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Kultur

„Auch mal gucken, wie die andere Seite ausschaut“

Mittwoch, 5. April 2017 | Text: Gastbeitrag | Bild: Dirk Gebhardt

Geschätzte Lesezeit: 6 Minuten

Für die Kölner Fotografin Christel Plöthner war es nun schon die siebte Reise in die Palästinensischen Autonomiegebiete. Was sie im ihr mittlerweile vertrauten Bethlehem fand, waren großzügige, freundliche Menschen, die sich trotz aller Widrigkeiten ihren Stolz und ihre Friedfertigkeit bewahrt haben. Eine Auswahl von Schwarzweißfotografien aus ihrer neuesten Bethlehemer Fotoreihe zeigt Plöthner noch bis Ende April im Vringstreff. Anlässlich der Vernissage am 15. März, bei der recht undifferenzierte Redebeiträge zur Geschichte des Nahostkonflikts und zur aktuellen politischen Lage zu hören waren, trafen wir die Fotografin zu einem Gespräch.

??Meine Südstadt: Sie arbeiten seit vielen Jahrzehnten als Fotografin. Hätten Sie sich ganz zu Beginn ihrer Karriere vorstellen können, mal im Nahen Osten zu arbeiten?

?Christel Plöthner: Ich habe ja die handwerkliche Ausbildung gemacht, und da hat man gar nicht diese Gedanken gehabt, Reportagefotografie zu machen. Ich habe bei Schmölz (Karl Hugo Schmölz, Anm. d. Red.) gelernt. Das war Industriearchitektur, so diese ganzen klassischen Sachen. Nein, da hab ich nie dran gedacht.

?Was hat Sie am Beruf des Fotografen so gereizt??

Erst mal, meinen Vater zu ärgern (lacht). Der hat mir seine Kamera nie geliehen. Und er wollte unbedingt, dass ich in einem Büro arbeite. Ich wusste gar nicht, was ich im Büro soll! Ich hab meinen Namen verkehrt geschrieben, ich wollte irgendwas mit meinen Händen machen. Ich hab immer gesammelt und gefummelt und gebastelt. Und die Fotografie, die hat mich schon sehr, sehr gereizt. Fand ich schon auch ein ganz tolles Medium.

?Und hat Sie Ihr Beruf dann auch in andere Länder geführt??

Ich habe lange bei dem Modefotografen Peter H. Fürst gearbeitet. Der ist ja hier in Köln mal so ein richtiger Gott gewesen, jetzt ist er ein alter Herr. Wir waren viel im Ausland, viel unterwegs. Und dann bin ich halt morgens, bevor die Modefotografie anfing, schon unterwegs gewesen und habe Bauern fotografiert oder Landschaften. Ich musste ja nur pünktlich zurück sein.

 

„Und es ist auch toll, ganz woanders Freunde zu haben“.

?Dann waren Sie 1999 zum ersten Mal in Bethlehem, und Sie kehren seitdem immer wieder dorthin zurück. Was genau fasziniert Sie an der Stadt und an ihren Einwohnern?

?Ich habe sehr eng mit jemandem aus dem Städtepartnerschaftsverein Köln-Bethlehem zusammengearbeitet, der war auch ein ganz enger Freund von Norbert Burger. Dadurch habe ich natürlich auch viel über politische Zusammenhänge gelernt. Und wenn man dann vor Ort ist, dann ist man einfach gefesselt. Und der Städtepartnerschaftsverein hat immer wieder Ausstellungen gemacht zu irgendwelchen Anlässen, und so ist das eben entstanden. Das war einfach ganz schön.
Und es ist auch toll, ganz woanders Freunde zu haben. Dass wirklich auch Freundschaften entstehen. Und diese Großzügigkeit, diese Freundlichkeit von den Palästinensern! Dieses Buch Menschen wie wir (Minsche wie mir (2006), Anm. d. Red.), das ist ja zum zehnjährigen Bestehen vom Städtepartnerschaftsverein Köln-Bethlehem entstanden. Da in Palästina haben sie teilweise auch ihre Termine und müssen weiter, aber die haben immer noch Zeit für einen Tee oder Kaffee. Hier: nichts. „Fünf Minuten, dann muss ich weiter“. Dieses andere Leben, das ist einfach faszinierend.

