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Sport

WM-Tagebuch von Reinhard Lüke

Montag, 14. Juli 2014 | Text: Reinhard Lüke | Bild: Mario Roberto Durán Ortiz

Geschätzte Lesezeit: 14 Minuten

Reinhard Lüke hat während der letzten vier Wochen mit anderen Fußball-Interessierten für die Medien-Fachzeitung „Funk-Korrespondenz“ ein WM-Tagebuch geführt. Dabei ging es nicht nur um das Geschehen auf dem Rasen, sondern vor allem auch um dessen mediale Aufbereitung. Reporter außer Rand und Band, enervierende Plauderrunden, magische Momente, Phrasen, tierische Orakel, Dekoplunder und am Ende doch wieder die tröstliche Gewissheit: Entscheidend is auf´m Platz!

 

9. Juli 2014
„Sprachlosigkeit“ trifft´s gut. Auch am Tag danach noch. Es war meiner Erinnerung nach die erste Partie bei dieser WM, die ich wegen des nervigen Dauerregens nicht auf der heimischen Terrasse verfolgen konnte. Also hatte es sich meine Kleinfamilie auf der Indoor-Liegewiese bequem gemacht. Ich hatte zwar kühn 3:0 für Deutschland getippt, aber so ganz wohl war mir dabei nicht, da sämtlichen TV-Experten und alle Menschen in meiner Umgebung so felsenfest überzeugt waren, dass es zwar eine enge Kiste werden könnte, wir aber am Ende als Sieger vom Platz gehen würden. So eine Jetzt-Erst-Recht-Situation wie bei den Brasilianer hat ja schon vielfach ungeahnte Kräfte freigesetzt. Beim 1:0 durch Müller hatte die Gattin kurz den Raum verlassen, und bei ihrer Rückkehr sagte ich ihr noch, jetzt habe womöglich das einzige und entscheidende Tor glatt verpasst und stellte mich für den weiteren Verlauf auf eine zähe Verteidigungsschlacht ein. Junior, an Fußball allenfalls mäßig interessiert, schaute nur kurz von seinem Tablet auf, behielt die Kopfhörer aber im Ohr. Aber dann folgten diese unfassbaren vier Tore binnen neun Minuten. 5:0 nach einer halben Stunde! In die Erinnerung an das ominöse Qualifikationsspiel gegen Schweden vor zwei Jahren, in dem Joggis Buben nach einer furiosen ersten Halbzeit 4:0 vorn lagen und sich am Ende ein 4:4 erzitterten, mischte sich der Wunsch, nun sollten sie es aber auch gut sein lassen. Der Blick in die verzweifelten Gesichter der brasilianischen Spieler war ja kaum auszuhalten und der in die der Zuschauer schon gar nicht. Die Regie hatte sich clever zwei Frauen und einen kleinen Jungen rausgepickt, deren Gesichter im Laufe des Spiel immer wieder eingeschnitten wurden. Bei den Statements nach dem Spiel ist auch mir DFB-Onkel Wolfgang Niersbach in seinem pennälerhaften Siegestaumel überaus unangenehm aufgefallen. Da klang nicht ansatzweise durch, dass der Funktionär auch nur eine Ahnung davon hatte, dass ganz Brasilien gerade weit mehr als ein Fußballspiel verloren hatte. Peinlich. Demgegenüber hielten sich Spieler und Bankdrücker nach dem Schlusspfiff mit Freudentänzen vor den brasilianischen Zuschauern wohltend zurück. Im Gegenteil. Ihre verbalen und taktilen Tröstungen für die Unterlegenen sahen so echt aus, dass sich bei mir prompt Gänsehautfeeling einstellte. Auch für solche Momente, in denen sich abgezockte Multimillionäre hemmungslos ihren Emotionen hingeben, schau´ ich Fußball. In knapp drei Stunden: Holland gegen Argentinien. Da bin ich komplett tiefenentspannt. Möge der Bessere gewinnen. Gerade hat es nach zwei Tagen erstmals aufgehört zu regnen. Die Katze hat´s auch gemerkt und will raus. Sofort.

