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Gesellschaft Kultur

Tagebuch eines Brasilianers im Süden – Teil 6

Donnerstag, 22. Juli 2010 | Text: Gastbeitrag | Bild: Ernesto Solis

Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten

Nein, ich verstehe nicht viel von den Menschen, aber trotz allem bin ich wieder bei ihnen aufgetaucht, manchmal muss man einfach hartnäckig sein. Als ich eintrat diskutierte die Gruppe wieder einmal einen schwer wiegenden Sachverhalt, alle drehten ihre Köpfe zu mir um und niemand grüßte mich, sie ignorierten mich einfach. In Brasilien, wo wir keine richtigen Kapitalisten sind und nur als „süße Barbaren“ gelten, da erscheint immer ein kleines Lächeln auf den Lippen, wenn man ein Haus betritt. Aber hier in diesem Moment hatte ich den Eindruck, dass sie mich abschätzig taxierten, so als wäre ich nicht auf einer Höhe mit ihnen, diese Sache mit dem „Wir sind mit den wirklich wichtigen Dingen beschäftigt, während du…“

 

Nachträglich erzählte mir meine Freundin, dass die ach so komplizierte Frage sich darum drehte, ob sie neue Mitglieder in ihre Kommune aufnehmen sollten oder nicht. Ein Ehepaar und ihre Tochter. Er Amerikaner, sie Venezulanerin und die Tochter pubertierend. Sie haben die USA verlassen, um in Deutschland zu leben. Aber als sie ankamen, wurde ihnen auf mysteriöse Weise alles Geld geklaut. Jetzt leben sie in den Parks und auf den Plätzen Kölns. Meine Freundin wollte sie nicht aufnehmen, irgendetwas läuft da schief, besonders mit der jugendlichen Tochter, die sich in einem paralysierten Zustand befindet. Ihre Augen sind immer nur auf einen Punkt fixiert. Sei beantwortet Fragen lakonisch und traurig. Die fliehen bestimmt vor den Drogenhändlern Hugo Chaves, was weiß ich, wer zum Teufel die sind.

 

Wir vereinbarten, zusammen an einem See schwimmen zu gehen, so wollten wir gleich die Kleine einladen und herausfinden, was da wirklich los ist. Sie verneinte sofort, sagte mit einer Grabesstimme, sie wolle die Zeitung lesen, die vor ihr lag. Ich schaute auf den Tisch und sah eine deutsche Bedienungsanleitung eines Flachbildschirms, meine Freundin bestätigte mir, dass das keine Zeitung sei. Ihre Eltern intervenierten umgehend, und sie musste wohl oder übel mit uns gehen. Der See außerhalb der Stadt schien einem Traum entsprungen zu sein. Ein kleiner Weg schnitt durch ein Weizenfeld, ein paar knorrige alte Bäume, winzige Häuser, mehr konnte man vom See aus nicht sehen. Es scheint ein italienisches Filmset zu sein, vielleicht auch nur, weil das Mädchen einen traurigen, melancholischen Gesichtsausdruck hatte wie die Schauspielerinnen in den neo-realistischen Filmen. Wir gingen zum „Strand“ runter, den meine Freundin gleich als den „ihren“ in Besitz nahm. Dort trafen wir auch gleich eine Frau, die ein Buch lesend, „oben ohne“ ein Sonnenbad nahm. Da sie sich nicht weiter an uns störte, störte ich mich auch nicht an ihr. Die Sonne strahlte intensiv. Ein perfekter Moment der Harmonie, alles setzte sich an seine Stelle, ergab eine unerschütterliche Komposition wie die Bilder des Pointilisten Seurat.

 

 

Währenddessen saß Minaly am Ufer eines Baches tief versunken in ihre Kontemplation. Ich versuche mit ihr zu sprechen, sie ins Leben zurückzuführen, frage sie belanglose Dinge über ihr Leben in den Staaten. Aber sie will nicht sprechen, schaut mich nur mit diesem traurigen Blick an, so dass mich das Gefühl überfällt, ich müsste sie umarmen. Ich kann mich gerade noch daran hindern, doch sie erinnert mich an ein Lied von Tom Jobim, ich fange leise an zu singen: “Ah por que tudo é tão triste, ah a beleza que existe, a beleza que não é só minha, que também passa sozinha”. In diesem Moment erhebt sich Minaly, dankt uns für den Ausflug und sagt: „Es ist lange her, dass ich mich so glücklich gefühlt habe.“

 

Sie zieht ihre Bluse und den Rock aus, steigt mit Unterhose und BH bekleidet in den See, legt sich auf das Wasser und beginnt beseelt in die Tiefen des Sees zu entschwinden. Meine Freundin und ich schauen uns an, und haben das gleiche bedrückende Gefühl. Langsam versinkt Minaly in die Tiefe, und ich kann mich nicht bewegen. Vielleicht ist es besser so, nicht alle müssen und können soviel Traurigkeit in ihrer Seele ertragen. Die leise Tragödie dieser Augen scheint sich zu entspannen, im gleichen Maße wie ihr Körper in dieser Landschaft versinkt. Meine Freundin schaut mich an, die junge Frau liest weiter in ihrem Buch, die Augenlieder leise zitternd im Wind, eine Gruppe Enten kommt gemütlich auf uns zu geschwommen, da hebt Minaly ihren Kopf aus dem Wasser und lächelt uns an – zum ersten Mal.

 

Ernesto Solis

 

Lesen Sie auch die andere Folgen von „Ein Brasilianer im Süden“

 

Teil 1/ Teil 2 / Teil 3/ Teil 4/ Teil 5/ Teil 7/ Teil 8

 

Interview mit Ernesto Solis lesen Sie hier.

Text: Gastbeitrag

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