?Wie sind Sie eigentlich auf den Titel Ihrer Ausstellung gekommen??

Diese Bilder sind ja aus einer anderen Ausstellung herausgezogen, die viel größer ist. Und da habe ich überlegt, wie ich das machen soll, und habe in Broschüren geblättert. Es gibt da eine Stelle, die nennt man die Weinberge („Dahers Weinberg“ / „Tent of Nations“, Anm. d. Red.), das ist so eine Bauernfamilie, die seit vielen, vielen Jahren im Protest lebt. Denen werden von den Israelis die Straßen zugemacht, mit Steinen, und Riesenklötze in den Weg gelegt, so dass sie nur zu Fuß weiterkönnen zu ihrem Eigentum. Und da steht eben dieser Spruch drauf. Und als ich so geblättert habe, hab ich gesagt, das ist doch ideal. Das ist doch toll, was die da machen, wie die sich wehren. Sie machen da Veranstaltungen, Seminare, da können Leute Praktikum machen. Es kommen auch Europäer, Amerikaner, die da im Sommer arbeiten. Und da habe ich gesagt, das passt. Und diese Gesichter: passt. Einfach so ganz simpel. Nicht so kompliziert denken.

?Woran zeigt sich diese Haltung bei den Palästinensern, die sie fotografiert haben – dass sie sich weigern, Feinde zu sein? Können Sie das irgendworan festmachen??

Also, ich war bei einer Familie, da waren zwei Söhne im Gefängnis. Der eine war über die Zeit mit seinem Hungerstreik, der hätte eigentlich schon tot sein müssen, nach den Berechnungen der Ärzte – er musste jeden Moment sterben. Ist einfach in Hungerstreik gegangen. Er hat nichts gemacht, ist einfach auf der Straße weggefangen und eingesperrt worden. Die Schwester ist Rechtsanwältin, die durfte ihren Bruder nicht verteidigen. Der andere, da wusste man noch nicht, ob er rauskommt oder nicht. Und ein dritter Bruder, der war schon länger verstorben, auch im Hungerstreik.
 
Und wenn man diese Eltern gesehen hat, vor allen Dingen diese Frau, die war so gebrochen. Sie hatte wirklich diese tollen Stickereien, so ein Gewand an. Eine stolze Frau, aber so gebrochen. Und als ich diese Frau, diese Familie gesehen habe… die können nichts Unrechtes getan haben. Oder dann war ich mit dem befreundeten Arzt in der Wüste,  in einem Beduinendorf. Da waren auch zwei Jungs oder Männer verhaftet worden, und der eine ist nach acht Jahren wieder herausgekommen. Kurz nachdem er verhaftet worden ist, ist sein Sohn geboren, und der Sohn konnte den Vater nach acht Jahren erst kennenlernen. Er hatte nichts gemacht, wurde willkürlich eingesperrt. Die sind so gebrochen, diese Leute. Die kennen nicht diesen Hass wie wir, so mit: „Den knall ich jetzt auch ab“. Das hört man da nicht, nein.

?Sie dokumentieren ja diese sozialen Gegebenheiten und Missstände – kann man überhaupt Dokumentarfotografie machen, ohne sozialkritisch zu sein, oder politisch??

Das hat gehört ja zusammen.

 

?Also würden Sie sich schon als politische Fotografin beschreiben??

Ja. Dadurch, dass ich hier an der Berufsschule gearbeitet habe, habe ich nicht so viel Zeit gehabt. Aber jetzt werde ich vielleicht ein bisschen mehr machen, wenn ich ganz viel Zeit habe.

