr knapp einem Jahr an der Alteburgerstraße in Bayenthal steht. Die Idee hinter diesem Projekt ist von derart berückender Schlichtheit, dass man sich fragt, warum in dieser Stadt eigentlich nicht schon früher einer auf sie gekommen ist.
 
Die Wahrscheinlichkeit, dass man selbst als passionierter Bücherwurm einen ausgelesenen Schmöker irgendwann noch einmal zur Hand nimmt, tendiert erfahrungsgemäß gegen Null. Tausende von Bänden dennoch als Dämmmaterial oder Bildungsnachweis an Wohnungswänden in Regalen zu horten, ist zwar nach wie vor beliebt, macht aber eigentlich keinen Sinn. Wer ein gänzlich rationales Verhältnis zu (seinen) Büchern hat und versucht, sie nach der Lektüre bei professionellen Antiquaren zu Geld zu machen, weil er damit nicht tagelang auf staubigen Flohmärkten herumsitzen will, erntet zumeist nur ein mitleidiges Lächeln. Gebundene Erstausgaben, möglichst signiert, nehme man gern, bekommt man dort zu hören, den ganzen Rest aber, vor allem „diese Taschenbücher da“, könne man getrost in die Blaue Tonne werfen. Wer das Kulturgut dann doch nicht wie eine schnöde Tageszeitung behandeln will, trägt es gern erstmal kistenweise für ein paar Jahre in den eigenen Keller, um es spätestens beim nächsten Umzug doch auf den Müll zu werfen. Zu diesem sinnfreien Procedere bietet der Offene Bücherschrank eine echte Alternative.
 
Bild: Andreas Schmied engagiert sich für den Bücherschrank.

 

Das Prinzip ist einfach. Wer gelesene, aber noch einigermaßen gut erhaltene  Bücher loswerden möchte, stellt sie in die unverschlossene,  von dem Architekten und Metallbauer Hans-Jürgen Greve gebaute, rechteckige Glasvitrine und nimmt sich im Gegenzug ein oder mehrere Exemplare raus. Dabei ist das Geben und Nehmen natürlich der Idealfall, aber auch Einbahnverkehr wird von den Betreibern durchaus toleriert. Wobei es „einen“ Betreiber im eigentlichen Sinne gar nicht gibt – jeder kann mitmachen.

 

Initiiert wurde das Projekt von der Bürgerstiftung Köln, die bei den Eigentümern des GoldsteinForums, der Hamburger Garbe Group, nicht nur die Genehmigung für den öffentlichen Bücherschrank einholte, sondern sie auch gleich zur Finanzierung der Vitrine animieren konnte. Seit der offiziellen Eröffnung am 9. Juni vergangenen Jahres funktioniert das Projekt in Bayenthal von selbst. Oder zumindest fast von selbst. Ein paar ehrenamtliche Paten kümmern sich darum, dass der Schrank und seine unmittelbare Umgebung sauber bleiben und werfen auch regelmäßig einen Blicks aufs Sortiment. „Hin und wieder muss man da schon mal ein paar Bücher mit einschlägigen Bildern entfernen, die für Kinder und Jugendliche eher weniger geeignet sind“, erklärt Andreas Schmied, der sich zusammen mit zwei engagierten Frauen aus der Nachbarschaft um das Wohlergehen des Schrankes kümmert. Aber solche Fälle seien eher die Ausnahme. Ansonsten gebe es da kaum Probleme.

 

Schmied  muss es wissen. Schließlich betreibt er seit einem Jahr unmittelbar neben dem Offenen Bücherschrank das Café Goltstein und hat von der Sonnenterrasse davor einen freien Blick auf  den Literaturbetrieb vor seiner Tür. Wie viele Nutzer genau sich da täglich der Gratis-Tauschbörse für Gedrucktes bedienen, weiß er natürlich auch nicht, aber jedenfalls seien eher dreißig als drei. Neukunden, die trotz seitlich angebrachter Benutzungsanleitung etwas ratlos vor dem Objekt stehen, gibt Schmied bereitwillig Hilfe, aber in der Regel hat es der Offene Bücherschrank mit Stammgästen zu tun. Die sind meist eher älter als jung und kommen laut Schmied aus der näheren Umgebung. „Auch aus Marienburg“, fügt er hinzu. Aus Marienburg!? In dem nahen Nobelviertel sollte doch eigentlich jede Leseratte ausreichend bei Kasse sein, um sich ein nagelneues Exemplar eines gewünschten Buches im Handel zu besorgen. „Nun ja“, erklärt der Gastronom, „die stellen eher ein, als dass sie was rausnehmen.“

 

Leer geräumt war der Schrank jedenfalls seit seiner Inbetriebnahme noch nie und was wirklich erstaunt: Auch mit Vandalismus gab es bisher keinerlei Probleme. Weder wurden die Scheiben der Vitrine zerdeppert, noch haben irgendwelche gelangweilten Hallodris da massenhaft Bücher raus genommen und sie dekorativ in der Umgebung verteilt. Ob sich hinter diesem bemerkenswerten Phänomen eine besondere Wertschätzung oder eine grenzenlose Missachtung der Literatur verbirgt, sei dahingestellt. Andreas Schmied kommt mit seinem gläsernen Nachbarn jedenfalls bestens aus. Und wenn sich da zwei Menschen zufällig vor dem Bücherschrank treffen, das Sortiment begutachten und dabei ins Gespräch über Literatur oder auch nur über Gott und die Welt kommen, hat er seine helle Freude daran. Wenn sie ihren Smalltalk anschließend in seinem Café fortsetzen würden, hätte der Wirt natürlich auch nichts dagegen. So was kommt vor, ist aber nicht die Regel. Aber immerhin hat der Schrank den Gastronomen dazu animiert, in seinem Café mit großem Erfolg regelmäßig literarische Lesungen zu veranstalten.
 
Was den literarischen Bestand angeht, präsentierte der Offene Bücherschrank im Bayenthaler Goltsteinforum gestern Mittag exakt jenes Sammelsurium, das man auch in den Grabbelkisten von Antiquariaten findet. Diverse Besteller der letzten Jahre neben Buchclub-Ausgaben von Klassikern, Simmels bis zum Abwinken und Reader´s Digest-Ausgaben und für die nächste Urlaubsplanung fanden sich auch diverse Autokarten darunter. Kochbücher indes waren erstaunlicherweise Mangelware. Aber vielleicht waren die ja in Anbetracht des nahen Mittagessens alle vormittags ausgeräumt worden.

 

Und dann fiel der Blick auf Wilkie Collins´  grandiosen Thriller „Die Frau in Weiߓ, von dem leider nur Band 1 der zweibändigen dtv-Ausgabe im Schrank stand. Was insofern unfair ist, weil kein Leser dieses Krimis aus dem 19. Jahrhundert freiwillig auf die Auflösung des Rätsels verzichten wird. Aber vielleicht ist der Besitzer des Folge-Bandes ja selbst noch bei der Lektüre und reicht ihn demnächst nach.

 

Und bevor Rentner Egon Müller sich an diesem sonnigen Mittag verabschiedet, gibt er zu, dem Schrank ein Buch entnommen, es aber nach der Lektüre entgegen seiner Gewohnheit noch nicht wieder zurückgegeben zu haben. „Ich möchte es vielleicht noch mal lesen“, sagt er. Was ja nun wirklich nicht verboten ist.
 

Text: Reinhard Lüke

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