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Kultur

Konfrontation beim Kaffeekränzchen

Mittwoch, 26. August 2015 | Text: Alida Pisu | Bild: Barbara Siewer

Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten

„Der Gott des Gemetzels“, eine der weltweit meist gespielten Komödien von Yasmina Reza, 2011 auch von Roman Polanski verfilmt, hat am 27. August Premiere im Theater am Sachsenring. Das Theater kann 2015 sein 28jähriges Bestehen feiern und auf eine lange Reihe ebenso erfolgreicher wie beeindruckender Inszenierungen zurückblicken. Meine Südstadt hat dem TAS einen Probenbesuch abgestattet.

Eine Rauferei zwischen zwei Jungs endet mit ausgeschlagenen Zähnen und hat unerwartete Folgen. Treffen sich doch die zugehörigen Elternpaare, gut situierte, kultivierte und politisch korrekte Leute, bei Kaffee und Kuchen zu einem klärenden Gespräch. Was als Friedensgipfel beginnt, artet in eine fulminante Zimmerschlacht aus, in der das Faustrecht der Prärie gilt.

Die Rollen sind scheinbar klar verteilt: hier die Eltern Annette (Bettina Scholmann) und Alain (Julian Baboi) des bösen Buben Ferdinand auf der Arme-Sünder-Bank. Dort die Eltern Véronique (Doris Lehner) und Michel (Richard Hucke) des Opfers Bruno, die sich mit einem schwarzen Würfel begnügen müssen, auf dem nur eine Person Platz nehmen kann. Zwischen ihnen zwei Stapel Kunst-Bücher und ein Strauß Tulpen.

Annette und Alain  sind die schick gestylten Prototypen des modernen Business-Menschen: sie ist Vermögens-Beraterin, Alain arbeitet als Jurist für einen Pharma-Konzern. Véronique und Michel wiederum verkörpern das Gutmenschentum in Reinkultur: Véronique schreibt an einem Buch über den Dafour-Konflikt und hat ein Abonnement auf penetrante Sozialkritik. Michel führt einen Eisenwarengroßhandel, in dem er u. a. Klospülungen verkauft und er sieht so aus, als könne er kein Wässerchen trüben.

 

Irgendwie wirken sie überhaupt allesamt nett, wie sie sich bei einem Stückchen Apfel-Birne-Clafoutis über Kindererziehung und Backrezepte austauschen und beredt klassischen Small-Talk betreiben. Dieses Bild jedoch hat nur so lange Bestand, bis Alain das erste von unzähligen Handy-Telefonaten führt, das sich um eine heikle Studie dreht. Hat sich doch herausgestellt, dass der Pharma-Konzern ein Medikament mit schweren Nebenwirkungen vertreibt. Alain zeigt sich als zynisches Arschloch, dem Menschenleben ganz egal sind. Was einzig zählt, sind 150 Millionen Dollar Jahresumsatz. Bricht der Umsatz weg, ist Alain seinen Job los. Dann doch lieber gewissenlos agieren und aufs Leugnen, Betrügen, Verschleiern drängen.

Hören Gattin und Gutmenschen ihm zunächst noch gespannt zu, werden sie zunehmend desinteressierter, reden dazwischen, überschreien sein Schwadronieren, umkreisen ihn bedrohlich. Das ist hübsch choreographiert und spiegelt die zunehmend aufgeheizte Stimmung wider. Schließlich gerät die Gattin über ein Telefonat so in Rage, dass sie auf einen Kokoschka-Band kotzt. Spätestens ab diesem Moment lösen sich alle Strukturen auf. Die Ehen sind rissig, die Lebenslügen werden entlarvt und die Protagonisten erweisen sich als dünnhäutig. Michel hat Knusperinchen, den Hamster seiner Tochter, auf der Straße ausgesetzt, weil er Nagetiere hasst. Ist Knusperinchen nun tot? Warum hat Véronique nichts dagegen unternommen? Niemand weiß es. Nur Ausreden und Rechtfertigungen. Und Angriffe und bohrendes Nachfragen der Anderen, die nun munter die Fronten wechseln, während ein allgemeines Besäufnis anhebt, das die letzten Schichten an Zivilisation davonfegt und völlig enthemmt. Véronique setzt sich auf Alains Schoß und beklagt sich über Michel, Annette bekreischt ihre Ehe-Hölle, man prügelt einander. Alains Handy landet in der Blumenvase, Kommentar  Annette: „Männer hängen zu sehr an ihrem Zubehör, das macht sie klein“. Kurz und klein gemacht wird auch der Blumenstrauß. Es geht wortwörtlich Schlag auf Schlag. Dabei waren sie doch alle besten Willens und was ist passiert: sie landen im Gemetzel…

 

Die Inszenierung ist sehr unterhaltsam, reich an Tempo und Pointen, die Schauspieler liefern sich veritable Schlagabtausche und man sieht ihnen mit Vergnügen dabei zu. Gibt es etwas Ergötzenderes, als den Nachbarn (oder gar sich selbst, denn ein bisschen was von ihnen steckt doch in uns allen) dabei zuzusehen, wie sie sich selbst zerfleischen, wie sie sich streiten, sich fetzen, einander entblößen? Vor allem aber: wie sie sich wandeln: die feinen Damen mutieren zu Furien, Michel lässt den Berserker raus, Alain ist der Einzige, der sich selbst treu und wie er ist bleibt.

Und dann können sie einem fast schon wieder leid tun, als sie am Schluss ihrer Schlacht wie Elendsgestalten auf der Bühne sitzen und aussehen als wären sie gerupfte Hühner. Federn mussten sie jedenfalls zur Genüge lassen. Und wenn noch Hoffnung besteht, dann nur für den Hamster Knusperinchen, der vielleicht doch nicht tot ist, sondern gerade irgendwo einen Festschmaus verzehrt.

 

Ein Festschmaus für Augen und Ohren ist er jedenfalls, „Der Gott des Gemetzels“ unter der Regie von Joe Knipp. Hingehen, genießen und lauthals lachen, weil die Schlacht so schön ist! Und das überzeugende Ensemble mit Applaus überschütten, er ist verdient!

 

„Der Gott des Gemetzels“ von Yasmina Reza
Mit Bettina Scholmann; Julian Baboi; Doris Lehner; Richard Hucke
Inszenierung: Joes Knipp
Die nächsten Termine: 28., 29. August, 3., 4., 5., 26. September, 8., 9., 10., 15., 16., 29., 30., 31. Oktober
Theater am Sachsenring, Sachsenring 3, 50677 Köln
 

Text: Alida Pisu

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