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Gesellschaft Politik

Ich hebe mein Leben nicht für die Türkei auf

Montag, 2. Juni 2014 | Text: Gastbeitrag | Bild: Tamara Soliz

Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten

Am Wochenende feiert Köln auf der Keupstraße in Mülheim ein großes Kulturfest. Zehn Jahre nach dem Nagelbombenanschlag. „Meine Südstadt“ sprach mit Meral Sahin, Vorsitzende der Interessengemeinschaft Keupstraße.

Meral Sahin ist Geschäftsfrau in Mülheim, Vorsitzende der IG Keupstraße und ein Ereignis. Die 43-Jährige legt beim Gespräch ein Tempo vor, das unsereinen erstmal sprachlos macht. Sie nicht. Im Gegenteil. Meral Sahin kommt sofort zur Sache. „Die Interessengemeinschaft Keupstraße ist aus einen langen Dornröschenschlaf erwacht. Wir haben mittlerweile schon 117 Mitglieder“, stellt sie selbstbewusst gleich zu Beginn unseres Rundgangs über die Keupstraße vor dem Nimet-Grill fest.

„Sicher, es gab Probleme im Vorstand. Aber nach dem Straßenfest 2012 ging es aufwärts. Und seit den Neuwahlen 2013 bin ich erste Vorsitzende und versuche alles, damit die Keupstraße zu einer funktionierenden Straße wird.“ Lange Zeit habe sich nicht viel bewegt. „Die Leute hatten kein Vertrauen mehr in die Straße. Nach dem Bombenattentat hatten wir hier sieben verlorene Jahre. Man hat sich gegenseitig misstraut. Wir wurden alleine gelassen von Politik und Verwaltung.“

2004 hatten Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos den Nagelbombenanschlag auf der Keupstraße verübt. Sieben „verlorene“ Jahre später, im November 2011, wurde ihre Täterschaft aufgedeckt. Vorher hatte die Polizei angenommen, dass die Bewohner der Keupstraße in den Anschlag verwickelt seien. „Es ist nicht ein Cent Entschädigung geflossen. Die erste Frage eines Polizisten an ein Opfer lautete: ,Sind Sie gut versichert?‘“

Die Anwohner hätten nicht gewusst, an wen sie sich hätten wenden können. „Das Thema ,Opferhilfe‘ wurde nur im Kölner Stadt-Anzeiger kommuniziert. Den liest hier keiner. Da ist viel schief gelaufen.“ Die Erleichterung bei den Bewohnern sei allerdings mit Händen greifbar gewesen, nachdem das Verbrechen aufgeklärt war. „Jetzt schauen wir nach vorn und sind nur noch ungeduldig, weil wir auf das Urteil warten.“

In München wird gerade Beate Zschäpe der Prozess gemacht. Ihr wird vorgeworfen, Komplizin von Böhnhardt und Mundlos gewesen zu sein. Die Männer hatten nach ihrer Entdeckung durch die Polizei Selbstmord verübt. „Ich bin mal gespannt, ob am Ende wirklich alles aufgeklärt wird“, betrachtet Meral Sahin das Geschehen in München mit einer gewissen Skepsis.

Zehn Jahre nach dem Attentat rückt die Keupstraße am kommenden Wochenende bundesweit in den Blickpunkt. Dann feiert man dort ein Kulturfest, bei dem sich die Straße präsentiert. In zahlreichen Läden wird es Lesungen, Ausstellungen und kleine Konzerte geben. Höhepunkt ist die Kundgebung am Pfingstmontag mit Bundespräsident Joachim Gauck und Vizekanzler Sigmar Gabriel. Mit von der Partie sind auch Udo Lindenberg, Peter Maffay, Wolfgang Niedeckens Bap, Max Herre und viele andere. 60.000 Leute werden erwartet. Und was bleibt davon? Meral Sahin zuckt mit den Schultern: „Hoffentlich die Zusammenarbeit mit dem Schauspielhaus. Die möchten ja das Carlswerk als zweite Spielstätte erhalten. Ansonsten freuen wir uns auf unsere Gäste. Wir wollen deutlich machen, dass wir viel besser sind als unser Ruf. Und wenn einige nach dem Fest wiederkommen, haben wir unser erstes Etappenziel erreicht.“

