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Gesellschaft

Wohnungslos in der Südstadt – Endstation Johanneshaus?

Dienstag, 20. November 2012 | Text: Jasmin Klein | Bild: Barbara Siewer

Geschätzte Lesezeit: 5 Minuten

Jeder Südstädter kennt das Haus, fährt dran vorbei, sieht Männer mit Rucksäcken, Bierflaschen und Zigaretten vor dem imposanten, immer geöffneten Tor stehen, reden, trinken, sitzen. Wenn man in den Innenhof blickt, sieht man eine Gartenlaube und angrenzende Häuser. Aber was ist das Johanneshaus? Was geschieht dort? Wer lebt dort?

Wir treffen uns mit zwei Verantwortlichen aus dem Johanneshaus: Mit Albert Becker, dem Leiter, und mit Thore Klahr, dem Fachbereichsleiter der Resozialisierungsabteilung und der Notaufnahme. Das Interview mit den beiden erscheint am Montag. Heute werden wir von Thore Klahr, der seit mehr als elf Jahren hier arbeitet, durch die verschiedenen Abteilungen geführt, und schnell wird klar: Das Johanneshaus ist ein kleines Dorf.

Die erste Abteilung, die jeder zuerst betritt, der hier Schutz sucht, ist die Notaufnahme. Sie ist in den Wintermonaten ab 18 Uhr geöffnet. Bis zu zwölf Menschen können aufgenommen werden. Hier kann man duschen, sich in der Kleiderkammer neu einkleiden oder sich auch erstmal ins Vierbettzimmer legen, das sehr sauber, aber schmucklos daherkommt. Man soll hier nicht heimisch werden, denn die Notaufnahme muss jeder nach 3-5 Tagen wieder verlassen. Am Morgen nach der Ankunft muss man bis 9 Uhr aus dem Zimmer wieder raus, bekommt im Speisesaal Frühstück, darf bei Bedarf den Arzt aufsuchen und spricht mit dem Sozialarbeiter. Der findet gemeinsam mit dem Obdachlosen heraus, welche Problemlage vorliegt und in welche Abteilung er weitervermittelt werden kann, sei es im Haus selbst oder sei es zu einem anderen Träger.

Man soll hier nicht heimisch werden. Notauffanglager im Johanneshaus.

 

Die nächste Abteilung, die wir besuchen, ist die „Reso-Abteilung“, die der 43-jährige Thore Klahr leitet: „Das ist ein besonderer Baustein im Haus, für Menschen mit sozialen Schwierigkeiten, die noch etwas fitter sind als manch anderer hier auf dem Gelände und die nochmal den Weg nach draußen finden sollen.“ 48 Menschen können hier aufgenommen werden. In den ersten vier Wochen des Aufenthalts wird ein Hilfeplan aufgestellt, in dem gemeinsam mit dem Bewohner Ziele festgelegt werden. Er darf bis zu 24 Monate hier leben, darüber wird halbjährlich auf Grund des Hilfebedarfes neu entschieden.

Wie eine große Wohnung mit einem breiten Flur wirkt der Gang des Wohntrakts der Reso-Abteilung, von dem mehrere Zimmertüren (fast alle sind Einzelzimmer) abgehen. Eine davon führt in die Küche. Sie ist blitzsauber. In diesen Räumen sollen die Männer lernen, sich um sich selbst zu kümmern, sich selbst versorgen, Arbeit suchen, wieder auf die eigenen Beine kommen. Ein junger Mann begegnet uns, vielleicht 20 Jahre alt. Baseball-Cap, Jogging-Anzug. Er wirkt gepflegt und wie ein ganz normaler junger Erwachsener, ich halte ihn zunächst für einen Zivi oder Mitarbeiter. Aber er wohnt hier. Nein, sein Zimmer sei nicht sehr aufgeräumt, wir sollten zum Fotografieren lieber zu einem anderen Bewohner gehen. Der Leiter öffnet eine Zimmertür. Zwei Betten, zwei Schränke, ein IKEA-Regal, gefüllt mit Geschirr und Töpfen, ein Küchentisch, auf dem Patrick Süskinds ‚Das Parfüm’ liegt. Der Bewohner ist nicht da.

Wir gehen wieder auf den Hof, quer rüber in den Speisesaal. Hier lümmeln mehrere Männer im Vorraum, freuen sich über den Anblick von uns beiden Frauen, doch nie wird jemand bei unserem Rundgang unflätig oder unangenehm. Der Speisesaal selbst: Eine Filmkulisse für eine Gaststätte in den Sechzigern. Blauweiß karierte Tischdecken, Eichenholzfurnier und Retro-Gardinen an den Fenstern, nur, dass die schon immer da hängen. Alles sehr sauber, gepflegt, eine ausgelassene Atmosphäre. Man kann wählen zwischen Hoki-Filet mit Senfsoße, Kartoffeln und Salat oder Fleischbällchen mit Tomatensoße, Nudeln und Salat. Jedes Essen mit Vorsuppe, Hauptgericht und Dessert kostet 3,60 Euro. Hundert Essen gehen hier Tag für Tag raus. Die Männer aus der Notaufnahme (täglich kommen fünf bis sehcs Neue) bezahlen mit dem Vorzeigen einer grünen Karte, andere sind bekannt, ihre Namen werden notiert und ihr Essen später monatlich abgerechnet. An einem der sechs langen Tische sitzen viele Polen, die alle kein Deutsch können. Eine alte, etwas verwirrte Südstädterin hindert das nicht, sich dazu zu setzen und mit den Männern Mittag zu essen. Sie kommt öfters zum Essen hierher. Hier fällt sie nicht auf, denn hier ist jeder etwas wunderlich.

 

Alkohol und Drogen für Langzeitbewohner streng verboten.

