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Gesellschaft

Nicht ohne meinen Hund!

Dienstag, 18. Juni 2013 | Text: Gastbeitrag | Bild: Piotr Grywocz/CC-BY-SA-3.0

Geschätzte Lesezeit: 6 Minuten

Viele Obdachlose besitzen einen Hund. Nicht selten reagieren Mitmenschen verständnislos: „Warum hält jemand, der sich nicht selbst versorgen kann, auch noch ein Tier?“ Auch in der Südstadt sind regelmäßig Obdachlose unterwegs, die ihren Hund dabeihaben. „Meine Südstadt“ hat für dieses Thema heute einen Gast: Das Obdachlosenmagazin DRAUSSENSEITER, das sein Büro in der „Oase“ gegenüber dem Rheinauhafen bei den Poller Wiesen hat.

 

Der DRAUSSENSEITER hat über das Thema „Tiere auf der Straße“ mit Ralf Promper, Einrichtungsleiter der Kontakt- und Beratungsstelle für Wohnungslose des SKM am Hauptbahnhof, gesprochen. Das Interview führte Andrea Neuhoff.

Draussenseiter: Man sieht häufig Wohnungslose, die mit ihrem Hund unterwegs sind. Hunde kosten Geld. Warum hält jemand, der am Existenzminimum lebt, einen Hund?
Promper: Das hat viele Gründe, emotionale, soziale oder praktische. Manchmal ist der Hund die einzige Erinnerung an das frühere Leben, die man nicht weggeben will. Man hat Familie, Job, Haus und Freunde verloren, aber der Hund ist geblieben, als einziger Freund und Sozialpartner. Er ist jemand, dem ich meine ganze Zuwendung schenken kann. Und er gibt sie mir, ohne die Nase zu rümpfen, dankbar zurück. Ein Hund streitet sich nicht mit mir, also wird er infolge dessen auch nicht weglaufen, wie es Menschen tun. Gerade junge Leute verspüren große Sehnsucht nach einer Familie oder einem Partner. Die meisten Wohnungslosen würden alles für ihren Hund tun. Viele verzichten auf ihr Essen, damit der Hund nicht hungert. Tatsache ist, dem Tier geht es oft besser als dem Besitzer, es ist dann besser gepflegt als der Mensch. Der Hund gibt dem Leben etwas Struktur, und man muss Verantwortung übernehmen. Er hält seine Besitzer manchmal sogar davon ab, kriminell zu werden und im Gefängnis zu landen. Dann müsste man nämlich den Hund weggeben, für viele Wohnungslose ein Drama ohne Gleichen. Für die Besitzer ist das Tier wie ein wertvoller Schatz.

Katzen können auch Sozialpartner sein, Ratten waren einmal als Begleiter angesehen. Diese Tiere kosten im Gegensatz zu Hunden keine Gebühren oder Versicherung.
Promper: Ja, das stimmt, aber Tierarzt- und Futterkosten fallen trotzdem an. Die sind generell ein Problem. Eine Tiertafel gibt es in Köln nicht, wenige Anlaufstellen geben kostenfrei Tierfutter aus. Und einen Tierarztbesuch kann sich erst recht keiner leisten. Einige Wohnungslose legen dafür, sofern möglich, von Hartz IV etwas zurück oder sparen ihn sich lange vom Munde ab. Soweit ich weiß, gibt es nur ein Tierarztprojekt in Köln, bei dem Obdachlose sich anmelden können. Andere Städte sind da weiter. Einmal im Monat behandelt der Arzt dann gegen eine geringe Gebühr Verletzungen und Krankheiten, impft und entwurmt. Eine Kastration ist teuer, aber wichtig und für arme Menschen nur über Finanzierung machbar. Leider ist die Nachfrage nach dem Projekt so groß, dass nicht jeder vermittelt werden kann. Das Geld reicht dafür schlicht nicht, auch die Verwaltung kostet. Immerhin ist das, was da ist, schon eine große Hilfe! Ich würde mir wünschen, dass sich mehr Tierärzte oder Studenten der Veterinärmedizin ehrenamtlich oder in Kooperation mit Einrichtungen engagieren. Ich kann mir auch Erziehungskurse für Hunde vorstellen. Der Bedarf ist mehr als gegeben. Gut ist dabei außerdem, dass wir über das Tier einfacher an den Menschen rankommen.

