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Bildung & Erziehung Gesellschaft

Der „Abi-Krieg“ war gar keiner

Montag, 27. Juni 2016 | Text: Stefan Rahmann | Bild: Tamara Soliz

Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten

Wie und wann das alles am Humboldt-Gymnasium angefangen hat, weiß Dr. Wolfram Domke sehr genau: „2010 ist ein sehr beliebter Schüler wegen ein paar fehlender Punkte nicht zum Abitur zugelassen worden. Aus Protest bildeten die Mitschüler ein Spalier und bespritzten die aus ihrer Sicht schuldige Lehrerin mit Wasserpistolen. Kurz danach gründete sich das Kölsch Kraat Kommando.“

Domke, Leiter der Rheingold-Akademie, hat mehrere Studien über Jugendliche veröffentlicht und zum Thema Kölsch Kraat Kommando (KKK) Schüler, Eltern und Lehrer am Humboldt-Gymnasium interviewt. Das KKK hat in den vergangenen Jahren Videos im Vorfeld der Abiturprüfungen produziert, die manche als gewaltverherrlichend  und mitschuldig an der Eskalation des „Abi-Kriegs“ zwischen Kölner Gymnasien bewerteten. Bei den Auseinandersetzungen im Frühjahr vor dem Humboldt-Gymnasium ist ein Schüler schwer verletzt worden.

 

Pfarrer Hans Mörtter, der Künstler Cornel Wachter und Hartmut Prieß von den Bläck Fööss hatten zu einem Gespräch über die Vorkommnisse  unter dem Motto „Abi-Krieg – Solidarität mit den Abiturienten“ in die Lutherkirche eingeladen. Gekommen war unter anderem Johnny Küster, ehemaliges KKK-Mitglied. „Es geht darum, sich nochmal vor dem Eintritt in das Studenten- oder Berufsleben zu beweisen. Und den anderen Schulen ein bisschen auf den Senkel zu gehen“, beschrieb er seine Motive. „Es gibt keine festen Regeln. Die Mannschaft, die als erste nass gemacht wird und wegrennt, hat verloren. Ein Krieg ist das nicht. Das ist eine Erfindung der Medien“, fuhr er unter Zustimmung zahlreicher Zuhörer fort.

Cornel Wachter erinnerte daran, dass schon vor 100 Jahren Schüler von Kölner Oberschulen auf den Poller Wiesen im Faustkampf gegeneinander angetreten seien. Der Bezirksschülervertreter Joram Eickhoff wies darauf hin, dass der Wettbewerb um die besten Wasserbomben in diesem Jahr in nackte Gewalt ausgeartet sei. Nachdem das KKK-Video von 2013 gezeigt worden war, nahm Johnny Küsters dazu Stellung: „Das war eine Gruppe von Jungs, die den Humorbegriff ein wenig anders interpretiert haben. Natürlich war das auch ein bisschen Revolte gegen die Lehrer. Übrigens hat sich das KKK immer von Gewalt distanziert und sich 2015 aufgelöst.“

Kapuzenpullis, vermummte Gesichter, ein Porsche der zum Wettrennen gegen Bobby-Cars antritt, ein Autorennen auf einem brach liegenden Fabrikgelände: Die ästhetische Anmutung des Videos sorgte für Diskussionen im Publikum. Was die einen als bedrohlich empfanden, war für die anderen ein harmloser Gag. „Das Beste war der Hund, dessen Augen unkenntlich gemacht worden waren. Oder die Bananen, die als vermeintliche Waffen aus einem Kofferraum geholt wurden“, warf eine Besucherin ein. Leoandro di Modica, Schüler am Hildegard-von-Bingen-Gymnasium, fand den Film alles andere als lustig: „Ich sehe keine Botschaft dahinter. Was ist die Aussage? Wenn da Böller gezündet werden, erinnert mich das an die FC-Ultras.“ „Entweder man möchte die Ironie verstehen, die dahinter steht. Oder man möchte es nicht“, entgegnete ein Humboldt-Abiturient von 2013: „Klar wirkt das Video martialisch. Aber auch ironisch. Es ist rebellisch. Es soll provozieren. Es ist aber ausdrücklich kein Gewaltaufruf.“
Dann war Domke an der Reihe: „Wir glauben nicht, dass das Video Gewaltexzesse hervorruft. Wir erleben die Jugendlichen in unseren Studien als extrem angepasst. Sie haben hohe Bildungsziele, sind sehr ehrgeizig und pflegen, was den Wunsch angeht, eine Familie zu gründen, eher ein Biedermeier-Ideal. Gleichzeitig plagt sie eine extreme Absturzangst. Sie erleben, wie brüchig Familienkontexte sind und wie schnell die wirtschaftliche Basis ihrer Existenz gefährdet ist. Bloß nicht ,Hartzer‘ werden.“ Konkret auf das Humboldt-Gymnasium bezogen, hat Domke in seinen Interviews festgestellt, dass die Zufriedenheit der Schüler mit ihrer Schule sehr hoch gewesen war. „Manche haben gesagt, dass sie sich in der Schule sicherer fühlen als zu Hause.“

 

Diese Sicherheit sei mit G8 verloren gegangen. Die Schule habe unter Druck gestanden, die Schüler sowieso. Und dann habe die Nichtzulassung eines Schülers zum Abitur zur Eskalation geführt. „Da haben die Schüler gemerkt, dass die Schule ernst macht.“ Das Abitur sei als „Krone der Hochkultur“ vermittelt worden. Dem hätten die Schüler ein Stück Subkultur entgegen gesetzt, sagte Domke: „Kölsch, das Kraate sprechen.“ Michael Wittka-Jelen, stellvertretender Direktor am Humboldt-Gymnasium, warf zunächst mal einen geografischen Blick auf die Vorkommnisse: „Das Phänomen an unserer Schule ist nicht leicht zu erklären. Wir haben ein großes Freifeld vor dem Gymnasium, auf dem man sich zu Auseinandersetzungen trifft. In der Innenstadt liegen viele Schulen nah beieinander. Das befördert den Streit. Auseinandersetzungen zwischen angehenden Abiturienten gibt es überall in NRW. Warum es in Köln so krass ist, weiß ich nicht.“ Markus Meuser, Lehrer am Hildegard-von-Bingen-Gymnasium, hatte eine andere Sicht der Dinge: „Diese Schülergeneration ist dermaßen angepasst und hat Angst vor dem Absturz. Das alles muss man irgendwann mal rauslassen. Im Übrigen ist irgendwas schief gelaufen, wenn die Schule der Ort ist, der die Rolle des Zuhauses übernehmen soll. Mit dem G8 sind die Schüler jetzt bis 16.30 Uhr oder noch länger in der Schule. Da bleibt kein Zeit mehr, nichts zu tun oder einfach mal über sich nachzudenken.“ Dem stimmte auch Wittka-Jelen zu: „In diesen Strukturen bleiben Individualität und Kreativität auf der Strecke.“ Das Gespräch in der Lutherkirche wird in nächster Zeit fortgesetzt.
 

Text: Stefan Rahmann

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