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Kultur

Wem gehört Lila?

Donnerstag, 27. Juli 2017 | Text: Nora Koldehoff | Bild: Tamara Soliz

Geschätzte Lesezeit: 6 Minuten

Der Künstler Rozbeh Asmani setzt sich seit einigen Jahren mit Farben auseinander, auf die Firmen aus Marketinggründen einen rechtlichen Anspruch und Schutz erhoben haben.
In seinem Buch ”72 Colourmarks“ zeigt er das Spektrum der geschützten Farben, die aktuell auch im Rahmen des Projekts ”Kunst an Kölner Litfaßsäulen“ an 60 im Stadtraum verteilten Säulen plakatiert sind. ”Meine Südstadt“ traf den Künstler an einer davon.

Meine Südstadt: Eigentlich ist es ja ein skurriler Gedanke, dass eine Firma Anspruch auf eine Farbe erhebt.
Rozbeh Asmani: Darum werden im Buch die geschützten Farben auch zunächst losgelöst von diesen Firmen gezeigt. Sie tauchen zwar im Register als Quelle auf, aber die Identität entsteht ja immer erst dann, wenn man einem Kind einen Namen gibt. Indem man nur eine Nummer dazuschreibt, ist die Farbe wirklich frei und kann so wirken, wie sie ist. Es gibt aber immer Rückkoppelungseffekte: „Ach, das kenn ich doch irgendwoher, was ist das denn?“. Bei manchen ist das offensichtlicher als bei anderen.

Wie ist es denn erstmalig dazu gekommen, dass sich jemand eine Farbe hat schützen lassen? Irgendjemand musste ja glauben, er könne Anrecht auf eine Farbe haben …
Die Entstehung der rechtlichen Festsetzung von Marken geht lange zurück. Nach dem römischen Gesetz war geistiges Eigentum streng an eine Körperlichkeit gebunden. Eine Bindung an etwas Immaterielles war gar nicht möglich. Die erste Eintragung einer Marke war dann von Meißner Porzellan immer gebunden an ein Zeichen, wie auch das Zeichen von 4711 hier in Köln. Dabei ging es vor allem um den Schutz des Produkts und die Verlässlichkeit der Qualität. Bis zum Schutz von Farben dauerte es dann nochmal.

Das kam erst im Zuge der europäischen Rechtsgleichheit 1994 auf, weil man natürlich zusehends mit Markenpiraterie aus anderen Ländern konfrontiert war, sodass man entschied, auch sogenannte „sonstige Kennzeichen“ zu schützen. Und dazu gehörten dann neben der sogenannten „dreidimensionale Marke“, „Hörmarke“, Wort- und Bildmarken und eben auch Farbmarken. Das gibt aber erst seit 1994.

Welche Firma hat sich in Deutschland als erste eine Farbe schützen lassen?
Kraft Foods war für Milka tatsächlich der erste Konzern, der das durchgesetzt hat. Bei Telekom hat die Farbwahl dann schon Einzug in den RAL-Fächer gefunden, der Farben definiert und Gütezeichen vergibt. Da tauchen schon „Telemagenta“ und „Telegrau“ als Bezeichnungen auf. Die Firma hat ein so aggressives Marketing betrieben, dass es sich schon so in unser kollektives Gedächtnis eingebrannt hat, dass dieser Farbton sogar losgelöst von der Telekom mit ihr assoziiert wird.
Beim Buch ist die Anwendung chronologisch, es beginnt mit Milka und hört mit Tiffany’s, deren Fall noch nicht entschieden ist, auf. Und so sehe ich auch das Buch: als eine Art Zeitdokument mit archivarischem Register.

Bei der Abbildung der Farbtafeln, die jetzt auf den Litfaßsäulen zu sehen sind, und auch der Anordnung der Farben im Buch – entspricht das abgebildete Farbverhältnis genau dem aus dem jeweiligen Logo?
Genau, wenn es diese Angabe, wie im Fall von Lidl, gibt, erhalte ich eine sehr konkrete Markenbeschreibung, die ich nutze. Wenn es die nicht gibt, verwende ich die Referenz, denn jede Marke muss für die Anmeldung auch grafisch darstellbar sein.

Gibt es häufig Rechtsstreitigkeiten wegen Farbnutzungen?
Darum geht es auch, deswegen lässt man sich eine Farbe auch eintragen, für den sogenannten Kollisionsfall.

Muss sich das Produkt dann inhaltlich ähneln?
Ja, absolut. Es muss gleich sein.

Also bei einer Schokolade in der Nivea-Farbe wäre es egal?
Erstmal schon.

Nivea hat aber doch vor einigen Jahren geklagt.
Ja, da ging es um einen Rechtsstreit zwischen den Formen Unilever und Beiersdorf. Unilever stellt Produkte her wie Dove und Palmolive, und Beiersdorf ist der Produzent von Nivea. An dem Beispiel merkt man es ganz gut: Univeler wollte die charakteristische blaue Farbe auch für Körper- und Hygieneprodukte verwenden und hat angefochten, dass die Farbe Beierdsorf allein zusteht. Dazu werden dann Gutachten erstellt, und es gibt einen Rechtsstreit. Manchmal liegt es auch einfach daran, wie der Anwalt oder das Team an dem Tag drauf ist.