 

„Es müsste mehr Projekte für Wohnungslose mit Hunden geben.“, sagt Ralf Promper./ Foto: Heidi Breer

Aber warum müssen es – trotz der Kosten – gerade große Hunde sein?
Ganz praktisch gesehen, übernimmt der Hund ja auch eine Wachaufgabe. Wenn Sie sich umschauen, werden Sie sehen, dass es meist größere Hunde sind, die mit ihren Besitzern umherziehen. Es kommt oft vor, dass Wohnungslose ausgeraubt und überfallen werden. Frauen auf Platte laufen Gefahr vergewaltigt zu werden. Gerade wer allein unter freiem Himmel schläft, ist angreifbar. Wenn sich nachts jemand nähert, schlägt der Hund an und weckt seinen Halter oder lässt fremde Menschen nicht an ihn ran. So hat man am nächsten Morgen noch seine wenigen, aber wichtigen Habseligkeiten. Ein Hund spendet nachts natürlich auch Körperwärme und das Band zwischen Mensch und Hund ist, im Gegensatz zur unabhängigen Katze, sehr eng. Naja und dann kann das Tier ein Schnorrfaktor sein. Über einen Hund kommen Menschen schneller ins Gespräch und Obdachlose so ein Stück weit heraus aus der gesellschaftlichen Isolation. Hunde lassen sich dressieren, da war der kleine TV-Star Püppi ein berühmtes Beispiel. Es gibt Straßenzeitungsverkäufer, die sagen, sie verkaufen besser, wenn ihr Hund sie begleitet. Was diesen Hundebesitzern besonders weh tut ist, wenn nur der Hund angesprochen wird, als sei der Mensch dahinter nichts wert. Das höre ich immer wieder und ganz extrem war das, als Püppi gestorben war. Der Hund war weg, niemand interessierte sich plötzlich mehr für den Besitzer. Er hat sehr darunter gelitten.

Hunde sind also ein wichtiger Begleiter, Schutz, Stabilitätsfaktor und Kommunikationshilfe. Dennoch dürfen Wohnungslose ihre Hunde häufig nicht in Notschlafstellen und andere Hilfseinrichtungen mitnehmen. Warum?
Promper: Das ist ein Dilemma und ein Eiertanz für uns. Da fehlen oft schlichtweg finanzielle Lösungsmöglichkeiten. Wer zahlt Unterkunft, Pflege, Futter und die zusätzlichen Arbeitskräfte und Ausbildungen? Es gibt leider kaum Projekte speziell für Wohnungslose mit Hund. Generell liegt der Fokus in unserer Arbeit aber eben auf dem Menschen. Wir dulden Hunde im SKM, obwohl das nicht unsere eigentliche Aufgabe ist. Wir wollen sie nicht ignorieren, weil sie ein wichtiger Kontaktfaktor sind. Ich verstehe auch, wenn andere Einrichtungen das nicht können oder sich nicht zutrauen. Wir handeln einfach im Rahmen dessen, was möglich ist. Alle Gäste im SKM wissen, wessen Hund knurrt oder schnappt, der fliegt raus. Die Hunde müssen gehorchen, gut erzogen und stubenrein sein. Manchmal ist es hier so rappelvoll, dass ich über sie drübersteigen muss. Ich hatte nie einen Hund, habe mich aber an sie gewöhnt. Manche Gäste haben allerdings Angst oder eine Allergie und auch diese Menschen müssen Anlaufpunkte finden. Dann sind da natürlich Hygienevorschriften, die eingehalten werden müssen. Ein Hund im Bett, das geht eben nicht. Meist stehen in den Notschlafstellen mehrere Betten in einem kleinen Raum, es ist zu eng, es gibt Streit. Das will man verhindern und nur Einzelzimmer, das ist nicht zu packen. Da ist wohl keine finanzierbare Lösung in Sicht. Es stimmt, dass viele Wohnungslose dann im Winter lieber auf der Straße übernachten, als ihren Freund den Hund draußen oder in einem Zwinger zurückzulassen.