 


6. Juli 2014
Ist ja nicht leicht, diese WM. Vor allem für Fernsehsender nicht, die keinerlei Bildrechte gekauft haben. Geradezu absurd nimmt sich diese Abstinenz natürlich für einen Sportkanal wie Sport 1 aus, wo zwar ständig über das Turnier in Brasilien geredet wird, es aber faktisch nichts zu sehen gibt. Habe da heute am späten Vormittag bei der Zeitungslektüre mal mit einem Auge zugeschaut. Erst gab’s eine halbstündige Sondersendung namens „WM Aktuell“, wo offenbar die gestrigen Viertelfinals nachbereitet werden sollten. Wozu eine blonde Moderatorin die Ergebnisse und knappe Spielberichte vorlas. Dazu gab es Fotos. Nichtmal von Torschüssen oder entscheidenden Szenen, lediglich solche von jubelnden Argentiniern, resp. Holländern nach dem Schlusspfiff. Zahlreiche Bewegtbilder präsentierte man hingegen von gröhlenden Fans aus diversen Fanmeilen. Kosten halt nichts. Schließlich noch ein Bericht von Sport-1-Reporter Jochen Stutzky aus Brasilien über die Chancen der deutschen Elf im Halbfinale. „Kheidira und Schweinsteiger harmonisieren gut“, hieß es da. Na, bei soviel Harmonisie wird ja wohl nix schiefgehen. Im Anschluss gab es natürlich noch die Plauderrunde „Doppelpass“. Mit Dieter Hoeneß und Johannes B. Kerner als Experten und sogar einer Live-Schalte zu Markus Höhner vorm Quartier unserer Jungs. Der erzählte mal wieder von prächtiger Stimung und kündigte „schöne Szenen am Strand mit Kheidira und Lena Gercke“ an. Die kamen dann auch. Ist nicht leicht, WM-Berichtersatter bei Sport 1 zu sein.

4. Juli 2014
Gut zweieinhalb Stunden noch bis zu den Franzosen. Über Köln braut sich Gewittriges zusammen. Ich nehme das jetzt mal als gutes Omen. Erinnere mich, dass bei der letzten WM während der höchst ansehnlichen Partie Deutschland – Agentinien hier auch wie aus Eimern geschüttert hat. Gestern bin ich auf der Suche nach irgendwelchen Spätnachrichten bei „Lanz“ reingerutscht. Vermutlich macht der auch schon seit drei Wochen WM-Rahmenprogramm. Gestern saßen da jedenfalls Hans Tilkowski und Sir Geoff Hurst. Beide bemerkenswert gut erhalten. Logisch, dass Lanz zu den beiden Ikonen kaum mehr als die Frage „Drin oder nicht drin?“ einfiel. Wobei er Hurst hartnäckig immer nur mit „Jeffrey“ anredete. Womöglich hatte der Vielplauderer von dessen Existenz erst zwei Stunden vor der Sendung erfahren. Dann hockten da noch Thomas Helmer und seine Gattin. Warum? Weil Helmer auch mal ein Phantom-Tor gegen Nürnberg erzielt hat. Warum mit Frau? Weil die sich nach eigenem Bekunden nicht für Fußball interessiert. Um das Kuriositätenkabinett komplett zu machen, gab´s als Zugabe noch Ulrich Kienzle, der zwischendurch ein bisschen was über die neuen Spannungen in Nahost und die ISIS-Bewegung im Irak erzählen sollte. Stimmige Sendung. Dieses Format ist einfach nur irre.

3. Juli 2014

Mir ist eben doch wahrhaftig aufgefallen, dass die familiäre Urlaubsplanung so aussieht, dass ich am Tag des Endspiels womöglich unterwegs bin. Hatte ich nicht auf dem Schirm . Amateurhaft. Andere Menschen kennen den Final-Termin vermutlich seit Anfang des Jahres auswendig. Andererseits schockt mich das jetzt nicht wirklich. Meine Fußballeidenschaft noch nicht (oder nicht mehr?) so ausgeprägt, dass ich alles von so einem WM-Spielplan abhängig machen würde. Klar, man könnte einen Tag später fahren. Aber angesichts der Alternative Endspiel oder Brummis auf der Autobahn, gebe ich einer lasterfreien Reise unbedingt den Vorzug. Und in irgendeiner französichen Dorfkneipe wird sich am Abend sicherlich ein Fernseher finden. Schau´ ich eben mit Jacques und Antoine das Finale Belgien gegen Frankreich. Könnte doch nett werden. Oder hauen „wir“ die Franzosen morgen weg? Kaum vorstellbar. Zumal Jogs Jungs ja alle an Grippe oder Erkältung laborieren sollen.

