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Politik

Keine Lösung ohne Assad?

Freitag, 13. Dezember 2013 | Text: Jörg-Christian Schillmöller | Bild: Dirk Gebhardt

Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten

Karfreitag 2013: Jörg Armbruster – langjähriger ARD-Korrespondent – wird in Aleppo durch einen Heckenschützen schwer verletzt. Er überlebte und schrieb ein Buch: Brennpunkt Nahost – die Zerstörung Syriens und das Versagen des Westens. Im Freien Werkstatt Theater hat er gestern Abend (12.12.2013) aus seinem Buch gelesen. „Meine Südstadt“ hat vorher mit ihm gesprochen.

Meine Südstadt: Herr Armbruster, wie geht es Ihnen?
Gut. Ich freue mich hier zu sein, in der Südstadt. Ich habe lange hier gelebt, jenseits der Nord-Süd-Fahrt. Es ist richtig schön hier.

Haben Sie sich gut erholt von Ihren Verletzungen in Syrien?
Ja. Ich habe den Sommer damit verbracht, meine Hand wieder einigermaßen in Ordnung zu bringen. Ich kann viel mit ihr machen, zum Beispiel die Finger so bewegen, dass ich auf dem Laptop das Buch schreiben konnte.

Erklären Sie uns, wie man es überhaupt schafft, in dem Land zu arbeiten.
Da gibt es gar nicht so viel zu erklären. Ich bin Reporter, aber in Damaskus kann ich mich nur am Gängelband des Informationsministeriums bewegen und muss mir viele Dinge vorschreiben lassen. Aber oben im Norden Syriens, als wir dort in der Osterwoche waren, da konnten wir sehr gut arbeiten, und es war spannend, weil wir Dinge gelernt haben, die wir vorher nicht kannten.

Der ARD-Reporter Björn Blaschke war mit einer Brigade der Rebellenarmee unterwegs – seither lässt ihn das syrische Regime nicht mehr hinein.
Ich bin ja jetzt genauso betroffen von dem Einreiseverbot nach Damaskus. Wir hatten das im Büro so aufgeteilt: Einer hält sich den Rücken frei und geht nicht auf die Seite der Rebellen, weil er dann für Damaskus verbrannt ist. Ich bin in Damaskus gewesen, und ein Kollege aus Istanbul war dann in der Zeit bei den Rebellen. Aber jetzt für eine große Sendung habe ich entschieden: Jetzt will ich auch auf die Rebellenseite. Und seitdem ich dort war, bin ich für Damaskus verbrannt und bekomme kein Visum mehr.

Hat sich der Konflikt auch aus Ihrer Sicht so stark zu einem religiösen Konflikt entwickelt?
Religion wird benutzt, um einen politischen Konflikt ein Stück weit zu legitimieren. Religion ist von Assad sehr früh ins Spiel gebracht worden. Die Aufständischen, die Demonstranten ganz am Anfang hatte er sehr schnell als sunnitische Terroristen, als Extremisten bezeichnet, die vom Ausland gesteuert werden – was schlicht nicht zutrifft. Inzwischen sind die Islamisten tatsächlich angekommen im Norden Syriens. Aber das war keine Weitsicht von Assad, das war eine sich selbsterfüllende Prophezeiung: Je länger der Konflikt dauert, je mehr Gewalt stattfindet, desto eher radikalisieren sich die Menschen leider. Und dann haben auch andere Länder wie Saudi-Arabien eine religiöse Komponente in diesen Konflikt hineingebracht, eine sunnitisch-schiitische Komponente. Tatsächlich geht es um einen Machtkampf zwischen dem Iran und Saudi-Arabien und den übrigen Golfstaaten. Aber wenn man nur von Machtkampf redet, klingt das nicht so schön wie: Hier findet ein Religionskampf statt.

Differenzierte Bilder werden leider oft nicht gewünscht. Welchen Eindruck haben Ihnen die Menschen vermittelt? Viele sagen: Wir sind vom Regen in die Traufe gelangt. Erst hatten wir das Regime Assad, und jetzt bekommen wir die Islamisten wie die Nusra-Front.
Als ich Ostern dort war, da war das für uns schon zu ahnen. Aber damals war zum Beispiel die Nusra-Front noch nicht so stark und die Brigade ISIS (Islamischer Staat in Syrien und im Irak) gab es noch nicht. Inzwischen sind viele Menschen, die damals noch optimistisch und bereit waren, sich selbst zu verwalten und ein neues Syrien aufzubauen: Die sind vertrieben worden. Sie fliehen nicht mehr vor den Fliegerbomben des Assad-Regimes, sondern vor den sunnitischen Al-Kaida-Extremisten.

