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Aufgeschnappt: Kartause sucht sozialpädagogische Fachkraft (w/m/d) in Vollzeit +++ Das Mahal wird 2! +++ Hans Mörtter auf OB-Kurs +++

Kolumne

Auf Achse

Montag, 15. April 2013 | Text: Wassily Nemitz

Geschätzte Lesezeit: 6 Minuten

Kapstadt, viertel nach acht. Am Taxi begrüßt uns ein kleiner Mann mit Mantel und Gepäckwagen. „I will bring it for you to the train!“, verkündet er. Wir sind skeptisch, doch der Taxifahrer beruhigt uns: “He works for the railway, you can trust him” Wir laden das Gepäck auf und eilen in den einstigen Stolz Kapstadts: Den Hauptbahnhof.

Unser Ziel: Der tägliche Zug nach Johannesburg. Abfahrtszeit ist in zwei Stunden, zwei Stunden vorher sollten wir da sein, hatte man uns geraten. Am Ticketschalter angekommen, wissen wir warum: Eine sehr lange Schlange hat sich gebildet, rund um den Eingang zum Gleis stehen Menschen und Massen von Gepäck.
Ich reihe mich ein. Aus einer Tür tritt ein rundlicher Weißer mit Brille. „Ladies and Gentlemen! The train for today is fully booked! We do not have space anymore.” Zum Glück haben wir vorher gebucht, denke ich mir. Schon bildet sich eine Menschentraube um den Mann, der eine Art Stationsvorsteher zu sein scheint. Die Menschen reden auf ihn ein, wedeln mit Papier. „You can come back tomorrow“, ruft er in die Menge.

Kapstadt, viertel nach acht. Am Taxi begrüßt uns ein kleiner Mann mit Mantel und Gepäckwagen. „I will bring it for you to the train!“, verkündet er. Wir sind skeptisch, doch der Taxifahrer beruhigt uns: “He works for the railway, you can trust him” Wir laden das Gepäck auf und eilen in den einstigen Stolz Kapstadts: Den Hauptbahnhof.

Unser Ziel: Der tägliche Zug nach Johannesburg. Abfahrtszeit ist in zwei Stunden, zwei Stunden vorher sollten wir da sein, hatte man uns geraten. Am Ticketschalter angekommen, wissen wir warum: Eine sehr lange Schlange hat sich gebildet, rund um den Eingang zum Gleis stehen Menschen und Massen von Gepäck.
Ich reihe mich ein. Aus einer Tür tritt ein rundlicher Weißer mit Brille. „Ladies and Gentlemen! The train for today is fully booked! We do not have space anymore.” Zum Glück haben wir vorher gebucht, denke ich mir. Schon bildet sich eine Menschentraube um den Mann, der eine Art Stationsvorsteher zu sein scheint. Die Menschen reden auf ihn ein, wedeln mit Papier. „You can come back tomorrow“, ruft er in die Menge.

Langsam zerstreut es sich, die Schlange ist plötzlich viel kürzer. Ich bin an der Reihe, will die im Internet bestellten Fahrkarten abholen und bezahlen. Der Mann hinter der Scheibe sucht nach meiner Reservierung. Dann die Überraschung: „Did you pay for that reservation?“, fragt er mich. Nein, natürlich nicht. Denn auch auf Nachfrage hatte man mir bestätigt, ich könne auch direkt am Bahnhof zahlen. „Sorry“, meint der Mann und winkt den nächsten heran. Ich gehe zum rundlichen Stationsvorsteher von vorhin, schildere die Situation.

Er bemüht sich, kann aber augenscheinlich nichts tun. „I cannot follow up what you discussed with the reservation agent“, erklärt er. Beiläufig fragt er, in welcher Klasse wir reisen wollen. Es ist die zweite, Kategorie „Sitter“. „Ok, I thought you want to travel in the first class!”. Wären wir auch gerne, die war aber zum Zeitpunkt der Reservierung schon ausgebucht.