In der Caféteria, die sich im Keller des gegenüberliegenden Hauses befindet, in dem die Langzeitbewohner leben (der längste seit 25 Jahren), sind Alkohol und Drogen streng verboten. Sie ist von 7 bis 22 Uhr geöffnet (bei Fußballübertragungen auch länger) und wird von Bewohnern betrieben. In dem gemütlichen Gewölbekeller gibt es eine schöne Theke, Kaffee, Kuchen, einen Fernseher mit Sky-Empfang (Fußball!!), einen Computer, um nach Arbeit und Wohnung zu recherchieren, und mehrere große Tische, an denen gerade zwei Männer sitzen und sich Naturfilme anschauen. In einem weiteren Raum steht ein Billardtisch, an dem drei Männer spielen. Eine Kegelbahn aus uralten Zeiten, noch intakt, befindet sich in der nächsten Ecke des Kellers. Wie alles hier zeugt jede Ecke davon, dass die letzte Sanierung schon Jahrzehnte her ist. Alles ist sauber und gepflegt, nichts ist verwahrlost, aber doch wirkt vieles wie aus vergangenen Zeiten, als liefe man durch ein Museum.

Den letzten Saal, den wir betreten, ist der Schlafsaal der Winterhilfe, ein Baustein ab jedem 1. November. Klahr: „Wir nehmen Menschen auf, die in Köln gestrandet sind, aber keine Ansprüche auf Sozialleistungen haben, wie Menschen aus Polen, Rumänien, Bulgarien. Die sind irgendwann auf Arbeitssuche hier her gekommen oder auf der Suche nach einem besseren Leben und seit Jahren obdachlos. Wir nehmen sie im Winter auf, um Leib und Leben und sie vor Schwierigkeiten und Kälte zu schützen.“ Hier schlafen, wenn der Winter ganz hart kommt, bis zu 36 Männer. Alkohol ist nicht verboten, „sonst krampfen die“, so Thore Klahr, denn hier hat man es mitunter mit Schwerstalkoholikern zu tun, die auch gerne mal die Handdesinfektion austrinken. Gerade in der Winterhilfe ist Alkohol besonders problematisch, da der Begleiter der meisten Männer aus den Polen, Rumänien, Bulgarien schon sehr lange der Alkohol ist.

Die Zukunft der Winterhilfe ist nicht ganz klar. Denn endlich soll im Johanneshaus renoviert werden. Der Johannesbund wird den Schlafsaal der Winterhilfe und die angrenzende Kapelle, die sehr groß ist, von den Bewohnern aber fast nur zu Weihnachts- und Trauerfeiern genutzt werden, zu mehreren Wohngruppen umbauen; u.a. ein „Trockendock“, in dem sich Männer, die dem Alkohol entsagt haben, auf ein neues Leben vorbereiten können. Die Stadt Köln will schon ab dem 1.12. 2012 neue Räume für die Winterhilfe aufgetan haben, aber Konkretes wisse man noch nicht, so Klahr.

Freizeitbeschäftigung zwischen Madonna und Millionär Robert Geiss.

 

Zum Ende des Rundgangs gehen wir zum ‚Annohaus’. Hier leben depravierte Alkoholiker und ältere Menschen mit psychischen Erkrankungen. Im verrauchten Aufenthaltsraum sitzen Männer in kleinen Grüppchen zusammen. Im Fernsehen, das an einer Zimmerecke befestigt ist, zeigt der Kölner Millionär Robert Geiss seine gebleichten Zähne. Am Tisch davor sitzt ein vollbärtiger Mann, raucht und folgt interessiert Geissens Ausführungen.
Eine Madonnenfigur und ein Kruzifix hängen an der Wand, daneben hat jemand ein Bier trinkendes Strichmännchen gemalt. An der anderen Wand hängen kleine Fotos, mindestens hundert. Die wurden von einem Obdachlosen aufgenommen, seine Welt aus seinen Augen, und von einem Künstler gerahmt und installiert. Wir schauen uns die Fotos an. Bärte, Zigaretten, schlafende Männer, aber auch viele lachende Gesichter.
Wir gehen wieder raus durch die frische Luft zum Vorderhaus ins Büro des Leiters Albert Becker, um ihn und Thore Klahr zu interviewen. Fortsetzung unter „Retter in der Not„.

 

Weitere Informationen über das Johanneshaus finden Sie hier und über die Arbeit mit Menschen ohne Wohnsitz hier.

 

Schon mal im Winter auf der Straße übernachtet und auf der Suche nach Essen um die Mülltonnen gezogen? Vermutlich nicht… Um einen Eindruck zu gewinnen, wie hart das ist, lohnt sich ein Blick auf http://www.zeit.de/2009/11/Wallraff-11

In Köln leben mehr als hundert Menschen so. Um diese Menschen zu unterstützen, wird die Redaktion von „Meine Südstadt“ am 8. Dezember 2012 eine Benefizaktion auf dem Severinskirchplatz veranstalten. In der Zeit von 11 – 18 Uhr gibt es Würstchen vom Grill, Punsch, Glühwein und antialkoholische Getränke und das Wichtigste: Der Erlös wird dem Johanneshaus, dem Haus für Menschen ohne festen Wohnsitz in der Annostraße, gestiftet.
 
Wer die Benefizaktion „Grillen für Johannes“ schon jetzt Unterstützen möchte, kann gerne Geld spenden an:
Johannesbund gGmbH
Postbank Köln
BLZ 370 100 50
Konto-Nr. 105 242 501
Stichwort: Meine Südstadt – Grillen für Johannes

Eine Spendenquittung wird erstellt, sofern Name und Adresse angegeben wurde und per Post versendet.

 

 

Text: Jasmin Klein

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