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Kultur

„Es trifft uns immer unvorbereitet“

Dienstag, 5. März 2013 | Text: Gastbeitrag | Bild: Meyer Originals

Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten

„Ich bin der Krankheit hinterher gestolpert. Ich war unfähig, mir ein komplexes Bild zu machen, unfähig meinen Vater zu verstehen“, sagt Arno Geiger, Autor des Buches „Der alte König in seinem Exil“, in dem er sich mit der Alzheimer-Erkrankung seines Vaters auseinandersetzt.

Ob das Bild, das wir nach dem Stück mit Christiane Bruhn und Chris Nonnast haben, tatsächlich ein komplexes ist – das ist für eine nicht betroffene Person nur schwer fassbar. Jedoch nehmen wir einen Eindruck der Inszenierung im Bauturm-Theater mit, der dicht, expressiv, humorvoll, ruhig und aufwühlend zugleich ist.

Nuancenreich und feinfühlig spielt und rezitiert Christiane Bruhn den an Demenz erkrankten Vater Arno Geigers, August Geiger. Die szenische Lesung mit verteilten Rollen lässt uns Anteil nehmen, indem sie uns große Fragen des Lebens stellt: Was macht den Menschen aus? Die Sehnsucht „beleibt“ sich, rufend nach der Einsamkeit, die im Türrahmen steht, und der lange Schatten ihrer dünnen knochigen Finger ist in gnadenloser, greifbarer Nähe. Wie erträgt man das? Wann schlägt sie endgültig zu? Was für Möglichkeiten, was für Strategien entwickelt das Individuum, um damit umzugehen? Es ist unvorstellbar.

Im Anfangsteil der Lesung, die in Zeitsprüngen erzählt wird, werden der Geist – die unfassbare Innenwelt, das Sich-Zubewegen des Vaters – auf den immer leerer werdenden „Raum“ offenbart. Wie fühlt sich das an? Wir bekommen hier eine Idee davon. Eine erschütternde subjektive Idee von der Möglichkeit, den Phänomenen und den Auswirkungen der eigene Bewusstseinsprozesse und der Erlebniswirklichkeit, denen wir als Menschen in gefühlter Endlosigkeit plötzlich ausgeliefert sein können.

Es wird die Familiengeschichte erzählt, das Trauma, das den Vater verschließt für neue Erlebnisse und Reisen, aus Angst nie mehr nach Hause zu können. Unterstützt wird das durch das Bühnenbild von Flavia Schwedler, das in schwarz-weiß gehaltener Dreiecksform die sich nach hinten zuziehende und immer unbehaglicher werdende Welt des Vaters symbolisiert. Es zeigt wichtige Stationen und Versatzstücke, Erlebnisse des Lebens durch einige, den Verlauf der Krankheit schildernde, sich auf Wandvorsprüngen befindende Requisiten, Schreibmaschine aus den 50er Jahren, nostalgisch, lederner Wanderschuh, ein Laib Brot, eine Handystation mit Handy, ein ebenso ungekünstelt gestalteter Thron, der aus der „Niemandswand“ im Niemandsland heraushockt, ein mobiles Bauelement mit transparentem Flaschenturm.

 

„Meine Schuhe haben nicht die richtige Übersetzung“. Christiane Bruhn als Vater/ Foto: Meyer Originals.

 

Über nachhaltig in Erinnerung bleibende Bilder inszeniert Regisseur Rüdiger Pape des Vaters inneren Zerfall und die schmerzhafte Erkenntnisreise des Sohnes, der ihn begleitet: Auf dem Exilthron sitzend, von seinen Erlebnissen des Kriegsendes erzählend, lässt der Vater erkennen, dass dieser beängstigende Zustand von damals ihn längst eingeholt hat und ihn nun dauerhaft gefangen hält. Unfähig „nach Hause zu gehen“, in tiefer Heimatlosigkeit, erforscht er in einem Stadium der Krankheit die Straßen der Stadt durch ausgiebige Nachtwanderungen. Auf Sinnsuche, auf Suche nach Daseinsberechtigung, auf der Suche, sich über die Empfindung nochmal selbst zu behaupten.