„I make a plan!“, sagt er und verschwindet. Unser Gepäckträger mit dem langen Mantel blickt uns beeindruckt an: „That is Mister Kraus! He is the big director here!“. Wir warten, hoffen, dass wir nicht wie all die anderen einen Tag später wieder kommen müssen. Mein Kollege Florian Geismann geht zum Busbahnhof, um zu sehen, ob dort vielleicht noch eine Transportmöglichkeit besteht.
Mister Kraus tritt wieder hervor, weist uns Richtung Bahnsteig. „Gehen Sie mal da durch, wir verkaufen das Ticket lieber da hinten. Ansonsten bricht hier der Mob auf uns los, wenn die Leute das mitkriegen.“ Mit Gepäckträger und Karren geht es auf den Bahnsteig. In einen Gepäckwagen der Bahn werden gerade Möbel und Kühlschränke verladen. Ein unfreundlicher, weißer, Schaffner kommt an, blafft einen schwarzen Gepäckmitarbeiter an und verkauft uns dann offensichtlich genervt die Fahrkarten – für die 1600 Kilometer lange Fahrt nach Johannesburg zahlen wir pro Person knapp 30 Euro. Unser Träger ist inzwischen nicht mehr zu sehen. Kurzerhand bugsieren wir den Wagen selbst über den Bahnsteig in Richtung der Stelle, wo die Economy Class zum Stehen kommen soll.

Wenig später sehen wir ihn wieder – er rennt entlang der Bahnsteigkante: „Attention! The train is coming!“  Eine Rangierlokomotive schiebt den mindestens 20 Wagen umfassenden Zug in den Kopfbahnhof. Noch während der Zug rollt, springen die ersten Passagiere auf, öffnen die Türen und sichern sich die besten Plätze. Der Gepäckträger beschimpft sie und begibt sich dann wieder in unsere Richtung. Wir tragen unsere Koffer in einen der Wagen und finden uns in einer deutschen Regionalbahn wieder, bei der ich schon auf der einstündigen Fahrt ins oberbergische Dieringhausen Rückenschmerzen bekomme. Das Problem: Wir fahren 26 Stunden.

Die südafrikanische Eisenbahn ist schlecht ausgebaut, es findet weitgehend Güterverkehr statt. Die Durchschnittsgeschwindigkeit auf dem Netz beträgt 54 Km/h. Ein Grund dafür ist die schmale Spurweite („Kapspur“). Aufgrund der langsamen Geschwindigkeit und des schlechten Angebots fährt hier auch so gut wie niemand mit dem Zug, der Fernbusverkehr ist weit besser ausgebaut, schneller und somit komfortabler.

Nichtsdestotrotz fahren wir mit, es gibt Menschen, die bezahlen für eine Fahrt auf dieser Strecke mit dem legendären „Blue Train“, einem der luxuriösesten Züge der Welt, mehr als 2000 Euro. Pünktlich um viertel nach zehn rollen wir aus dem Bahnhof, rechts von uns erhebt sich der Tafelberg.

Die eine Hälfte des Wagens schläft schon nach einer halben Stunde, die andere unterhält sich, trinkt Bier oder spielt lautstark Musik über blechern klingende Lautsprecher ab. Mein Mitfreiwilliger Lauritz und ich machen einen Rundgang durch den Zug. Ein Sitzwagen reiht sich an den anderen, dann das Restaurant.
Der unfreundliche Schaffner von vorhin sitzt mit einem Kollegen am Tisch und isst. Wir gehen weiter, in die „tourist class“: Schlafabteile mit vier bis sechs Liegen. Auf dem Rückweg spreche ich den Schaffner an: „Is there any free space in the tourist class?“ „No! Absolutely nothing!“, behauptet er. Durch Zufall bekommt es die Train Managerin mit, sie sitzt einen Tisch weiter. „No, I have free space! There is a compartment for six people!“. Der Schaffner scheint etwas gegen uns zu haben, denn als sich nach Diskussion mit den anderen drei von uns dafür entscheiden, umzuziehen, will er gleich ein ganz neues Ticket verkaufen, zum Vollpreis. Die Managerin weist ihn zu Recht, wir müssen nur die Differenz zahlen – etwa 20 Euro.
Eine weise Entscheidung, wir sind alleine im Personalwagen untergebracht, ein Mitarbeiter macht uns die Betten. Mein Kollege Florian Geismann will während der Fahrt eine rauchen gehen  – in Deutschland undenkbar, hier raucht jeder einfach auf dem Wagenübergang. Während eines Stopps an einem Bahnhof im völligen Nichts stellt er sich auf die Tür-Trittbretter, der Zug rollt an. Die Train Managerin kommt vorbei: „It is better to smoke out of the window, otherwise you will feel cold.“ Die Tür kann man trotzdem einfach während der Fahrt öffnen.