3. Juli 2014
Alle Achtelfinals durch. Alle mit einem bemerkenswert ähnlichen Spielverlauf. Underdogs setzen die Favoriten gehörig unter Druck und müssen am Ende doch heim fahren. Irgendwie enttäuschend. Zur Haltungsdebatte bei Kommentatoren: Objektivität und Emotionalität sind ja zwei paar Schuhe. Zu den Zeiten der sachlichen Sportkameraden Huberty oder Michel möchte trotz der aktuellen Dampfplauderei ja wohl keiner zurück. Das klang doch oft so: „Overath passt zu Grabowski, Grabowski weiter zu Hölzenbein, Hölzenbein zurück auf Overath. Der Kölner schlägt einen langen Ball auf Müller. Müller dreht sich und schießt. Tor! Tor für Deutschland. Deutschland führt mit 1 :0.“ Dieses stocknüchterne Fernsehen für Sehgeschädigte kann´s ja nun wirklich nicht sein. Gegen Begeisterung bei Kommentatoren hab´ ich definitiv nichts einzuwenden. Die sollte zwar in erster Linie dem Fußball gelten, aber dass der Torjubel bei einem Tor für Deutschland lauter ausfällt als bei einem Gegentreffer, halte ich für total okay. Und wenn einem dabei im Eifer des Gefechts mal ein „wir“ rausrutscht – so what? Dass diese Haltung trotz all des öffentlichen „Schlaaand!“-Gejohles hierzulande sets reichlich Bedenkenträger findet, hat gewiss mit unserem -aus guten Gründen- gebrochenen Nationalstolz zu tun. Und womöglich haben auch alle (Nachwuchs-)Kommentatoren im Rahmen ihrer Ausbildung die obskure Hajo-Friedrichs-Maxime vom Nicht-Gemein-Machen-Dürfen auswendig lernen müssen. Was ich von den Männern an den Mikros an Objektivität verlange, beschränkt sich eigentlich darauf, dass sie einfach nur richtig hinsehen sollen, bevor sie ihre Sicht der Dinge in die Welt hinaus posaunen. Und warum nehmen sie diese eigentlich so selten zurück, wenn die Zeitlupen beweisen, dass sie falsch lagen? Haben die womöglich nur Montore in Handy-Größe zur Verfügung? Sehen die vielleicht grundsätzlich schlechter als wir daheim? Vielleicht kann Kollege Weicker als Profi mal schildern, welche Hilfsmittel so ein Kommentator da an seinem Arbeitsplatz eigentlich zur Verfügung hat. Soweit ich weiß, gibt’s da doch auch immer einen zweiten Mann im Ohr, der die Jungs auf eventuelle Fehlleistungen aufmerksam macht. Wenn das so ist, warum schäft der so oft? Beispielsweise gab Gert Gottlob unlängst diese wunderbare Alternative von sich: „Fliegt Brasilien heute aus dem Turnier oder gelingt den Chilenen die Sensation?“ Da hab´ ich mich doch spontan gefragt, wie viele Sekunden er für die Korrektur wohl brauchen würde. Er arbeitet bis heute daran.

