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Südstadt

Gespräch mit einer ehemaligen Widerstandskämpferin

Montag, 2. Juni 2014 | Text: Betsy de Torres | Bild: Jan Krauthäuser

Geschätzte Lesezeit: 6 Minuten

Es gibt Menschen, deren Mut und Zivilcourage inspirieren. Einer dieser Menschen  ist Gertrud Koch, geboren 1924 in Köln, Tarn-Name Mucki, Gruppe Edelweiß, Widerstandskämpferin. Bei unserem Treffen hat Frau Koch eine große schwarze Brille auf. Ein bisschen erinnert sich mich an Marlene Dietrich. Auf meinen erstaunten Blick hin lächelt sie und meint: „Liebchen, ich bin kein Filmstar, ich bin fast blind!“. Sie kann sich kaum bewegen, so schmerzhaft ist ihre Arthrose, aber das hindert sie nicht daran, weiterhin vor Schulklassen aufzutreten, um über ihr Leben zu sprechen. Es ist ihr ein Anliegen, den jungen Leuten von einer Zeit zu berichten, die heute als das dunkelste Kapitel in Deutschlands Geschichte gilt.  Während unseres Gesprächs ist ihre Stimme anfangs noch schwach, zerbrechlich, doch je weiter wir in die Vergangenheit reisen, desto kräftiger wird sie: Wir schreiben das Jahr 1930. Straßenschlachten zwischen Hitlers Schlägertrupp SA und kommunistischen Kampfverbänden sind an der Tagesordnung. Mucki ist gerade mal sechs Jahre alt.

   
Im Jahre 1933 wird Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannt. Wie haben die Kölner auf  Hitler und sein Drittes Reich reagiert?

Köln war sehr braun. Hitler und Goebbels kamen ja auch andauernd hier zum Opernhaus. Es gab  Massenaufläufe und Jubel.

Ihre Mutter hatte die Apotheke am Opernhaus. 

Ja, sie konnte Hitler, Goebels und Göring  genau ins Gesicht schauen. Wir hatten Angst. Am Neumarkt sangen sie, „Deutschland, Deutschland, überall-, und haben  Bücher verbrannt. Mama sagte, „Liebchen, es ist eine ganz böse Zeit.“

 

Insbesondere für einen  überzeugten  Kommunisten wie deinen  Vater. Wie hat er reagiert? 

Unsere  Freunde sagten „Wir haben verloren!“  Doch mein Vater glaubte wirklich, wir könnten uns wehren. Aber gegen diese Übermacht hatten wir keine Chance. Er wurde als Kommunist im KZ erschossen.

Wann wurde aus Gertrud Koch „Mucki“?

Schon als neunjähriges Kind saß ich auf dem Schoß von Papa und hörte den politischen Gesprächen zu. Seinen Kameraden gefiel das nicht, doch Papa sagte „Dat Kind bliev he!, Muckelchen soll wissen, was auf uns zukommt“.  Später in der Edelweißgruppe, als es zu gefährlich wurde, habe ich mich Mucki genannt.

Edelweiß. Wie kam es zu dem Name?

Im Jahre 1941, da haben wir schon im Untergrund gearbeitet, trafen wir uns am Felsensee. Wir haben überlegt, wie wir uns nennen können. Ich sagte, es gibt eine Blume, die ganz oben in den Gebirgen blüht und unter Naturschutz steht, die heißt Edelweiß. Und da war das Wort gefallen. Als wir damals  von der Gestapo verhaftet wurden, nannten sie uns „Piraten-Pack“, also Edelweiß-Piraten.

Wo war euer erstes Treffen?

Im Volksgarten, in der Südstadt. Der  Rosengarten war schön. Er lag einsam oben, abgetrennt. Wir haben uns als Liebesspärchen ausgegeben, bis die Luft rein war. Dann  Signale mit der Taschenlampe gesendet und unsere Lieder gesungen.

Wo habt ihr Euch  getroffen, als es in Köln zu gefährlich wurde?
Am Felsen-See im Siebengebirge. Der Rhein hatte Höhlen in den Felsen gebildet.  Dort konnten wir schlafen, keiner konnte uns sehen. Das war das schönste Versteck, das wir jemals hatten.
Jahre später, eines Abends in der Südstadt…Wir hatten uns Samstag  in der großen Wirtschaft an der Ecke am Volksgarten getroffen. Erst gingen wir um die Kneipe rum, wenn die Luft rein war, rutsch rein, und hinten durch in den Saal.
An dem Abend, waren unsere Freunde aus der Bündischen-Jugend da. Sie hatten Stellungsbefehle in der Tasche. Da sagten wir, Lass´ uns mal singen, wer weiß, ob wir uns je wieder sehen. Wir nahmen unsere Klampfen und sangen. Auf einmal ging die Tür, „Rums“,  auf. Die Gestapo, in schwarzen Ledermänteln, mit Gewehr in der Hand, stand da und schrie: „Hände hoch!“. Ich war wie gelähmt!

 

                
Wohin haben sie Euch gebracht?

Wenn ich mich nicht täusche, zum Appellhofplatz. Ich wurde  in den Hintern getreten. Die Jungen mit Fäusten ins Gesicht geschlagen. Kein Mensch hat mit uns gesprochen. Wir wurden in die Zellen geworfen. Da lagen wir drin, übereinander. Es war unheimlich. Kein Wasser, kein Essen, ein Eimer als Toilette, viele verängstigte Frauen. Eine unheimliche Mordsstille. Die Jungs, die bei uns waren, wurden direkt in die Strafkompanie 118 eingezogen und als Kanonenfutter an die Front gebracht. In diesem Haus (EL DE Haus) habe ich an die Wand gekritzelt, „Endlose Straße, wohin führst du mich?“

Wie ging es weiter?

