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Kultur

Hochleistung und Handicap: Sich bewegen im Stadtraum

Donnerstag, 8. März 2018 | Text: Alida Pisu | Bild: Oliver Köhler

Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten

Im Rahmen des diesjährigen Sommerblut-Festivals mit dem Themenschwerpunkt „Körper“ inszeniert Andre Erlen, Teil des Künstler-Kollektivs „Futur 3“ sein neues Stück „No-Go-Area“. Meine Südstadt unterhielt sich mit ihm über Theater im öffentlichen Raum und über die neue Produktion.

Meine Südstadt: Seit wann gibt es Futur3 und wie kam es überhaupt zur Gründung?

Andre Erlen: Futur3 haben wir 2003 gegründet. Drei Theatermacher, Schauspieler und junge Väter: Stefan Kraft, Klaus Maria Zehe und ich. Unser Startpunkt war ganz klar: wir wollten raus aus den Theatern, unsere eigenen Orte finden, eigene Themen finden, also keine Stücke, die geschrieben sind. Wir wollten zeitgenössische sozialpolitische Themen aufgreifen, selber Stücke entwickeln und unsere eigene Sprache finden. Und zwar als Kollektiv. Wir sind alle immer beteiligt. Weil die Aufführungen immer komplexer geworden sind, hat es sich herausgeschält, dass ich jetzt mehr Regie mache, also auch nicht mehr mitspiele. Es ist immer eine Gemeinsamkeit, aber ich setze von außen Impulse, andere machen das von innen. Indem sie z. B. den Raum bauen, die Musik beisteuern etc.

Ein Beispiel für die Themen, die Sie aufgreifen?

Andre Erlen: In Zusammenarbeit mit Sommerblut haben wir vor 2 Jahren „Stadt der Schildkröten“ gemacht. Da ging es um das Thema Obdachlosigkeit hier in der Südstadt. Das ist so eine typische Arbeit. Mit vielen Schauspielern gab es einen Stadtparcours, von der Lutherkirche über verschiedene Stationen hin zum Johanneshaus, eine der größten Obdachloseneinrichtungen in Köln. Und dann erlebt man einen Atmosphären- und Raumwechsel Die Häuser werden irgendwann schäbiger, man sieht die Baulücken, man sieht die Räume. Vom ruhigen Viertel, in dem es ein paar Euro mehr kostet, bis in die Annostraße, wo alles „ranziger“ wird. Es sind auch andere Menschen unterwegs, die sind anders gekleidet. Und es ist gar nicht weit voneinander entfernt! Wenn man das nur mal von der Dramaturgie her sieht, ist das toll. Man geht mit den Zuschauern über die Straße, die Zuschauer sind sensibilisiert und sehen ganz viele Statisten, die sie jeden Tag sehen, wir haben sie auch nicht ausstaffiert.

Wie reagieren die Zuschauer darauf?

Andre Erlen: Durch den Kontext des Stücks bekommt man einen ganz anderen Blick auf sein Umfeld. Denn man wird gebrieft auf: Habe ich Geld oder kein Geld? Lebe ich auf der Straße oder nicht? Auf welcher Seite der Medaille bin ich unterwegs?

Ihre aktuelle Produktion „No-Go-Area“ werden Sie im Mai präsentieren. Die „Kölnische Rundschau“ hat am 1. März über ein Kamingespräch in der Handwerkskammer Köln berichtet, Thema: „Ohne Sicherheit keine Freiheit.“ Jürgen Mathies, Staatssekretär im NRW-Innenministerium wird mit den Worten zitiert: „No-Go-Areas gibt es in Nordrhein-Westfalen nicht.“ Sehen Sie das auch so?

Andre Erlen: Der Begriff ist verwirrend, deshalb haben wir ihn auch genommen. Die Frage ist: wer definiert und wie definiert man den Begriff? Es gibt natürlich keinen behördlich definierten öffentlichen Raum, in den man nicht gehen kann, ohne sich großen Gefahren auszusetzen. Und in dem die Polizei die öffentliche Ordnung nicht aufrechterhalten kann.

Im Kamingespräch ging es um öffentliche Räume, Stadtteile oder Straßen, die aus Angst gemieden werden. Wer Angst hat, fühlt sich eben auch nicht sicher. Ist Ihre Definition eine andere?