30. Juni 2014
Das nenn´ ich doch mal eine anständige öffentlich-rechtliche Programmplanung. Zwischen den heutigen Spielen muss ich mir nicht zwei Stunden lang Olli & Olli, die unzähligen Atmo-Berichte mit johlenden Fans oder den Small-Talk zwischen Brazzo und Toni Schumacher (schon wieder Gijón) antun, sondern kann im Ersten entspannt Meryl Streep bei der Arbeit zusehen. „Die eiserne Lady“ läuft bis 21 Uhr 50. Bin ich also rechtzeitig zu den Hymnen zurück. Als ich jetzt doch mal von Thatcher rüber um ZDF schalte, läuft da gerade ein Bericht über die Taktik der Algerier und der Sprecher sagt, die Nordafrikaner hätten gegen Russland eine „Manndeckung im Raum“ praktiziert. Im Raum. So, so. Vielleicht sogar in Raum und Zeit? Zurück zu Streep. Halbzeit. Meine Güte, welch ein Grottenkick von Joggis Jungs gegen Algerien. Manuel Neuer der mit Abstand beste deutsche Feldspieler. Ist es der deutschen Elf zu kalt? Immerhin: Béla Réthy ist auf der Höhe. Als Boateng fernab des Balles, Blick nach rechts, einem Gegenspieler geradeaus mit der Stirn auf dessen Hinterkopf aufläuft und sich danach am Boden krümmt, sagt Réthy trocken: „Ein Auffahrunfall“. Geht doch.

26. Juni 2014
Höre gerade im Radio von einem US-Korrespondenten, dass in den USA jetzt auch das Fußballfieber ausgebrochen ist. Selbst draußen fänden sich Menschen zusammen, um sich Spiele auf großen Leinwänden anzusehen. Allerdings heiße das in New York nicht Public Viewing. Dieser Begriff stehe in Amerika nämlich für das öffentliche Aufbahren von Leichen. Ist ja auch mal schön zu wissen. Aber ein Handyman ist schließlich auch kein Mann mit Mobiltelefon.

 

25. Juni 2014
Seltsam finde ich diese orangefarbenen Plastikwannen, in denen bei dieser WM Verletzte an den Spielfeldrand getragen werden. Vielleicht sind die Dinger funktional, aber ästhetisch hatten wir das doch schon mal ansprechender. Gab es nicht seinerzeit bei der WM in den USA bereits Transportwägelchen mit Elektromotor? Diese Plastikdinger erinnern mich doch eher an Schlachthöfe, wo man die Einzelteile der zerlegten Tiere in ähnlichen Behältnissen transportiert.

23. Juni 2014  
Nun nervt’s. Seit dem Morgengrauen herrscht Kalaueralarm auf allen Kanälen. Egal, ob im Fernsehen, im Radio oder im Blätterwald, überall dieselbe bemühte Metaphernhuberei. „Uruguay beißt Italien weg“, „Uruguay mit mehr Biss“, „Uruguay ein bisschen esser“, „Italien zu zahnlos“, „Uruguay hinterlässt bei Italien tiefe Spuren“. “Urus einfach bissiger“… Meine Güte, ist das witzig! Mag mir gar nicht erst vorstellen, was da in den sozialen Netzwerken erst an Kreativleistungen dieser Art abgeht.
Nun hab´ ich hier unlängst an „Die Schande von Gijón“ erinnert, prompt rauscht das beschämende Ereignis heute durch den gesamten Blätterwald, weil Deutschland und den US-Boys am Donnerstag ein Unentschieden fürs Weiterkommen reichen würde. Aber die Jungs werden sich ja wohl nicht lumpen lassen und einen anständigen Kick hinlegen. Was mir letztens in Sachen Fan-Wesen noch aufgefallen ist. Zum einen die Heerscharen von weiblichen Teenagern, die da am Donnerstag, komplett mit Schwarz-Rot-Gold-Plunder behängt, auf dem Weg zu irgendeinem öffentlichen Rudelgucken, die Nationalhymne (!) singend, an meinem Fenster vorbeizogen. Weiß irgendwer, was dahinter steckt? Interessieren sich pubertierende Mädchen inzwischen massenhaft für Fußball? Schauen die sich auch Spiele ohne deutsche Beteiligung an? Oder wollen die, egal aus welchem Anlass, einfach nur Party machen? Junior (13) erklärt mir, dieses Phänomen gebe es auch in seiner Klasse. Was das soll, weiß er aber auch nicht zu sagen. Zum anderen habe ich bei den letzten Übertragungen aus Brasilien mehrfach gesehen, dass Zuschauer, die sich im Stadion auf einem Video-Würfel sehen, nicht nur begeistert die Arme in die Luft werfen, sondern vielfach auch reflexartig ihr Smartphone hochreißen, um zu filmen, dass sie gerade gefilmt werden. Vermutlich gucken die überhaupt nicht mehr auf den Rasen, weil sie sonst ihren größten Moment der gesamten WM verpassen könnten: „Irre, ich bin im Fernsehen!“ Laden die ihre Handy-Videos, auf denen zu sehen ist, wie sie sich selbst auf der Video-Wand gesehen haben, anschließend auch noch bei bei You Tube hoch? Muss ich unbedingt mal nachschauen.