?Was können Ihre Fotos leisten, was Textjournalismus alleine nicht kann??

Kann auch sein, dass die Fotos nicht alleine stehen können, aber das gehört oft zusammen. Der eine kann Buchstaben lesen, und der andere kann Bilder lesen, und der dritte braucht beides. Ich meine, dass man schon eine Menge in den Bildern finden kann, wenn man sich öffnet und bereit ist, es zu machen. Und hier kommen dann ja auch eher Leute her, die das – glaube ich – können. Hoffe ich!

?Es sind ja hauptsächlich Frauen und Kinder auf den Fotos zu sehen. Liegt Ihr Augenmerk speziell darauf, weil Sie sich mit dem Thema Gewalt an Frauen beschäftigt haben, oder waren sie eher bereit, sich fotografieren zu lassen??

Also, ich werde eher beschimpft, dass ich keine Frauen fotografiere. Ich habe viel mehr Männer in meinem Archiv (lacht). Also, da werde ich eigentlich oft angegriffen. Und Männer lassen sich auch viel leichter fotografieren als Frauen. Und ich habe die Fotos jetzt so zusammengestellt, weil ich wirklich der Meinung bin, dass sie noch ein bisschen mehr Leid haben als die Männer. Aber beweisen kann ich das natürlich nicht, das stelle ich jetzt einfach so in den Raum. Und die haben diese vielen Kinder, die kommen einfach, das ist nicht so geregelt wie bei uns, schluck mal die Pille. Die haben einfach eine andere Kultur oder ein anderes Denken, ich weiß es nicht so genau.

?Die Schwarzfotografie – ist das etwas, was Sie bevorzugen??

Ich mache schon auch Farbfotos, klar. Die Welt ist farbig. In die Schwarzweißfotos kann jeder seine Farben reinlegen, wie er will. Und ich glaube, dass es ruhiger ist, dass es nachdenklicher macht.

?Das ist Ihnen ein Anliegen, die Menschen zum Nachdenken anzuregen??

Ja, die sollen sich damit beschäftigen, sich damit auseinandersetzen. Und wer nicht will, der kann ja wieder gehen. Ich zwinge keinen. Aber ich glaube schon, dass es ausdrucksstärker ist. Und es wäre einfach toll, wenn mehr Menschen Mut haben, auch mal eine Reise nach Palästina zu machen. Auch mal zu gucken, wie die andere Seite ausschaut. So eine Mauer, die bringt keinen Frieden. Und wir haben selber in einem Land gelebt, wo eine Mauer war, Sperren waren. Irgendwann wird sie auch da wieder fallen, und da bin ich gespannt, ob ich das noch erlebe und was da passiert. Aber momentan habe ich da eher Angst.

?Ein Projekt, in das Israelis miteinbezogen würden, wäre ja auch schön.?

Ja, klar, die gibt es ja auch. Es gibt ja auch in Israel eine große Friedensbewegung und israelische Frauen, die an der Mauer stehen und protestieren.

?Ich bedanke mich herzlich für das Gespräch.
 
 
Mehr dazu?

Die Ausstellung „Wir weigern uns Feinde zu sein“ mit Fotografien von Christel Plöthner kann noch bis zum 26. April im Vringstreff besucht werden.
Vringstreff e.V.?, Im Ferkulum 42, 50678 Köln

?Öffnungszeiten: Montag bis Donnerstag von 12:00 – 17:00 Uhr, Freitag von 9:00 bis 11:00 Uhr

Die Autorin: Jaleh Ojan war ein waschechtes Südstadtkind, bis sie dem Stadtteil in den späten 80ern dann wieder untreu wurde. Heute zieht es sie immer wieder in das alte Heimatveedel – vor allem auch wegen der großartigen Theater. Seit 2002 schreibt sie als freie Kritikerin/Journalistin für diverse Medien.

Text: Gastbeitrag

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