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Kultur

Liebe Erdmöbel,

Donnerstag, 15. September 2011 | Text: Jens Rosskothen | Bild: Dirk Gebhard

Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten

als ich mich in unserer Redaktionssitzung bereit erklärte, ein Interview mit Euch bezüglich der neuen CD „Retrospektive“ zu führen, war mir nicht ganz klar, dass sich bei der vorausgehenden Recherchearbeit vor allen Dingen zwei Gefühle herauskristallisieren sollten.

Zuerst war da der Neid. Neidisch schaute der Musiker auf Eure spätestens seit dem Album „Krokus“ (2010) steil nach oben verlaufende Erfolgskurve. Repräsentativ hierfür steht auch der prozentuale Fananteil in unserer Redaktion.
Und wenn der Neid die kleine, griesgrämige Schwester der Anerkennung ist, dann ist die Wut der bösartige große Bruder.
Also lud ich ein zum Familientreffen der unreflektierten Gefühle und dachte wütend, deutsche Texte, die keiner kapiert und jeder analysiert, dazu ein Kassenbrillengestell aus den 70ern auf der Nase des dahinter introvertiert und neurotisch ernst guckenden Sängers: Das ist Planspiel ohne Tiefgang. Und überhaupt, warum interviewt eigentlich mich keine Sau…!?

Also, liebe Erdmöbel, fuhr ich mit dieser Wut im Bauch und dem Neid hinter der gerunzelten Stirn zu dem Interviewtermin in Eurem Tonstudio. Und als ich dort klingelte, packte ich noch schnell das Vorurteil oben drauf, dass mir jetzt gleich mit Sicherheit ein paar arrogante, wenn nicht gar zynische Herren meines fortgeschrittenen Alters gegenübersitzen.

Und dann kam natürlich alles ganz anders. Da saßt Ihr nun, drei Musiker der vierköpfigen Band, um Euch herum unzählige Gitarren und andere Instrumente in chaotisch kreativer Systematik und wirktet, mein lieber Markus Berges, lieber Ekki Maas und lieber Wolfgang Proppes, undramatisch sympathisch. Wer schon Interviews von mir gelesen hat, wird feststellen, dass etwaige, zweifelnde Vorurteile meinerseits im Moment der tatsächlichen Begegnung zumeist von einer naiven, durchweg positiven Offenheit ersetzt werden. Man mag das Harmoniesucht nennen, oder einfach nur Erkenntnis.

Und natürlich hatte ich längst erkannt, dass Ihr, liebe Erdmöbel, einfach sehr gute, deutschsprachige Popmusik macht. Handwerklich vom Feinsten und durch verschiedenste Stilrichtungen wandernd, bleibt Ihr doch immer wieder erkennbar. Das mag, lieber Markus Berges, an Deinen Texten liegen. Denn Du schaffst es wie sonst kaum einer in unserem Lande, Texte zu schreiben, die klingen. Texte, wo man ständig dahinter gucken möchte. Was man besser sein lässt, denn sie nehmen den direkten Weg ins Fühlen. Und das in meiner Muttersprache. So etwas erlebe ich sonst nur bei fremdsprachiger Musik. Da kann es jedoch passieren, dass ich einen ganzen Song lang zärtlichste Gefühle für meine Liebste assoziiere, während der Sänger über Massentierhaltung philosophiert.
Das würde mir bei Deinen Texten, lieber Markus, natürlich nicht widerfahren, zumindest nicht so offenbar. Deine Texte haben Gehalt, keine Frage. Entscheidend aber ist, dass sie den Sinn in sich selbst tragen und somit der Sinnlichkeit Platz machen. Man erlebt sie unmittelbar. So wie die Musik. Und das ist es, was Euch ausmacht.
Wie zum Beispiel bei dem auf der neuen CD wiederbelebten, wunderbar eingängigen „Für die nicht wissen wie“. Die Strophe erinnert mich mit den gradlinig marschmäßigen Snaretaktschlägen, unterstützt von der ebenso agierenden Gitarre, an den Sound der Beatles in Zeiten von ‚Sergeant Pepper‘, bis mich in der Bridge die Stimme und besagte Gitarre rhythmisch stolpernd in den Refrain spucken. Da habe ich dann schon aufgegeben, die Bildsprache dekodieren zu wollen, „Anglermotiv auf einer Dose corned beef“ erfasse ich nur als Klang in seiner sinnfrei sinnigen Bedeutung. Und ich finde mich wieder, wo Du, lieber Markus, mit dem Titel jonglierst, bis er als Frage sämtliche Zweifel beantwortet.