Sie sagen, Hunde müssen gehorchen und gut erzogen sein. Haben Sie im SKM schlechte Erfahrungen gemacht?
Promper: Bislang nicht, zum Glück. Ich finde es erstaunlich, wie gut das oft mit der Erziehung klappt und wie sehr der Hund und sein wohnungsloser Besitzer aufeinander eingestimmt sind. Da könnte sich manch ein Hundebesitzer etwas abschneiden. Klar gibt es auch Grenzen und Problemfälle. Meine Meinung ist, maximal zwei Hunde sind genug. Die Verhältnismäßigkeit muss stimmen, die Tiere müssen gut versorgt werden. Leider erlebe ich es auch, dass Halter mit einem Tier überfordert sind. Etwa, wenn Alkohol oder Drogen im Spiel sind. Ich kannte jemanden, dessen Hund war sehr gut erzogen. Der Besitzer machte soweit einen stabilen Eindruck. Als ich dann hörte, das Ordnungsamt habe ihm den Hund abgenommen, wollte ich mich für ihn einsetzen. Allerdings war es wohl so, dass der Mann nachts trank, halb bewusstlos am Bahnhof lag und der Hund knurrend und bellend niemand an ihn heranließ. Der ist dann ins Tierheim gekommen. In solchen Fällen ist das wirklich besser.

Sie unterstützen Wohnungslose. Über deren Hunde kommen sie gut an die Menschen auf der Straße ran. Was ist, wenn einer sich irgendwann entscheidet, von der Straße weg wieder in eine Wohnung zu wollen – geht das überhaupt mit Hund?
Promper: Da habe ich viele schlechte Erfahrungen gemacht. Eigentlich ist es ein Erfolg, wenn wir den Menschen von der Straße wegbekommen. Wenn man dann aber keine Wohnung findet, weil man einen Hund besitzt, ist das für die Menschen sehr frustrierend. Sie fühlen sich teilweise immer noch ausgegrenzt, haben anscheinend einfach keine Chance in der Gesellschaft. Obwohl sie sich doch bemühen. Da spielen sich manchmal grausame Dramen ab, vor allem wenn der Hund schließlich doch zugunsten der Wohnung weggegeben werden muss. Selten lassen sich Kompromisse finden. Wenn ich mir diesbezüglich etwas wünschen dürfte, wäre es mehr Akzeptanz, mehr Möglichkeiten. Oder eine Tiertafel, mehr bezahlbare tierärztliche Versorgung oder Projekte wie eine Hundeschule für Hund und Halter. Das würde ich sehr befürworten, für Wohnungslose mit Hund mehr zu tun.

 

 

Andrea Neuhoff arbeitet als freie Journalistin und Texterin in Köln. Sie wirft gerne einen etwas anderen Blick auf die Stadt und ihre Einwohner und engagiert sich außerdem für das Straßenmagazin „Draussenseiter“.

Spenden für die tierärztliche Versorgung von Tieren von Wohnungslosen nimmt das Konrad Adenauer Tierheim in Köln-Zollstock entgegen.
Kölner Bank
Konto 690 830 000
BLZ 371 600 87
Stichwort: „Wohnungslose“

Wer wissen möchte, wie seine Spende verwendet wird, wendet sich telefonisch an Ruth Gosdeck, kaufmännische Tierheimleiterin. Telefon: 0221-38 12 99.
 

Text: Gastbeitrag

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