Ein paar Tage vorher steht Meral Sahin mit uns vor dem Beet auf der Keupstraße, das von Mitgliedern des benachbarten Carls-Gartens gepflegt wird. Den hat das Ensemble des Kölner Schauspiels angelegt. Das Beet auf der Keupstraße gilt Intendant Stefan Bachmann als Symbol für die Verbindung von Hochkultur und unmittelbarer Nachbarschaft. Diese Verbindung kann man auf der Schauspielbühne erleben. „Die Lücke – ein Stück Keupstraße“ heißt das Stück von Nuran David Calis, das an mehreren Tagen aufgeführt wird und das Leben auf der Keupstraße zum Thema hat. „Das ist eine große Ehre für uns. Dieses Stück ist ein Teil von mir, ich bin ein Teil davon.“

 

 

Wir gehen ein Stück weiter auf der Keupstraße in Richtung Holweider Straße. Viele Juweliere. „Die haben alle ein gutes Auskommen“, weiß die IG-Vorsitzende. Konkurrenz gebe es nicht. „Die treffen sich auch nach Ladenschluss. Die sind miteinander befreundet.“ Und sie sind Teil von Merlan Sahins Vision. Eine „Hochzeitsstraße“ soll die Keupstraße werden. „Kunden aus dem Umkreis von hundert Kilometern kommen hierher, weil sie hier alles für ihr Hochzeit finden“, erklärt uns Meral Sahin. Hochzeitskleid, Hochzeitsfotograf, Hochzeitsessen und Festsaal: Einmal die Keupstraße rauf und runter, und alles ist organisiert.

Aber es gibt auch die andere Seite der Keupstraße. Die, auf der ein Mann am Straßenrand sitzt und von einem wackligen Campingtisch ein paar Frühlingszwiebeln verkauft. Oder ein anderer Gurken aus dem Kofferraum eines Kombis. „Es gibt die Haus- und Ladenbesitzer, denen es gut geht. Und es gibt die Einwanderer, die am Existenzminimum leben“, macht Meral Sahin die Unterschiede klar.

Und mit der zunehmenden Zahl von Zuwanderern aus Bulgarien in das Umfeld der Keupstraße werde die Situation nicht einfacher. „Wir werden mit den Problemen schon wieder alleine gelassen“, kritisiert Meral Sahin Politik und Verwaltung. Wir gehen noch ein Stück weiter. Vorbei an Restaurants, Bäckereien, Kiosken, Haushaltswarenläden mit Tierfiguren aus silbrigem Metall.

„Natürlich ist das Kitsch. Aber den Leuten gefällt das“, kommentiert Meral Sahin. Dann laufen wir vorbei an einem Café mit verhüllten Scheiben. Drinnen ausschließlich Männer. Das ist nicht das Gesicht der Keupstraße, das die IG-Vorsitzende nach außen präsentieren möchte. Andererseits: „Die Cafés erfüllen eine wichtige soziale Funktion als Treffpunkt vor allem für die Älteren.“ Vor einem Geschäft mit bunten Glaswaren bleiben wir stehen. Meral Sahin erzählt: „Viele Türken kaufen Vasen und Gläser nach dem Motto ,Das ist für später in der Türkei‘. Aber wo ist denn letztlich ihr Zuhause? Wo lebt denn ihre Familie in Wirklichkeit? Die Geschwister in der Türkei  sind vielleicht gestorben. Und die Enkel leben in Köln.“ Die Frage nach dem Zuhause stellt sich für Meral Sahin nicht: „Ich bin hier geboren. Ich hebe mein Leben nicht für die Türkei auf.“

 

 

Autoren: Jörg-Christian Schillmöller und Stefan Rahmann

 

Text: Gastbeitrag

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