Als hätte sich der Sprössling von Rio Reiser und Tom Waits mit Mineralwasser besoffen und würde nun mit trunkener Nüchternheit seine optimistische Melancholie gen Himmel singen. Spätestens hier stehe ich mit Euch, liebe Erdmöbel, und all‘ den assoziierten Charakteren auf irgendeinem vom warmen Posaunenklang herbeigeblasenen Weihnachtsmarkt, Schneeflocken im grinsenden Gesicht, Textfetzen wie „rotes Regenschirmetui“ im Herzen und bin nun losgelöster Teil dieser feierlichen Hymne.

Da kann man sehen, was passiert, wenn Texte zu Musik werden, die Klangfarbe der Worte mit den anderen Instrumenten tanzt, und sich so ein geschlossenes Ganzes ergibt, das Ihr mir zum Spielen zuwerft.

Aber das wisst Ihr ja selbst. Letztlich habt Ihr erzählt, wieviel Arbeit dahinter steckt. Dass da nicht vier Junggebliebene im Studio zusammenhocken, Bier trinken und ’ne Menge Spaß haben. Rock’n Roll halt. Doch entspannten Spaß habt Ihr erst nach getaner Arbeit. Auf der Bühne, wenn der kreative Schaffensprozess im Kontakt mit dem Publikum belohnt wird.

So etwas speziell Gutes, das habe ich begriffen, bedarf konzentrierten Arbeitens. Die fehlende Kaffeemaschine im Studio, weil überhöhter Blutdruck morgens um 8:30 Uhr nur den fokussierend konzentrierten Blick auf das Wesentliche schwächt, spricht für sich.

Und nun habt Ihr 16 Jahre Erdmöbel auf eine CD gebracht. 17 Lieder aus verschiedensten Schaffensphasen plus einen neuen. „Retrospektive“ habt Ihr das genannt. Auch wenn Markus sagt, dass es eher eine „Draufsicht“ als eine zeitlich aneinandergereihte Rückschau wäre. Und so klingen viele ältere Songs eingebettet in diese Konstellation auch überraschend neu. Ihr habt das nicht aus Nostalgie getan, lieber Ekki Maas, ich weiß. Vielmehr war es Eure eigene Neugier, diese „Draufsicht“ zu realisieren. Und so haben die Fans, die Euch erst seit dem einschneidend erfolgreichen Album „Krokus“ kennen, nun auch die Chance, 16 Jahre „Erdmöbel“ auf einer einzigen CD genießen zu können.
Und ich werde einer der ersten sein, die das tun.

Letztlich kann ich hier viel schreiben. Ich werde den Leuten lieber sagen, dass sie Euch hören müssen. Denn wenn jemand von der Muse geküsst wird und diesen Kuss weitergibt, dann sollte man die Tür öffnen und ansonsten die Schnauze halten.

Das dachte ich übrigens, liebe Erdmöbel, schon unmittelbar nach unserem Interview, als ich Euer Studio verließ. Ich nahm nochmals all‘ die Gitarren wahr, das Schlagzeug, das Klavier und diese ganze nach konstruktiver Kreativität riechende Atmosphäre.
Da klopfte wieder diese kleine, griesgrämige Schwester an, und neidisch stellte ich fest: Meine Wut. Wie weggeblasen!

Danke auch einstweilen,  hochachtungsvoll…

Jens Rosskothen

 

Der Autor ist Singer-Songwriter und lebt in Bayenthal. Hier geht’s zu seiner MySpace-Seite, und hier zur Website der Erdmöbel.

 

Am Freitag, 23.09.2011 erscheint mit „Retrospektive“ das neue Erdmöbel Album.

Text: Jens Rosskothen

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