Es ist also gar nicht so sicher, wie so etwas dann später ausgeht?
Überhaupt nicht. Ein interessantes anderes Beispiel, das auch in den Medien war, ist der Streitfall Sparkasse und Santander. Letztere haben geklagt und die Schutzdauer, die gerade ablief, angezweifelt, weil sie die Farbe auch benutzen wollten. Zwei Unternehmen aus dem gleichen Sektor, beides aggressive Finanzfirmen, und beide nutzen die Farbe Rot. Die Folge war, dass der Sparkasse die Farbe zugesprochen wurde, weil über 50 Prozent der Bevölkerung gesagt hat: Ich assoziiere mit der Farbe die Sparkasse und nicht Santander. So hat Santander verloren, und dadurch wurde die Schutzdauer der Marke erst verlängert. Sparkasse hat HKS 13 und Santander hat HKS 14. Es geht also um Unterscheidbarkeit.

 


Der Künstler Rozbeh Asmani setzt sich seit einigen Jahren mit geschützten Farben auseinander.

Das Thema begleitet Dich schon ziemlich lange. Wann hast du damit angefangen?
Das erste Mal bin ich 2009 darauf gestoßen, weil ich selbst eine Schokoladenfigur hergestellt habe: die „Shirin“, ein reliefartiger Schokonikolaus, auf dessen Aluhülle aber eine Frau im Tschador abgebildet ist. Da ging es um Verpackung und Verhüllung und Erotik, das Laster der Schokolade und Sinnlichkeit. Und als ich das mit einem Werbeartikelhersteller aus Darmstadt realisiert habe, durfte ich absurderweise die Farbe lila nicht verwenden, auch als Künstler nicht. Ich habe dann ein Blau gewählt, bin aber an dem Thema drangeblieben. Seitdem finde ich immer Aspekte, um das Thema zu umkreisen, das lässt mich nicht los.

Das ist ja interessant, dass es da so eine Überschneidung mit Kunst gibt. Sonst geht es ja um die Vermarktung und die Identifikation mit der Farbe, von der Kunst eigentlich ja losgelöst ist.
Exakt. Ein Jurist hat mir auch gesagt, er hätte den Prozess gerne für mich gewonnen, weil ich eben die Schokolade, auch wenn sie im Galeriekontext verkauft wird, noch geschützt ist, da ich sie ja nicht im Supermarkt anbiete.
Damals war das aber noch meine Diplomarbeit an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig, und mir war die Realisierung der Arbeit wichtiger, als einen möglicherweise über Jahre dauernden Rechtsstreit zu führen. Da sieht man aber auch, an welcher Stelle so ein Markengesetzt ansetzt, schon die Druckerei blockiert und auf Lizenzvorgaben verweist. Im Grunde symbolisieren diese Farben ja auch Macht. Farbe war ja schon immer ein Symbol für Macht, ob das Purpur des Bischofssaums oder das Lapislazuli von Dürer. Diese Unzugänglichkeit oder auch in der Anekdote über die Farbe von Kleopatras Segel, dessen Purpur aus über 3 Millionen Schneckenlarven gewonnen wurde, also eine exklusive Farbe, die nur einer Person oder einem Amt gehört. Und heute sind es die globalen Konzerne, die die Herrscher unserer freien Welt sind, wenn man so will. Das finde ich spannend, zu gucken, wer ist das, in welchem Verhältnis stehen die dazu. Diese Entschlüsselung interessiert mich.

Farbe hat eine demnach eine besondere Gewichtung.
Martin Steiner, ein Architekt, auch hier aus der Südstadt, hat mir am Beispiel eines Hauses erklärt, dass in der Wahrnehmung die der Form die des Materials aussticht, die Farbe aber wiederum auch die Formwahrnehmung aussticht.
Wir sind evolutionär bedingt durch die Natur gelaufen und wurden permanent gewarnt, Gelb und Schwarz zum Beispiel als Warnsignal oder Rot und Weiß. Diese evolutionär bedingten Faktoren werden eben immer mehr durch kommunikative Eigenschaften ersetzt und durch kommerzielle Eigenschaften. Unser Biotop ist nicht mehr die Natur, sondern der Supermarkt. Wenn wir da durchlaufen, suchen wir unser Lieblingsprodukt, das ist dann codiert in einer Farbe und wir finden es unmittelbar. Oder wenn wir uns durch den Stadtraum bewegen, ein anderes Biotop, und einen Postkasten suchen, dann suchen wir nicht das Zeichen sondern dieses Gelb. Wir nehmen Farben zweihundertmal schneller war als jedes Zeichen. Und Konzerne docken da an und nutzen das, um ihre Produkte zu vertreiben. Als Künstler habe ich aber auch eine Verantwortung dem Sinn gegenüber.

Wie konkret ist der Schutz des Farbtons?
Konzerne formulieren am liebsten eine Beschreibung, die so schwammig, allgemein und abstrakt wie möglich ist, um den Schutzbereich zu vergrößern. Nur die Bezeichnung Magenta oder Lila/Violett ist natürlich ein viel größerer Schutzraum als wenn du es wie bei Lidl mit einer Farbkombination machst. Je einfacher man die Angabe macht, desto einfacher wird es dann auch durchgesetzt.

Die Litfaßsäulen entstanden durch eine Kooperation mit der Kunsthochschule für Medien …
Ja mit dem Werbeunternehmen Ströer, dem Kulturamt und Kunsthochschule für Medien – weil diese schönen alten Säulen immer mehr aus dem Stadtraum verschwinden. Es werden immer mehr von diesen digitalen oder sich selbst drehenden Säulen aufgestellt, das wird immer mehr kommen.
Dann ist man auf die KHM zugegangen und hat gefragt, ob es da nicht die Möglichkeit gibt, die alten Säulen durch ein Kunstprojekt mehr ins Bewusstsein zu rücken. Und von der KHM wurde ich gefragt. Momentan sieht es so aus als wäre es das letzte Projekt in dieser Reihe. Es hat mit 200 Kunstsäulen angefangen, und jetzt gibt es nur noch 60.

 

Text: Nora Koldehoff

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