18. Juni 2014
Bevor es gleich wieder losgeht, noch eine angestaute Erregung. Ich geb´ zu, ich guck´ manchmal Frühstücksfernsehen. Bei der morgendlichen Zeitungslektüre und dem zweiten, dritten Espresso des Tages. Was sich die ARD da in dieser Woche leistet, ist eine lächerliche bis skandalöse WM-Raserei mit hemmungslos nationalistischem Einschlag. Unbeeindruckt von den Erfahrungen des ZDF, das sich während der letzten EM mit einem Studio am Strand von Usedom bis auf die Knochen blamierte, hat sich diesmal das ARD-MoMa an der Ostsee eingerichtet. In der Gemeinde Schöneberg, wo vermutlich ein findiger Tourismus-Manager irgendwann auf die total pfiffige Idee gekommen ist, einen Ortsteil „Brasilien“ zu nennen. Da hockt nun seit Montag ein MoMa-Tross, bestehend aus dem Gute-Laune-Bär – und Sportmoderator – Peter Großmann und Experten wie Steffen Freund oder Gerald Asamoah, und produziert im Halbstundentakt belanglosen Small-Talk. Wenn man nicht gerade brasilianisch grillt oder landestypische Longdrings mixt. Wobei den Jungs vor Ort gern betagte Strandspaziergänger in Übergangsjacken zuschauen und fröhlich in die Kamera winken. Ach ja, ein tierisches Orakel haben sie da auch, eine Schildkröte. Hat ja sonst keiner. Am Montag, Tag des Spiels Deutschland – Portugal, schalteten sie aus Köln regelmäßig schon 15 Minuten vor der „Tagesschau“ an den Strand. Rechnet man, dass die Wetterprognose immer rund vier Minuten dauert, blieben da pro halber Stunde für gerademal gut 10 Minuten für Innenpolitik Bürgerkriege im Irak und in Nigeria und was die Welt sonst noch zu bieten hatte. Wobei sich die Moderatoren (Sven Lorig und Anne Gesthuysen) im, mit allerlei Schwarz-Rot-Gold-Plunder dekorierten, Studio dieser Themen nur mit sichtlicher Unlust annahmen. A.G. kurz vor der Strand-Schalte: „Jetzt kommen wir endlich zu unserem Herzensthema!“ Dazu hatte sich der unbändig glucksende Kollege Lorig total lustige Fan-Kopfbedeckungen aufgesetzt. Am Dienstagmorgen im Siegestaumel dasselbe Spiel. Da hatte man den Erfolg unserer Buben gleich zum „Thema des Tages“ gemacht. Heute war das Duo wieder halbwegs auf Normaltemperatur, aber Freitag werden sie in diesem seriösen ARD-Informationsprogramm wieder hemmungslos Fähnchen schwenken. Das Betrüblichste dabei: Auch Fußballkenner Arnd Zeigler hat sich vom MoMa für die Mission Ostsee einkaufen lassen. Da hockt er nun jeden Morgen in einer Bretterbude, die einen Kiosk darstellen soll, und macht Presseschau. Was sich darauf beschränkt, dass er die WM-relevanten Schlagzeilen gängiger Boulevard-Blätter in die Kamera hält. Doch selbst dabei baute er schon am Montag Bockmist. Erst lobte Zeigler den Kölner Express für „Portuknaller“ und wunderte sich, dass die Hamburger MoPo mit derselben Wortschöpfung titelte. Sollte ihm wirklich entgangen sein, dass inzwischen beide Blätter dem DuMont-Verlag gehören? Dann tadelte er die BILD-Macher, denen rein gar nix eingefallen sei. Hätte Zeigler den „Portuknaller“ mal durch eine gängige Suchmaschine gejagt, wäre er darauf gestoßen, dass die Springer-Jungs genau diesen Titel bei der letzten EM, wo beide Teams ebenfalls ihr Eröffnungsspiel gegeneinander bestritten, auf der Seite 1 hatten. Ziemlich peinliche Nummer, Herr Zeigler.