„Meine Schuhe haben nicht die richtige Übersetzung“, sagt er mit pragmatischem Unterton. Auf tönernen Füßen, mit dem Hauch einer Ahnung, suchend, nach dem, was nicht mehr selbstverständlich ist, wenn wir uns selbst abhanden kommen. Wenn wir heimat – und zugehörigkeitslos sind. Ähnlich wie im Krieg? In der Anarchie, wo bestehende existentielle, sicherheitsspendende Strukturen auseinanderfallen. Und jene Strukturen stoisch, mit unserer, sich gegen die Verwirrung aufbäumender, ureigener „Privatlogik“, rudimentär wieder zusammengesetzt werden müssen. So können wir über eine Abwehrhaltung als einzige Möglichkeit unsere Würde und unser Dasein sinnvoll aufrecht erhalten. Damit wir einer noch stets gegenwärtigen, unbewussten, aber doch klar spürbaren Sehnsucht überhaupt hinterherjagen können.

Das Bild der Diavorführung am achtzigsten Geburtstag des Vaters. Er sitzt auf einem jener weißen Module (Bühnenausstattung), die für die Beweglichkeit, die Veränderungen und Projektionen unseres Lebens stehen. Die Dias werden, sowie an die Wände, als auch auf ihn projiziert. Er sitzt in den Lichtstrahlen seines eigenen Lebens. Sie sind weiß, leer, inhaltslos. Ein Nichts.

Stark sind die Interviews und Bestandsaufnahmen des Sohnes die er mit seinem Vater in regelmäßigen Abständen führt. Wenn es nichts mehr gibt, das uns persönlich berührt, was für Fragen kann man uns stellen? Welche Antworten und Assoziationen haben wir, elegant „verprivatisiert?“

In der Tiefe der Absurditäten, der humorvollen Dialoge (Vater/Sohn) ist es für den Sohn (sehr überzeugend gespielt von Chris Nonnast) eine wesentliche Erkenntnis, im Umgang mit der Krankheit sich letztlich mit ihr zu verbünden und sich mit dem Vater zu bewegen. In die Welt des Vaters zu gehen, um ihm dort liebe- und verständnisvoll noch einmal neu zu begegnen. Die noch verbliebenen und immer wieder aufblitzenden Module der Erinnerungen und Wesensmerkmale des Vaters aufzugreifen und gütig neu zusammenzusetzten. Ihn aus dem alten Rahmen zu entlassen und im neuen Rahmen zu entdecken und zu akzeptieren. In diesem neuen Rahmen, mit ihren persönlichen Kriegen und ihren Ambivalenzen, letztendlich eine weiterführende Verbindung, eine Nähe zu erfahren. In der Sensorik, im Augenblick einer Zärtlichkeit.

„Es trifft mich immer unvorbereitet“, so der Sohn, „wenn mir der Vater, mit einer Sanftheit, die mir früher an ihm nicht aufgefallen ist, die Hand an die Wange legt, manchmal die Handfläche, sehr oft die Rückseite der Hand. Es erfasste mich, dass ich nie enger mit ihm Zusammensein werde, als in diesem Augenblick. Ich werde mich immer daran erinnern. Immer. Immer. Oder mindestens, so lange ich kann.“
Spannend ist die Zusammenführung der sich im beständigen energetischen Austausch befindenden Schauspielerinnen, Chris Nonnast und Christiane Bruhn. Das Duo, das die sich dem Alltag entziehende Sprache und den Inhalt des Buches von Arno Geiger transparent verkörpert und mit distanzierter Selbstverständlichkeit, transportiert. Zeitlos und lebendig gespielt, wie die menschliche Erfahrung selbst. Es ist leicht, es ist tiefgründig. Wir geraten in eine starke emotionale Beteiligung. Wir sehen genauer hin. Es ist, trotz der Thematik, erfrischend und durch die ordentliche Portion Humor gut zu ertragen. Auch deswegen: unbedingt reingehen.

Isabel Hemming

„Der alte König in seinem Exil“ von Arno Geiger? im Bauturm Theater

Mit Christiane Bruhn und Chris Nonnast?

Inszenierung: Rüdiger Pape?

Bühnenbild: Flavia Schwedler?

Kostüm: Regina Rösing?

Weitere Termine:? ?7. /8. /9. 21./ 22. /23. März 2013, ?8./ 9./ 22. /23. April 2013
 

Text: Gastbeitrag

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