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Kultur

Von Menschen und Mäusen

Dienstag, 25. September 2012 | Text: Nora Koldehoff | Bild: Tamara Soliz

Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten

Als die erste Boeing den strahlend blauen Himmel über Manhattan zerriss, saß Nadja Spiegelman zum ersten Mal in ihrer neuen Klasse. Das neue Schuljahr hatte in New York an diesem Tag gerade begonnen, und die Tochter des Cartoonisten und Comiczeichners Art Spiegelman war auf die Highschool gewechselt. Als das Flugzeug Minuten später als orangegelber Feuerball im World Trade Center einschlug, rannten ihre Eltern aus der Wohnung in Soho zu ihrer Tochter. „Die Schule lag in unmittelbarer Nähe der Twin Towers“, erinnert sich Art Spiegelman. „Als wir auf der Straße waren, sahen wir den zweiten Einschlag in den Südturm. Uns kamen Tausende von Menschen entgegen. Aber wir wollten in die andere Richtung. Als wir die Schule erreichten, war sie fast leer. Aber wir mussten zu unserer Tochter.“ Ein Jahr später zeichnete Spiegelman die erste von zehn Folgen seiner Comic-Serie mit dem Titel „Im Schatten keiner Türme“. In den USA fand er niemanden, der sie veröffentlichen wollte. Weil die Medien überwiegend brav der Bush-Doktrin vom „Krieg gegen den Terror“ folgten und sich nicht gegen die Beschneidung von Freiheit und Bürgerrechten wehrten, hatte Spiegelman beim berühmten Magazin „The New Yorker“ gekündigt. „Die Presse hier ist ein ängstliches Wesen“, begründete er damals seinen Schritt. „Sie ist nicht sehr mutig.“

Die deutsche Wochenzeitung „Die Zeit“ veröffentlichte Spiegelmans Serie schließlich zwischen 2002 bis 2003. Ein Jahr später erschien sie auch als Buch. Mitsamt der inzwischen berühmten Rückseite, die einmal mehr mit einem Tabu brach: Spiegelman stellte dar, was in der visuellen Berichterstattung bis dahin immer ausgeblendet worden war – fallende Personen, wehrlose Opfer: Körper, die bald auf dem Boden aufschlagen würden. Er zeichnete sie aber nicht als Menschen, sondern als Silhouetten von berühmten Comicfiguren. Popeye und Olive sind zu erkennen, Wimpy, Charlie Brown und Happy Hooligan. In den USA wäre das, ein Jahr nach den größten Terroranschlägen in der Geschichte des Landes, nicht möglich gewesen. Für ihn aber, sagt Spiegelman heute, sei das auch ein Schritt der eigenen Traumabewältigung gewesen: „Und das musste ich mit dem machen, was ich konnte: zeichnen.“
Dichterlesungen und Musik konnten ihm weder Trost spenden noch einen Zugang zur Bewältigung der Ereignisse darstellen. Im Buch erzählt er, dass die einzige Kunst, die seine Abwehr überwinden konnte, die alten Comicstrips waren, weshalb auch verschiedene Charaktere aus Krazy Kat, den Katzenjammer Kids und anderen Strips vom Beginn des vergangen Jahrhunderts, Pionieren der Comics, in der Bildergeschichte auftauchen.
Art Spiegelmann, Selbstporträt 1999, aus: Spiegelmann, „beint the mirror“, Mappenwerk der Galerie Martel, Paris 2009.

 

Mit der Frage, was ein Zeichner darf und was nicht, sah sich der heute 65-Jährige mit seiner 9/11-Serie nicht zum ersten Mal konfrontiert. Schon das Werk, das ihn Anfang der Siebziger berühmt machte und ihm sogar den Pulitzer-Preis einbrachte, warf viele Fragen auf. Darf man den Holocaust als Comic darstellen, in dem die Opfer Mäuse mit Menschenkörpern und die Nazis Katzen sind? Verharmlost das nicht die einzigartigen Verbrechen der Nationalsozialisten?

Spiegelman verarbeitete mit dem Werk die eigene Familiengeschichte. Seine Eltern Wladek und Anja Spiegelman hatten das Konzentrationslager Auschwitz überlebt, der ältere Bruder Richieu und ein großer Teil der Familie und Freunde aber wurden getötet.
Art Spiegelman war nach dem Krieg und dem Auswandern der Familie geboren worden. Mit seinem Vater führte er lange Gespräche darüber, wie es dort war in den Konzentrationslagern und erhielt erst zögerlich und später dann ausführlich Auskunft. Die Mutter nahm sich in den sechziger Jahren das Leben. Spiegelman vermutet, dass dies mit den traumatischen Erlebnissen zusammenhing, aber da sie keinen Abschiedsbrief hinterlassen hatte, blieben dies Vermutungen.

Der gerade erst erschienene Band ‚Meta-Maus‘ (S.Fischer Verlag) erzählt ausführlich die Entstehungsgeschichte von Spiegelmans Arbeiten. Denn wichtiger als das Endprodukt oder Werk, so der Künstler, ist der Prozess dorthin, und auch das Raumgeben für eigene Gedanken des Betrachters.

Deshalb offenbart das Museum Ludwig seit vergangenem Freitag in einer Retrospektive auch die Arbeitsweise des Cartoonisten. Zu sehen sind die Arbeiten aus den ‚Maus‘-Comics, die Reihe, die den Sturz des World Trade Centers thematisiert und auch eine große Anzahl anderer Werke, wie die, die er für das Raw-Magazin erstellte und die Titelbilder für das Magazin The New Yorker – Comics, Zeichnungen und übriges Gekritzel, wie Spiegelman selbst es nennt. Sichtbar werden seine eigenen kunsthistorischen Wurzeln dann, wenn einem in den Strips Picasso oder Lichtenstein begegnen und er erzählt, dass er am Beginn seiner Karriere vor der Entscheidung stand, ob er nun anstrebe, ein Künstler zu werden, der für ein Werk eine Million bekommt oder einer, der eine Million Werke macht und dafür nur einen Dollar erhält. Entschieden hat er sich dann für die zweite Variante – weil sie die demokratischere ist.

Art Spiegelman, Selbstporträt mit Maus Maske, 1989. Plakat der Ausstellung „CO-MIX“, bis 06.01.2013 im Museum Ludwig, Köln.

 

Durch die Ausstellung führen am 1. November um 18:30 Uhr die Comic-Publizistin Anne Detseit sowie Susanne Flimm, Geschäftsführerin der Schmitz-Lippert-Stiftung im Cöln Comic Haus in der Bonner Straße. Letztere hat zu den Maus-Büchern eine besondere Bindung – etwas überwältigt von der immensen Comic-Sammlung ihres Mannes gestand sie ihm beim Kennenlernen, dass sie selbst mit Comics nicht viel am Hut habe. Der Mann nahm es gelassen und empfahl die Lektüre von ‚Maus‘, was Susanne Flimm nicht nur nachhaltig beeindruckte, sondern auch den Beginn einer bis heute andauernden Comicliebe markierte.

 

Text: Nora Koldehoff

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