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Kolumne

„Hallelujah!“ und „Alaaf!“

Dienstag, 24. Dezember 2013 | Text: Reinhard Lüke

Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten

Ist doch schön, diese Weihnachtszeit. Folklore-Christen machen die Kirchen voll, weil es da zum Fest so schön heimelig zugeht. Daheim ist´s  kuschelig, lecker Speis` und Trank werden gereicht, der liebevoll geschmückte Baum wird bestaunt und besungen (und steht danach noch zwei Wochen sinnlos ´rum) und selbst total coole Teenies haben noch mal dieses gewisse Leuchten in den Augen, wenn das Christkind die richtige PlayStation geliefert hat. Zeit für erhebende Gespräche, erfülltes Schweigen und dicke Bücher. Ich hab´ da zwar eigentlich nix zu feiern, aber doch, ich mag das, dieses Weihnachten.

 

Luftschlangen am Tannenbaum
Aber der echte Kölsche muss ja gleich nach dem Fest von „Hallelujah“ auf „Alaaf“ umschalten. Am 29. gilt es Lappenclown- oder Piraten-Fummel vom Speicher zu holen, kurz durchlüften und ab nach Mühlheim ins E-Werk. Schließlich startet an diesem Abend die Stunksitzung in ihre Session 2013/14. Wie, keine Premierenkarten ergattert?

Ist doch schön, diese Weihnachtszeit. Folklore-Christen machen die Kirchen voll, weil es da zum Fest so schön heimelig zugeht. Daheim ist´s  kuschelig, lecker Speis` und Trank werden gereicht, der liebevoll geschmückte Baum wird bestaunt und besungen (und steht danach noch zwei Wochen sinnlos ´rum) und selbst total coole Teenies haben noch mal dieses gewisse Leuchten in den Augen, wenn das Christkind die richtige PlayStation geliefert hat. Zeit für erhebende Gespräche, erfülltes Schweigen und dicke Bücher. Ich hab´ da zwar eigentlich nix zu feiern, aber doch, ich mag das, dieses Weihnachten.

 

Luftschlangen am Tannenbaum
Aber der echte Kölsche muss ja gleich nach dem Fest von „Hallelujah“ auf „Alaaf“ umschalten. Am 29. gilt es Lappenclown- oder Piraten-Fummel vom Speicher zu holen, kurz durchlüften und ab nach Mühlheim ins E-Werk. Schließlich startet an diesem Abend die Stunksitzung in ihre Session 2013/14. Wie, keine Premierenkarten ergattert? Waren ja auch mal wieder binnen zwei Stunden weg am ersten Verkaufstag, irgendwann im Oktober. Nö, nicht nur die für die Premiere. Alle. Für sämtliche 49 Vorstellungen! Denn die Stunker haben diesmal Glück. Die Session zieht sich. Letztes Jahr war´s wesentlich knapper. Weshalb die Premiere schon vor Weihnachten über die Bühne ging.

 

Auch alternative Spaßmacher wollen schließlich leben. Ich persönlich kenne jetzt niemanden, der schon kurz nach Weihnachten unbändige Lust verspürt, sich eine Pappnase aufzusetzen. Aber offenbar gibt´s diese Menschen. Woher auch immer die kommen und was die sonst mit ihrem Leben so anfangen. Mich als Immi wird dieses Phänomen vermutlich auf ewig ratlos machen. Faszinierend find ich´s trotzdem. Irgendwie.  

Überhaupt, diese Stunksitzung! Ist doch ein anrührender Witz. Schon in der Ursprungsidee. Da wollten 1983 ein paar Studenten mal den etablierten Sitzungskarneval ein bisschen prvozieren mit einer Parodie und sich ein paar nette Stunden machen. Lustig sollte es sein. Und frech. Vor allem politisch irgendwie links und korrekt. Mit drei Abenden in der alten Mensa nahm sich das Unternehmen angemessen bescheiden aus. Aber die studentisch-progressive Klientel war begeistert. Endlich mal Sitzungs-Karneval feiern, ohne sich dafür schämen zu müssen. Super Sache, das. Aber die Stunker waren ernsthaft geschockt, als die Alternativ-Jecken zunehmend verkleidet antanzten und bei den schwerst kritischen Gesangseinlagen zu schunkeln begannen. Was schon bald zu ernsthaften Kontroversen und 1989 gar zur Spaltung der Ur-Stunker führte. Die alternative Alternativ-Veranstaltung nannte sich –quasi in doppelter Negation- dann Prunksitzung und ging im Stollwerk über die Bühne. Aber weil auch da alsbald die Schunkelei wieder überhand nahm, war´s damit nach zwei, drei Sessionen wieder vorbei.

