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Kultur

“Wir kennen das auch so”

Montag, 9. Mai 2016 | Text: Aslı Güleryüz | Bild: Meyer Originals

Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten

Missstände gab es schon immer in unseren Gesellschaften. Sie wechseln ihre Gesichter, verlieren jedoch nicht an Akutheit. Wenn man unsere heutige Gesellschaft unter der Lupe betrachtet, muss man auf ein Drama stoßen.

Das Drama heißt “Die Klasse” und wird seit Oktober letzten Jahres mit großem Erfolg im Theater der Keller aufgeführt. Es beinhaltet das, was uns täglich beschäftigt: zerrüttete Familienverhältnisse, aufgelöste Wertevorstellungen, Perspektivlosigkeit, Pubertät, finanzielle Sorgen und natürlich im Mittelpunkt der Ort, wo sich all diese Probleme geballt treffen: Schule. Und überhaupt – was ist mit dem Bildungssystem? Meine Kollegin Alida hat das Stück gesehen und darüber geschrieben.

Letzte Woche hat die Jahrgangsstufe 9 der Gesamtschule Rodenkirchen mit rund 100 SchülerInnen das Stück gesehen, das auf dem französischen Bestseller „Entre les murs“ basiert. Im Anschluss an das 1,5 stündige Stück war ein Gespräch mit den SchauspielerInnen und den SchülerInnen vorgesehen. MeineSüdstadt hat die Veranstaltung begleitet.

Die jungen Menschen strömen in den Theatersaal im ersten Stock. Jeder Platz ist besetzt. Es wird dunkel und der Künstler Cornel Wachter führt am Bühnenrand einfühlsam in die Veranstaltung ein. Der Theatervormittag ist mit finanzieller Unterstützung zweier Kirchen, einiger Privatpersonen und dem Förderverein der Gesamtschule Rodenkirchen möglich gemacht worden. Dann wird es noch dunkler im Theaterraum und das brisante Stück beginnt mit niedlichen Einblendungen von Kindheitsfotos der Schauspieler.
 
Ein Lehrer versucht den SchülerInnen eine Sprache zu vermitteln, die nicht ihre ist. Futur II scheint ihnen fern und fremd. „Ich werde in die Schule gegangen sein“. Da klingen doch „Fick dich, Alter“, „Fotze“, „Fuck“, „Bitch“ usw. viel lebendiger. Und die Zukunft ist sowieso noch so weit weg. Wer weiß schon, was dann sein wird? Oder, pardon, gewesen sein wird.

In rasanten 1,5 Stunden spielen die jungen Schauspieler der Abschlussklasse der Schauspielschule des Theaters mit jugendlichen Flüchtlingen und auch einem professionellen Schauspieler unter der Regie von Nils Daniel Finckh. Ihre Leistung ist großartig. Sie schlüpfen in ihre Rollen und stellen sie mit jeder Geste, jeder Miene, jeder kleinsten Körperbewegung perfekt dar. Jede Person auf der Bühne hat ihren eigenen persönlichen Bruch. Wie ein roter Faden in dem Stück, stellt eine Schülerin die Frage: „Darf ich die Klasse wechseln?“. Die Antwort lautet stets: „Nein“. Es gibt kein Entkommen. Das Pulverfass auf der Bühne kann jeden Moment explodieren. Doch am Ende halten alle inne. Da werden sie nach ihren Träumen befragt und nach der Zukunft. Da ist es also wieder, das Futur. „In 20 Jahren…“ – bei dieser Vorstellung schweift der Blick der SchülerInnen auf der Bühne nämlich doch in die Zukunft. Es gibt Visionen. Und es könnte alles schön enden.

 

Nach einer kurzen Pause geht es ins Gespräch. Intendant Heinz Simon Keller moderiert die Diskussion. Die SchauspielerInnen haben sich umgezogen und stellen sich vor. Er erklärt, dass einer der Laiendarsteller ‚abhanden gekommen’ ist. Ein junger Flüchtling. Was genau passiert sei, wisse man nicht.

Ob es bei dem SchülerInnen im Publikum auch so sei, möchte er gleich wissen. Die Antwort kommt aus dem dunklen Publikumsraum: „Ja“, „Das kennen wir“, „Es ist etwas übertrieben. Bei uns ist es etwas gemäßigter“.
Ob es auch zu direkten und heftigen Auseinandersetzungen mit den Lehrern komme? „Nein, leider nicht“ kommt die anonyme Antwort.
Ob man einige der Charaktere zuordnen könne? „Ja, die Mobber“.
Auf die Frage, ob es ein gutes oder schlechtes Stück gewesen sei und was das junge Publikum mitgenommen habe, gibt es keine Antwort. Das geht vielleicht zu nah. Vielleicht möchten sich die Jugendlichen auch nicht vor ihren LehrerInnen outen. Vielleicht müssen die Jugendlichen das vielschichtige Drama auch erst noch verabeiten.