14. Juni 2014
Hübsch find´ ich ja dieses Rasen-Graffiti, das die Schiris jetzt vor Freistößen zelebrieren. Kann mich aber erinnern, das schonmal bei einem Turnier gesehen zu haben. (Wann? Wo?) Die Pfeifen sind da mit ihren Linie inziwschen erstaunlich rigoros. Wer in der Mauer seine Schlappen nicht rechtzeitig zurückzieht, bekommt sie mit einem weißen Streifen dekoriert, der aber nach ein paar Minuten wieder verschwindet. Was micht jetzt irgendwie an das Zaubertinten-Attentat von Fritz Teufel auf Hans Matthöfer in “3 nach 9? erinnert. Google sagt, am 19. Februar 1986 soll´s gewesen sein.  Wo der Minister dem Sponti mit der Wasserpistole ja anschließend unter dem Gejohle des Studiopublikums wortlos den Inhalt seines Trinkglases überkippte. Meine Güte, das waren noch Talkshows! Zu solch beherzten Reaktionen wird es auf dem Fußballplatz kaum kommen. Obwohl: Ich weiß nicht, wie ein Ronaldo reagiert, wenn ein Schiri ihm seine Schuhe mir einer Sprühflasche bekleckert. Aber vermutlich ist der bei den Portugiesen sowieso vom Mauerstehen befreit. Zurück zu Olli & Olli: Kollege Körner liegt völlig richtig, wenn er die Ausflüchte des Titanen in der Causa Beckenbauer unsäglich findet. Aber noch doller ist doch die Begründung des Kaisers höchstselbst, warum er die Zusammenarbeit mit der Ethik-Kommission verweigert hat. Die Formulare seien auf Englisch gewesen und er habe daraufhin um deutsche gebeten, die man ihm aber nie geschickt habe. Welch Krisen-Management! Beim Global-Franz hapert´s mit dem Englischen. Er hätte sich den Wisch doch von Günther Oettinger oder Lothar Matthäus übersetzen lassen können. Wie hat sich der Mann eigentlich während seiner drei Jahre bei Cosmos New York verständigt? Was sonst vom Spieltag bleibt: Der Skandal, dass sich die Schiris in den ersten drei Partieen dieser WM jeweils (mindestens) eine krasse Fehlentscheidung mit unmittelbarer Torfolge leisteten. Und dann natürlich Holland – Spanien. „Für solche Momente spielt man Fußball“, sagte Robben anschließlend. Nicht nur spielen, auch gucken! Wobei ich das Torfestival, begünstigt durch zwei dicke Torwart-Böcke und einen irregulären Treffer- eigentlich weniger beeindruckend fand als die Taktik, mit der die Holländer Iniesta & Co. Überhaupt nie ins Spiel kommen ließen. Drei Tore durch lange Bälle nach vorn! Deutet sich da ein Ende vom Rasenschach an? Sieht nicht gut aus für Jogis Buben. Nach diesem sensationellen Match war bei mir die Luft raus. Der Auftritt von Rudi Cerne und (dem privat sicherlich netten) Cacau als Ablösung von Olli & Olli sorgte kaum für Belebung. Nach dem 2:0 für Chile hab´ ich ausgeschaltet, weil ich dachte, das Ding sei durch. Was ich, wie ich heute lese, besser nicht gatan hätte. Heute Nacht bleib´ ich jedenfalls dran. England-Italien in Manaus. Vielleicht mit „Cooling-Break.“

