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Gesellschaft Kultur

Die Erde ist schuld

Dienstag, 9. November 2010 | Text: Nora Koldehoff | Bild: © Klaus Lefebvre

Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten

Eineinhalb Jahre ist es inzwischen her, dass die Stadt ihr Gedächtnis verlor. Zwei Menschen kamen ums Leben, als am 3. März 2009 das Historische Archiv am Waidmarkt in der Südstadt einstürzte und unschätzbare Urkunden und Dokumente, Bücher und Fotografien, Akte und Partituren in einem metertiefem Krater in Wasser und Erde versanken. Vieles konnte inzwischen geborgen werden. In welchem Zustand sich die Archivalien befinden, was wohin gebracht wurde, wann die Bestände wieder zusammengeführt werden und wie man sie jemals wieder wird nutzen können – auf all diese Fragen gibt es nach wie vor keine Antwort. Und auch und vor allem nicht auf jene entscheidende nach der Verantwortung für eine Katastrophe, die wohl alles war, nur kein schicksalhaftes Unglück.

Entschuldigen könne sich nur, wer Schuld hat, dröhnt die Stimme des gescheiterten und deshalb faktisch zurückgetretenen ehemaligen Oberbürgermeisters Fritz Schramma aus dem Schnürboden des Schauspielhauses. Sie dokumentiert gleich an mehreren Stellen in Elfriede Jelineks neuem Stück „Ein Sturz“ die Unfähigkeit jener, die in Köln dafür bezahlt werden, verantwortlich zu handeln, nun auch Verantwortung zu übernehmen. Denn wer das im Augenblick täte, müsste auch für die Kosten des Einsturzes bezahlen. Moral ist käuflich. Das Publikum lacht Schramma lauthals aus – auch heute noch.

Was Politik und Verwaltung nicht leisten wollen, übernimmt nun Elfriede Jelinek. Sie gibt eine Antwort auf die Frage nach der Verantwortung – mit den Mitteln des Theaters und der Kunst: unabgewogen und parteiisch, ohne Gutachten, Sicherungsbauwerke und abgestimmte Statements. Genau das macht die Qualität ihres Stückes aus: Es bietet übergeordnete Wahrheiten an.

Die Erde ist schuld, lautet ihre Antwort: die Erde und das Wasser, die sich miteinander vereinigen wollen. Wir Menschen sind dabei nur die Leidtragenden. Die Erde will zum Wasser, auch wenn es sie ihre Substanz kostet, und so liegt dann auch die von Kathrin Wehlisch großartig verkörperte Erd-Frau nach ihrer Vereinigung mit dem Wasser-Mann (Krzysztof Raczkowski) ertränkt und entkräftet in jenem grabgroßen Bassin in der Bühnenmitte, in der unablässig die braune Brühe steigt.

Die Szenerie: Eine Büro-Atmosphäre, in der Ingenieure, die Männer in weißen Hemden, die Frauen in dunklen Kostümen, berechnen und erklären, mit Laptops und Telefonen hantieren, die Erde aber als befremdlich empfinden, in der mahnende Worte, die immer wieder aus dem Nichts durch die Geräte zu ihnen dringen, möglichst schnell zum Schweigen bringen wollen. Wasserlöcher werden mit Papphütchen gestopft, Telefone schnell wieder aufgelegt, man gratuliert einander, dass man so schnell und sparsam Abhilfe schaffen konnte.
Doch der Augenblick nähert sich, an dem die Dämme brechen, sich das schlammige Wasser auch nicht mehr unauffällig mit dem Fuß zurückschieben lässt. Es bahnt sich seinen Weg und überflutet die ganze Szenerie, auf der die Akteure nun auch jeden Halt verlieren. Ihr Geschäft geht trotzdem weiter: Die Stadt bezahlt nun für ihren eigenen Untergang, denn unser Wille geschehe. Und bezahlt wird dies, so einer der Un-Verantwortlichen, auch mit „zwei Stück Personen“.

Es ist wie immer eine Sprachlawine, die Elfriede Jelinek geschrieben hat. Und wie immer scheut sie weder Assoziationen noch Kalauer – auch in den beiden Stücken, die in der dreienhalbstündigen Kölner Aufführung-Trilogie dem „Sturz“ vorausgehen. „Im Bus“ ist ein Kurzstück, in dem ein skurriles Bauarbeiter-Totengäber-Trio von jenem Unglück berichtet, bei dem  1994 während des U-Bahn-Baus in München ein voll besetzter Linienbus in ein sich eben vor ihm auftuendes Erdloch fiel. Wieder trägt die Schuld die Erde, die nicht standhielt.

Das Werk/Im Bus/Ein Sturz
v.l.n.r.: Lina Beckmann, Susanne Barth, Kathrin Wehlisch
© Klaus Lefebvre

„Das Werk“ behandelt den Staudammbau von Kaprun, bei dem Hunderte Zwangsarbeiter starben. Dem Fortschritt zuliebe. Heidi und der Geißenpeter, Hänsel und Tretel beanspruchen die Hoheit über die Natur. „Wir haben zuerst die Luft erfunden, dann die Erde, das Wasser und die Gebäude, irgendwo müssen wir ja wohnen. Aber das Wasser war das beste, das wir erfunden haben. Das Wasser, das einfach alles macht, ohne jede Begabung.“ Doch in dem Moment, in dem es sich anders verhält als erwartet, trägt es auch hier die Schuld, obwohl es hier noch zaghaft über die Bühne plätschert, beworben wird und in Wasch- und Brunnenandeutungen zeigt, wozu es gut ist.

Intendantin Karin Beier hat Jelineks Text klug strukturiert und rythmisiert. Der Einsatz des Kölner Chores „Zauberflöten“ verleiht den Stücken die Anmutung klassischer Tragödien. In ihrer Inszenierung Fortschritt und Natur als Gegner. Die Natur muss bezwungen werden, was es auch kostet. Und wenn sie zurückschlägt, sich nicht berechnen lässt, dann ist eben die Natur auch schuld an dem Unglück, das Menschenleben kostet. Nicht etwa die Menschen selbst.

Am Schluss von „Ein Sturz“ ist die Bühne überschwemmt, hier und da fischt man im Trüben und versucht, das ein oder andere Papier zu retten. Die Natur hat gesiegt, die böse, sich ihre Bahn und das Menschenwerk gebrochen. Und niemand muss verantwortlich sein.

 

Das Werk. Im Bus. Ein Sturz.

von Elfriede Jelinek, inszeniert von Karin Beier
Gespielt wird noch am 14./ 23. / 24. / 28.11./ 03. / 30.12. im Schauspielhaus Köln.

Alle Vorstellungen sind aber schon ausverkauft.

 

Erstes Foto:

Das Werk/Im Bus/Ein Sturz
v.l.n.r.: Thomas Loibl, Michael Weber, Manfred Zapatka, …
© Klaus Lefebvre

 

 

Text: Nora Koldehoff

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