 

„…ein Versagen des Westens, … auch ein Versagen Russlands…“ sagte Jörg Armbruster im Freien Werkstatt Theater.

Sehen Sie ein Versagen der internationalen Gemeinschaft? Russland und China haben, glaube ich, drei Mal Resolutionen im UNO-Sicherheitsrat blockiert.
Es ist nicht nur ein Versagen des Westens, es ist auch ein Versagen Russlands, das ein Interesse daran hatte, den Konflikt dort weiter zu schüren. Ob der Westen hätte militärisch eingreifen sollen, ist eine sehr riskante Frage. Syrien ist nicht Libyen, und ein militärisches Eingreifen hätte dort ganz andere Folgen. Wegen des Irans, wegen Israel, wegen des instabilen Libanons. Der Westen – USA und EU – hätten viel stärker humanitär eingreifen können. Nicht nur Mullbinden schicken, sondern Feldlazarette, Räumgeräte, so etwas. Das hätte den Menschen das Gefühl gegeben: Die lassen uns nicht im Stich.

Ein Blick in die Zukunft: gibt es überhaupt noch einen Weg mit Assad?
Das ist die große Frage. Die wird in Genf am 22. Januar diskutiert, mit allen Beteiligten an dem Bürgerkrieg und dem Stellvertreterkrieg. Die Opposition sagt: Nein, wir wollen nicht mit Assad. Aber Assad ist im Augenblick so stark, dass ich fürchte, es wird keine Lösung ohne ihn geben. Er wird eingerahmt werden von Oppositionspolitikern, aber wie das geschehen soll, kann ich nicht sagen. Und die militärische Opposition im Norden hat schon erklärt, dass sie sich nicht an die Beschlüsse halten wird. Und man kann davon ausgehen, dass die Al-Kaida-nahen Gruppen das mit Sicherheit auch nicht tun werden.

Können Sie uns einen Überblick über die syrische Opposition geben, die immer weiter zerfasert ist?
Das ist sehr schwer. Das ist einmal die Exil-Opposition, die sich in der Syrischen Nationalkoalition zusammengeschlossen hat – mit den Linken bis hin zu den Muslimbrüdern, aber die sprechen mit Blick auf Genf nun mit einer Stimme, und das hat sehr lang gedauert. Es gibt dann die innersyrische Opposition. Aber sie erkennt die Exilopposition überhaupt nicht als Sprecher der gesamten Opposition an.

Umgekehrt auch nicht.
Und dann gibt es von der gemäßigten Freien Syrischen Armee bis hin zu Al Kaida in Syrien so ziemlich alles, was man sich an Gutem und Schlechten vorstellen kann. Im Augenblick scheinen Gruppierungen wie Al Kaida, die Nusra-Front und die ISIS-Brigaden zu dominieren.

Was für Quellen für unsere Nachrichtensendungen gibt es noch? Welche kann man verwenden?
Das ist schwer zu sagen. Es gibt ein paar Organisationen, auch in Deutschland, auf die man sich einigermaßen verlassen kann. Zum Beispiel „Adopt a Revolution“. Die haben gestern bekanntgegeben, dass eine Menschenrechtsanwältin entführt worden ist, und man weiß nicht, was mit ihr passiert ist. Aber man muss höllisch aufpassen. Gerade im Zusammenhang mit Christen wird der Westen immer wieder vom Informationsministerium mit Gräueltaten gegen Christen versorgt, die nicht stimmen. Es gab lange Reporter, die immer wieder hineingegangen sind. Heute gehen sie wegen Al Kaida auch nicht mehr hinein.

Was war für Sie eine bemerkenswerte Situation auf Ihren Reisen in Syrien?
Es waren zwei Begegnungen in Damaskus mit Oppositionellen. Einer bekannte sich offen, den anderen musste man heimlich besuchen. Die haben mich mit Informationen und Meinungen versorgt, obwohl sie hochriskant gelebt haben. Und einer – Abdul Aziz al-Khair – der sagte früh: Die Lage wird zu immer mehr Extremismus führen, und das ist eingetreten. Der Mann ist verschwunden, er ist wahrscheinlich tot. Auch im Norden habe ich erstaunliche Menschen kennengelernt, die versuchen, ein bisschen Normalität aufzubauen. Obwohl die Region mit Scud-Raketen beschossen wird, weil Assad versucht, die Gegen unbewohnbar zu machen. Diese Menschen haben mir imponiert. Die Gewalttäter nicht.

Herr Armbruster, vielen Dank.

 

Brennpunkt Nahost. Die Zerstörung Syriens und das Versagen des Westens.

Jörg Armbruster

Westend Verlag. 17,99 Euro.

 

Text: Jörg-Christian Schillmöller

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