Andre Erlen: Wir inszenieren das nächste Stück um den Ebertplatz herum. Er ist ja ein gescheitertes urbanes Architektur-Konzept der 70er Jahre. Ein Architekt sagte mal: „Der beste Platz ist wie eine gute Party. Die Leute bleiben länger, als man geplant hat.“ Das ist beim Ebertplatz komplett gescheitert, wie bei vielen anderen Plätzen in Köln auch. Aber das ist gar nicht so unser Thema. Das No-Go ist eher: es geht um Orte, die man meidet, die Gründe sind vielschichtig, es geht nicht nur um Angst und Sicherheit. Ein großes Thema ist bei uns die Kunst des Parcourslaufens. Für den Parcoursläufer gibt es fast keinen Ort, an dem er nicht entlang geht. Er hat ja das Ziel sich zu trainieren, um die Strecke von A nach B zu bewältigen. Und die Hindernisse, das Unwirtliche, was städteplanerisch völlig danebengegangen ist, als Herausforderung zu sehen, um sich da zurechtzufinden. Er trainiert eher sich, als dass er den Ort verändert.

Es geht also nicht so sehr um den unwirtlichen Ort an sich, sondern…

Andre Erlen: … um den Umgang mit dem Stadtraum. Wir haben zwei Pole. Das Stück entsteht durch die Zusammenarbeit von Klaus Fehling, mir und dem Schauspieler Jan Dziobek, einem Schauspieler, der im Rollstuhl lebt. Wir haben zu seiner Lebensrealität, wie er als Rollstuhlfahrer sich den Stadtraum erobert oder nicht erobert, die ganzen Hindernisse umschifft, die ihm begegnen, einen Kontrast gesucht. Das ist der Parcoursläufer, der sich auf das einstellt, was ihm begegnet, sich trainiert. Auf der anderen Seite dann derjenige, der umschiffen muss. Für ihn ist der Weg von A nach B keine Herausforderung, sondern tägliche Mühe. In diesem Spannungsverhältnis Stadt zu sehen und neue Landschaften aufzubauen, ist das Spannende. Die Parcoursläuferin, unsere weibliche Hauptrolle, hat eine ganz andere Karte von der Stadt, ganz andere Dinge, auf die sie aufmerksam macht. Sie ist die Bewegte und Jan Dziobek ist stationär, nicht so beweglich und er ist auch eher der Fixpunkt.

Dann sind das ja auch zwei ganz unterschiedliche Erlebnisräume?

Andre Erlen: Ja, aber die treffen sich natürlich und das ist für die Zuschauer auch eine spannende Konfrontation. Mit sich selber, mit dem eigenen Körper und diesen beiden Extrem-Polen. Der Gegensatz ist klar: gehandicapter Körper – Hochleistungskörper. Aber es geht nicht darum, die Figuren nur auf diese Körper zu reduzieren, sondern eher auf die Herangehensweisen. Es wird für uns dann anschaulich, auch die Perspektiven. Würden wir alle im Rollstuhl sitzen, sähe die Welt ganz anders aus. Das Stück dreht sich nicht um die Behinderung, Jan hat vielmehr eine eigene und besondere Welt. Er hat auch einen Bewegungsrahmen und Bewegungsweise, die anders ist, doch darüber hinaus gibt es noch viele andere Themen, die in dem Stück vorkommen. Ich will da gar nicht zu viel verraten…

Dann will ich auch nicht weiter fragen…

Andre Erlen: Ich möchte noch eine Lanze brechen für Rolf Emmerich, Hiltrud Cordes und das Sommerblut-Festival. Weil sie uns als Künstlern viel Vertrauen entgegen bringen, viel Mut zeigen und immer wieder Projekte lancieren und Aktivitäten, die versuchen, irgendwo was aufzurütteln und zu bewegen. Als Künstler solche Partner zu haben, das kann man sich nur wünschen.
Vielen Dank für das Gespräch!

No-Go-Area – Termine: 17. / 18. / 19. Mai ab “Freihandelszone”, Krefelder Str. 71, 50670 Köln

Text: Alida Pisu

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