Am anderen Morgen ging der Schlüssel im Schloss, „Ratsch“, das Geräusch werde ich nie vergessen, und der Erste wurde zur Vernehmung ´rausgezogen. Da haben wir den Hoegen kennengelernt. Er war der Übelste von den Gestapo-Beamten. Das erste, was er verteilt hat, waren Boxhiebe ins Gesicht und in die Rippen. Ein ganz übler Bursche. Ich trage noch heute ein Rippenkorsett. Dann folgte jede Stunde wieder „Ratsch“  und der nächste wurde rausgezogen. Wir haben vor Angst gezittert. 

Es folgten viele Verhaftungen. Du wurdest im Gestapo Gefängnis Brauweiler in Köln eingesperrt.

Ja, ich war 17 Jahre alt. Zu dieser Zeit saß der Adenauer auch da. Er wurde aber bevorzugt behandelt.  In Brauweiler habe ich  elf Monate  gesessen. Zwei davon in Einzelhaft. Da habe ich sehr viele Schläge auf den Kopf bekommen. Ich leide noch heute unter schweren Kopfschmerzen.

Wofür habt ihr das alles in Kauf genommen? Was war Euer Ziel?

Wir sehnten uns nach Freiheit. Wollten als Menschen und nicht als Arbeitstiere behandelt werden. Einfach unsere Lieder singen und in Freude leben.

Was für eine Rolle spielte die Musik?

Die hat uns Mut und Kraft gegeben. Sie hat uns gezeigt, dass man kämpfen muss, wenn man was erreichen will.

Wir feiern zum zehnten Mal das Edelweißpiratenfestival im Friedenspark. Das Thema dieses Jahr heißt „ Endlose Straßen“, eines deiner Lieblings Lieder…

„Endlose Straßen“  hat mich ein Leben lang begleitet. Wir sangen das Lied, als es verboten war, auf heimlichen Treffen. Ich sang es auf meiner Flucht aus Deutschland und wir sangen es, als meine Mutter und ich zu Fuß von der Schweiz nach Köln in die Heimat zurückgelaufen sind. Und als mein geliebter Ehemann Willy verstarb (vor zwei Jahren) sangen wir als letzten Gruß, „Endlose Straße, wo führst du uns hin?“

Wie findest du es, wenn die Musiker heute  die „alten“ Lieder „neu“ interpretieren?

Manche sind schön, manche sind nicht so schön. Ich finde es nicht gut, die alten Lieder zu modernisieren oder umzudichten. Ich bin halt altmodisch.

Was empfindest du, wenn du heute die Plakat- Werbung der Rechten politischen Gruppen mit Parolen wie „ Lass die Wut raus“, oder Ähnlichem siehst? 

Das haben die Deutschen noch lange nicht kapiert. Genau wie damals. Sie wissen nicht, welches Leid wir im Krieg durchlebt haben. Viele können es nicht glauben und manche behaupten sogar, es sei nicht wahr. Unglaublich!

Nach jahrelanger Verleumdung und Missachtung der Edelweiß Piraten, hast du 2011 zusammen mit Hans Fricke, Peter Schäfer, Wolfgang Schwarz und Fritz Teilen das Bundesverdienstkreuz am Bande erhalten. Als Ehrengast war der bereits 1991 mit diesem Orden ausgezeichnete Jean Jülich eingeladen. Ein großer Tag für Dich?

Ja, wir wurden endlich rehabilitiert. Als vermeintlich Kriminelle wurden wir als Widerstandskämpfer anerkannt.

Was ist das für ein Gefühl, wenn tausende Menschen zu Ehren der unangepassten Jugend des Dritten Reiches, zu der du gehörtest, das Edelweißpiratenfestival besuchen?

Ein sehr schönes Gefühl!

 

Einer deiner prominentesten Fans, ist die Nummer Eins in Köln. Oberbürgermeister Jürgen Roters. Kennt Ihr Euch gut?

Ja, er sagte mir, „Ich kenne dich schon aus meiner Zeit als Kölner Regierungspräsident. Ich finde es wichtig, dass die Bürger, nicht nur aus Köln, erfahren, was ihr als Edelweißpiraten geleistet habt.“

                
Zwangsarbeit, Gefängnis, die Ermordung Deines Vaters, Folter, Verhöre, Flucht, Angst – wie ist es möglich, dass Du mir mit einem Lächeln und einem „Liebchen“ auf den Lippen begegnest?

Mein Naturell, das habe ich von meinem Vater geerbt. Papa war eine  Kölsche Froh-Natur!

Wie  hast du es geschafft, zu überleben, ohne vor Bitterkeit zu sterben?

Ich habe sechzig Jahre eine gute Ehe mit meinem Willy gehabt.  Einer war für den Anderen da. Das hat mir viel Kraft gegeben.

 

Du bist gerade 90 Jahre alt geworden, schenkst du mir/uns eine Lebensweisheit?

Ins Poesie Album schrieb mir mein Vater: Mein Liebchen Gertrud: Lerne Menschen kennen, denn sie sind veränderlich, die sich heute Freunde nennen, schwätzen morgen über dich. Das habe ich mir sehr gut gemerkt – das ist ein wahres Wort.   Mein Papa hatte Recht!

Mucki, vielen Dank für dieses Gespräch!

Mehr im Netz

www.edelweisspiratenfestival.de/
www.facebook.com/events/543778225732847/

 

Text: Betsy de Torres

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