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Bildung & Erziehung Gesellschaft Kultur

Bismarck Reloaded – Ein Beitrag zum Preußenjahr – Danke Berlin!

Dienstag, 16. Juni 2015 | Text: Judith Levold | Bild: Tamara Soliz

Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten

Mit einer Reihe von Veranstaltungen, Ausstellungen und Diskussionsformaten erinnert der Rheinische Verein für Denkmalpflege seit April an die folgenreiche Geschichte von 200 Jahren Preußen am Rhein. Durch das ganze Jahr hindurch sollen im gesamten Gebiet der ehemaligen preußischen Rheinprovinz verschiedene Veranstaltungen ganz verschiedene Aspekte beleuchten.

Mit den aktuellen Formaten der Veranstaltungsreihe, die eine Brücke von 1815 in die Gegenwart schlagen sollen, beschäftigt sich im Auftrag des Vereins der Historiker, Kabarettist und Publizist Martin Stankowski aus der Südstadt. Er hat in dem Zusammenhang unter anderem auf die 24 verbliebenen der ursprünglich 31 Bismarcktürme im Rheinland geschaut. Sie stehen zum Beispiel in Aachen, Bonn, Dortmund, Essen, Lüdenscheid, Wuppertal, Unna usw., und: in Köln, direkt am Bayenthalgürtel, Ecke Rheinufer.

Mit dem bekannten Kölner Architekten Paul Böhm zusammen hat Martin Stankowski eine so genannte Stegreif-Übung für Architektur-Studenten initiiert – ihre innerhalb kürzester Zeit entstandenen Visionen und Modelle für eine zeitgemäße Nutzung des Bismarckturms am Bayenthalgürtel werden ab der kommenden Woche im Kölnischen Stadtmuseum gezeigt, als Teil der Sonderausstellung ACHTUNG PREUSSEN! Beziehungsstatus: kompliziert. Köln 1815-2015.

„Meine Südstadt“ hat sich mit den Studenten bei ihrer Präsentation in der FH in Deutz und mit Martin Stankowski vor dem düster wirkenden Denkmal getroffen.

 

Meine Südstadt: Herr Stankowski, warum ist Ihnen so an einem veränderten Umgang mit dem  Bismarckturm gelegen?
Martin Stankowski  Ja, bei so einem Baudenkmal gibt es ja mehrere Ebenen, neben der städtebaulichen auch die ästhetische und eine politische. Es ist in meinen Augen rausgeschmissenes Geld, so ein Denkmal nur baulich zu sanieren und sich nicht aus der Gegenwart heraus auch kritisch mit seiner Geschichte zu beschäftigen und es dementsprechend zu gestalten. Ich finde, wir müssen über die Funktion des Denkmals neu nachdenken: Wollen wir heute noch Bismarck verehren? Dazu wurden diese Türme ja, übrigens weitestgehend NACH Bismarcks Tod, überall, wo mal ein Deutscher war, hingestellt.

Und, wollen wir?
Nein, eben nicht. Denn Bismarck war zwar der Reichs-Einiger, aber eben auch ein Antiparlamentarier und Antidemokrat. Er hat die europäische Großmachtpolitik begründet, von den Deutsch-Nationalen verehrt. Diese Tradition sollte man nicht fortsetzen.

Sondern?
Man sollte dem Denkmal eine neue Funktion geben. Eine, die heutigen Bedürfnissen entsprechen kann, was sicher nicht Bismarck-Verherrlichung ist. Es gibt keine Verbindung zum Jetzt, keinen Bezug von Denkmal zu Nutzer. Vielerorts werden die Türme ja als Aussichtstürme verwendet oder von Künstlern gestaltet, zum Beispiel mit Lichtinstallationen. Hier in Köln aber genehmigt der Rat den Denkmalpflegern bloß regelmäßig Geld, um etwa die bemooste Fugen mit Blei zu restaurieren, schon zweimal in den letzten Jahren ist der Turm für insgesamt 330.000€ renoviert worden – das ist doch Quatsch, da hat ja keiner was davon, das kostet nur. Aber weder in der Öffentlichkeit, noch in der Politik oder etwa dem Kunstbeirat der Stadt gibt es wirklich Interesse an einer kritischen Auseinandersetzung mit dem Turm und seiner Historie.

 


Präsentation der Entwurfe in der FH Köln, Fachbereich Architektur (v.l.o) Martin Stankowski, Peter Böhm und Christina Leven, Visualisierung von Nezih Yüksel; (v.u.l.) Visualisierung von Christina Leven, Gipsmodell des Bismarck Turm.

 

Ortswechsel, wir beobachten auch die Studierenden, wie sie die Aufgabe für die Stegreifübung bekommen, wir treffen sie erneut, als sie sich von einem Bildhauer Tipps für die Gipsmodellarbeit holen und schließlich, als sie ihren Professoren ihre Ideen und deren Visualisierungen zeigen. Vor allem die Gestaltung des Außenbereichs hat es ihnen angetan – für den Turm selbst schweben ihnen Nutzungen wie unterirdische Fahrradwerkstätten, eine Gedenkstätte mit Fotogalerie, gastronomische Nutzungen, vor allem um den Turm herum, sowie ein bekletterbarer Turm vor, den Student Christian Konrath präsentiert: innen an den Wänden Boulder-Strecken, außen dann das Abseilen auf einen lichter gestalteten Platz.

 


Visualisierung des Entwürfe von Christian Konrath.

Was hat Ihnen denn besonders gefallen von den studentischen Entwürfen?
Martin Stankowski  Ja, bei fünf von sechs Vorschlägen spielt Gastronomie eine Rolle, ich fand aber das mit dem Klettern eigentlich am reizvollsten. Da steckt so ein bisschen Despektierlichkeit drin und das brauchen solche Denkmäler meiner Ansicht nach…

Da wird doch aber sicher der Denkmalschutz nervös, oder?
Ach, da hab ich aber schon ein Gegenargument, da haben sich die Denkmalschützer schon selbst ausgeknockt: die Hohenzollernbrücke wird ja auch beklettert und ist ein Denkmal, da wirbt der Alpenverein ja sogar damit, dass das Deutschlands erstes und bislang einziges beklettertes Denkmal sei – genehmigt natürlich. Und wieso soll das da erlaubt sein und hier nicht? Die Denkmalpflege, die nur historisch und unbedingt erhaltend arbeitet, statt Gegenwartsbezüge herzustellen, macht mich sowieso wahnsinnig.

Herr Stankowski, danke für das Gespräch!

Offiziell wird die Präsentation der studentischen Entwürfe innerhalb der Sonderausstellung ACHTUNG PREUSSEN! Beziehungsstatus: kompliziert. Köln 1815-2015. im Kölnischen Stadtmuseum in der Woche ab dem 22.06. eröffnet.

 

 

Mehr im Netz

www.museenkoeln.de/koelnisches-stadtmuseum

 

Text: Judith Levold

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