Gibt es Fragen aus dem Publikum? Zaghaft kommt eine Frage nach dem Alter der SchauspielerInnen. Sie sind fast alle um die 20.
Und eine Frage nach dem Stilmittel der Lieder im Stück kommt auf. Einer der Schauspieler erklärt, dass die Lieder ein Mittel des Regisseurs und der Inszenierung seien. Eine bildhafte Ebene werde in den vielen Kinderliedern angesprochen, die im Kontrast zu der ‚Ficksprache’ stehe.

Dann ist das Gespräch vorbei.
Vor dem Theater unterhalten sich noch drei Mädchen. Ich erkundige mich, ohne nach ihren Namen zu fragen, nach ihrem Eindruck vom Stück. „Ja, wir kennen das auch so in der Schule,“ sagt die eine. „Bei euch in der Klasse ist es extrem,“ sagt die andere. Ich frage nach der sexualisierten Sprache. „Ja, das ist so.“. Und das Mobbing? „Ja, da gibt es solche. Wenn ich weiß, welchen Kurs sie belegen, dann belege ich diesen Kurs nicht. So geht man sich aus dem Weg.“. In dem Stück beruhten viele Konflikte auf sprachlichen Missverständnissen. Ist das auch so bei ihnen? „Ja, es gibt welche, die wollen immer provozieren. Auch wenn sie es sprachlich verstanden haben. Hauptsache den Unterricht stören“.

Jetzt ist schulfrei und die Jugendlichen dürfen nach Hause. Ich bedanke mich bei den Mädchen und verabschiede mich. Das in dem Roman „Entre les murs“ beschriebene Leben in Pariser Vororten und an deren Schulen ist auch mitten in Köln nicht unbekannt.

Wir sprechen mit dem Kölner  Autor Marcus Seibert, der die Bühnenfassung für das Stück „Die Klasse“ verfasst hat und den Prozess so beschreibt: „Ich habe mich an den Roman gehalten. Die erste Aufgabe war, den französischen Roman an die deutsche Bühne zu adaptieren. Bei den Proben wurde viel improvisiert. Es gab auch drei Laiendarsteller. Sie haben viel aus ihrem Leben und ihren Erfahrungen mitgebracht. Die Proben haben wir auf Video aufgezeichnet. Ich habe die Impro-Bänder gesichtet und aus dem Material Rollen erarbeitet. Für mich war immer wichtig, dass nicht der Lehrer der Hauptdarsteller ist, sondern alle Schüler haben ihre Rolle, ihren Charakter. Die Hauptfigur ist die Klasse.“ Bereits im Vorjahr hat Seibert mit dem Theater der Keller erfolgreich zusammen gearbeitet. Das wollte man wiederholen. Aber die Idee zu diesem Stück stamme gar nicht von ihm: „Der Regisseur Nils Daniel Finckh hatte die Idee dem Theater vorgeschlagen. Er hatte schon mit Flüchtlingen und Laiendarstellern gearbeitet. Er hatte den Roman „Die Klasse“ von François Bégaudeaus oder „Verrücktes Blut“ vorgeschlagen. Die Entscheidung fiel auf „Die Klasse“ und „Verrücktes Blut“ wird jetzt anschließend aufgeführt. „Die Klasse“ wurde 2008 verfilmt. Doch ich wollte mich nicht an den Film, sondern an den Roman halten und habe ihn als Grundlage genommen.“

?„Die Klasse“? nach François Bégaudeau
Bühnenfassung Marcus Seibert?Mit: Christoph Bertram, Pia-Leokadia Bucindika, Frank Casali, Rosana Cleve, Lisa Conrad, Lena Gudrian, Justice Ekpemandu, Jamal Khalat, Raphaela Kiczka, Jonas Müller-Liljeström, Armel Ouahoflo Nangbo, Odilon Pembele, Swantje Riechers, Stefanie Winner?Inszenierung: Nils Daniel Finckh

Weitere Aufführungen
Mittwoch 11. Mai, 20 Uhr, Theatertag, Eintritt 8 Euro
Dienstag, 17. Mai, 20 Uhr

 

Text: Aslı Güleryüz

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