Gegen 22 Uhr gehen wir schlafen, am nächsten Tag habe ich Geburtstag – um 12 Uhr mittags sollen wir in Johannesburg ankommen. Um Mitternacht versuchen mehrere Leute, mich anzurufen – erfolglos, denn ich schlafe tief und fest.
Der nächste Morgen, der Zug rollt durch unverändert einsame Landschaften. Wir erreichen die Stadt Kimberley gegen viertel nach neun. Die Kellnerin kommt und fragt nach unseren Wünschen für das Frühstück. Wir bestellen zum dritten Mal Sandwiches mit Käse und Tomaten sowie labbrige Pommes. Im Gegensatz zum deutschen Bahn-Bordrestaurant zum Spottpreis.

Ich gucke den Fahrplan des Zuges im Internet nach. In Kimberley hätten wir bereits um viertel nach drei nachts ankommen sollen, wir haben also satte sechs Stunden Verspätung. Für uns ein Problem, denn von Johannesburg müssen wir anschließend noch nach Kgautšwane, unser Taxifahrer ist für ein Uhr bestellt. Wir schreiben unseren Kollegen in der Billig-Klasse per WhatsApp, sie mögen bitte mal herkommen. Nach einer halben Stunde sind sie da, wirken etwas abgekämpft und müde. „Ihr glaubt nicht, wie viele Leute da in Kimberley noch eingestiegen sind“, erzählt Max, „wir kamen da kaum durch!“. Außerdem stinke es bereits unmenschlich nach Schweiß, Bier und Rauch. Die 20 Euro sind immer besser investiert.

Lautsprecherdurchsagen gibt es im Zug grundsätzlich nicht, die Train Managerin sucht uns persönlich im Abteil auf und erklärt, ein Signal sei defekt gewesen. Daher hätten wir fünf Stunden an einem Bahnhof gestanden – vermutlich habe ich deswegen so gut geschlafen.

Ich erkläre ihr unsere Situation, wir kämen aus Johannesburg so spät nicht mehr weg. „I will see what I can do“, behauptet sie. Eine Stunde später treffe ich sie im Restaurant wieder. Sie redet aufgeregt auf Afrikaans mit einer Art Vorgesetztem.
Anschließend guckt sie mich betroffen an. Shosholoza Meyl, das Bahnunternehmen, könne uns nichts organisieren, ihre Aufgabe sei es nur, uns ans Ziel zu befördern. Mein europäischer Anspruch auf Fahrgastrechte kommt durch, ich will zumindest das Geld zurück. Gibt es aber nicht, während in Deutschland bei nur einer Stunde Verspätung schon 25 % zurück gibt. Schnell buchen wir ein Hotel im Internet und legen uns wieder hin. Es ist richtig gemütlich, meinen Geburtstag habe ich auch nie zu 75 % auf Schienen verbracht.

Ein Mann spricht uns an, angeblich war er schon überall auf der Welt, darunter in Pjöngjang. Der Zug sei im Übrigen fast immer zu spät, auf der Hinfahrt seien es drei Stunden Verspätung gewesen.

Gegen viertel vor Sechs rollen wir endlich in Johannesburg ein – und bleiben, wie sollte es anders sein, noch einmal eine Viertelstunde vor der Park Station stehen. Dann fahren wir ein, nach 31 Stunden Fahrt (oder Stand) durch Südafrika. Wir steigen in den Gautrain (eine Art S-Bahn) um, vom Bahnhof Midrand geht es noch ein Stück mit dem Taxi – dann erreichen wir das Mercure Hotel – es erscheint uns wie das Paradies.

Das Motto des Bahnunternehmens Shosholoza Meyl lautet: „A pleasant experience“. Streichen wir das „pleasant“ raus, dann ist die Reise treffend beschrieben…

Text: Wassily Nemitz

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