15. Juni 2014
18.00 Uhr, Schweiz gegen Ecuador, ZDF. Ach nö, Poschi! Dabei dachte ich, man hätte den Leichtathleten wenigstens auf die Nachtschiene verbannt. Doch jetzt darf er auch bei Tageslicht. Und erwartungsgemäß macht Poschi den Poschi. Reiht Blase an Hülse und mahnt die Eidgenossen jovial „Leute, Leute“ oder wahlweise „Nee Jungs, so wird das nix. Nicht gegen Ecuador!“ Beim 1:0 hat er alles ganz genau gesehen. „Diego Benaglio beschwert sich massiv bei seinen Vorderleuten. Und das völlig zu Recht.“ Dabei resultierte der Treffer aus einem nahezu von der Eckfahne getretenen Freistoß, der im Fünfmeterraum landete, wo ihn ein Stürmer aus vier Metern per Kopf ins Netz beförderte. Und wo war Benaglio? Klebte auf der Linie. Klarer Fall von Torwartfehler. Nicht für Poschi. Dann schneidet die Regie Bilder von Schweizer Fans mit löchrigen Käsehüten ein. Poschi denkt kurz nach und kommentiert pointiert: „Schweizer Käse, ja.“ Den Gipfel der Hochkomik erreicht er jedoch Mitte der zweiten Halbzeit. Da wechselt der Schweizer Coach Ottmar Hitzfeld seinen Stürmer Ivica Grlic aus, dem der Kommentator „eine ausgesprochen überschaubare Leistung“ bescheinigt. Und dann muss Poschi irgendwie das Gebot der genialen Überleitung durchs Gehirn gerauscht sein und so textet er weiter: „Überschaubar übrigens auch, was Sie an Hintergrundinformationen bei uns im Netz finden.“ Die Jubelschreie der Online-Redakeure beim ZDF auf dem Mainzer Lerchenberg ob dieser genialen Werbung sind bis in die Kölner Südstadt zu hören. Hat unser Dampfplauderer nur „überschaubar“ mit „anschaulich“ verwechselt oder wird da womöglich sowas wie interne Senderkritik laut? Ich hab mich diesbezüglich beim ZDF noch nicht umgeschaut. Muss ich demnächst unbedingt nachholen.  

13. Juni 2014.
Wie, keine Vorfreude? Altersschwäche? Und das bei einer WM im Fußballland Brasilien! Leute, wie soll das erst in Katar werden? Aber wer weiß, wer da überhaupt noch zusieht. (Schirrmacher) Habe natürlich gestern auch Olli & Olli gelauscht. Auszugsweise. Wobei Olli K. Ja ein echtes Geheimnis ausgeplaudert hat. (Oder hab´ ich das seinerzeit nicht mitbekommen?) Demnach lässt der DFB bei einer WM Bücher verteilen. An die Nationalspieler. Zum lesen. Zumindest gab´s 2006 welche. Sagte Olli und bekannte gleich freimütig, sein Exemplar noch original verpackt bei ihm daheim im Bücherregal stehe. Olli K. hat ein Bücherregal? Andererseits: Der Mann hat an so vielen Turnieren teilgenommen, da kommt schon was zusammen. Egal. 2006 soll es jedenfalls der Erfolgs-Ratgeber „Denke nach und werde reich!“ gewesen sein, den die Kicker im Quartier auf ihren Nachtschränkchen fanden. Hatte Klinsi den Titel ausgesucht? Ist doch eigentlich Quatsch. Schließlich gehört Fußball zu den wenigen Beschäftigungen, bei denen man auch ohne Nachdenken steinreich werden kann. (Auch wenn jetzt alle Trainer eine „Philosophie“ haben.) Und um Lohn und Brot brauchten sich die beteiligten Profis auch schon vor acht Jahren keine Sorgen zu machen. Vielleicht haben aber manche das Büchlein trotzdem gelesen. Mit fatalen Folgen. Komplette Verwirrung. Wäre ja womöglich auch noch eine Erklärung, warum das mit dem Titel im eigenen Land nicht geklappt hat. Olli K. Kann da nix für. Erstens hat er´s nicht gelesen und zweitens stand er ja gar nicht im Tor.

Das komplette WM-Tagebuch unter „Funk-Korrespondenz„.

Text: Reinhard Lüke

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