Alternative Frohsinns-Funktionäre
Heute ist aus der Schnapsidee namens Stunksitzung ein mittelständisches Unternehmen mit rund 1, 5 Millionen Euro Jahresumsatz geworden, das pro Session ca. 50 000 Heiterkeits-Enthusiasten bespaßt. Auch wenn ich das nicht genau weiß, vermute ich mal, dass ein paar der Alternativ-Jecken ganzjährig davon leben. Was ich ihnen natürlich vor Herzen gönne. Ist ja auch ein hartes Brot. Von kurz nach Weihnachten bis Anfang März nahezu jeden Abend total lustig drauf sein und die immer selben Sketche aufführen. Und dann müssen sie sich diese Nummern ja auch jedes Jahr noch ausdenken.

 

Womit sie wahrscheinlich im Sommer, irgendwo bei 30° im Schatten im Sitzen schwitzend, anfangen. Gruselige Vorstellung. Und das seit nunmehr 30 Jahren. Wie zu lesen stand, stehen da sogar noch ein paar Gründungsmitglieder im Dienste des Frohsinns regelmäßig auf der Bühne. Wie´s denen wohl geht? Sind die bisweilen noch grüblerisch unterwegs oder längst auf dem Show-must-go-on-die-Kinder-haben-Hunger-und-die-Eigentumswohnung-ist-auch-noch-nicht-abbezahlt-Trip? Egal. Ich finde es jedenfalls drollig, dass eine Veranstaltung, die einst als (ein bisschen) anarchische Parodie des traditionellen Sitzungs-Karnevals begann, der seinerseits mal als Parodie des Militärwesens begann, inzwischen mindestens so etabliert ist wie dieser und obendrein auch noch früher in die Session startet. Kann mir aber auch eigentlich egal sein. Ist ohnehin nicht mein Metier.

 

Ich freu mich da eher auf die „Original Kölner Hütten Gaudi“, die am 7. u. 8. Februar ins Festzelt am Südstadion lockt. Da ist der Jürgen Drews dabei, Norman Langen und DSDS-Siegerin Beatrice Egli (welch schöne Karriere!) sind auch da und Chris Roberts und Ireen Sheer bringen ihre Hits von damals. Da bin ich wieder dabei, da fühl ich mich verstanden und die Tickets sind mit 29, 50 Euro sogar noch preiswerter zu haben als bei den Stunkern.  

Wurstpellen im Eis
Aber wenn die alternativen Karnevals-Funktionäre im E-Werk am 4.3. endlich fertig haben, nerven ARD und ZDF noch weiter. Jedes Wochenende. Wintersport! Von Ende November bis Anfang April  wird samstags und sonntags im trauten Wechsel der Kanäle von neun Uhr früh bis nachmittags um fünf im Schnee lang und schnell gelaufen, geschossen und gesprungen oder in Kunsteisbahnen gerodelt und gebobt. Gehört das zur öffentlich-rechtlichen Grundversorgung? Und wer in aller Welt guckt sich das regelmäßig an?

 

Nun gut, die Rechte kosten ein Bruchteil von denen an der Champions-League, aber trotzdem. Da könnte man doch genau so gut und noch preiswerter das Trocknen von Farbe in einer frisch geweißelten Nasszelle übertragen. Aber irgendwelche Menschen pfeifen sich das auf der heimischen Couch offenbar jedes Wochenende acht Stunden lang rein und genießen es offenbar, wenn Erwachsene in eng anliegenden Fetisch-Wurstpellen übereinander (Doppelsitzer!) durch Eiskanäle ruckeln. Dabei bin ich durchaus ein Freund des Winters. Kaum ein Tag, an dem ich zu dieser Jahreszeit nicht die Teletext-Tafel 176 unseres WDR Fernsehens aufrufe, die über die aktuellen Schneehöhen in Sauerland und Eifel informiert.

 

Doch nicht nur die jeweilige Höhe sondern auch die Beschaffenheit der weißen Pracht wird tagesaktuell akribisch aufgelistetes. Gestern hatten sie da was  Neues: Die Schnee-Kanoniere in Winterberg hatten trotz der Frühlingstemperaturen wahrhaftig noch 20 Zentimeter zu bieten. Früher hieß das Beschaffenheits-Zertifikat dazu immer „Kunst“. Aber gestern stand da zum ersten Mal „Maschine“. Maschinen-Schnee. Ist das nun ehrlicher als „Kunst“ und stammt das vom sauerländischen Tourismus-Verband oder hat den Begriff ein kreatives Kompetenz-Team beim WDR nach etlichen Sitzungen durchgesetzt. Ich werd´ da mal bei der Hotline anrufen und fragen. Bis dahin freue ich mich auf den 1. Januar, wenn es da auf meinem Bildschirm wieder heißt: „WDR-Text wünscht frohes neues Jahr.“  Wünsche ich dem Text natürlich auch. Von ganzem Herzen.     

 

Bild: Birke CC-BY-SA-3.0

 

Text: Reinhard Lüke

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