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Eine Südstadt für alle! Gesellschaft

Abschied nehmen: Von dreien, die die Südstadt verließen

Montag, 21. März 2011 | Text: Gastbeitrag | Bild: Designwork

Geschätzte Lesezeit: 6 Minuten

Zum Start unserer Serie „Eine Südstadt für alle!“ haben wir eine unangenehme Frage gestellt: Wenn die Südstadt immer edler wird, wird sie dann irgenwann unbezahlbar für manche? Bedeutet Gentrifizierung tatsächlich Verdrängung? Wer muss wegziehen, wohin ziehen er oder sie, und was sind die Schicksale hinter dem Weggang? Diese Fragen stellten wir drei Ex-Südstädtern.

 

Jens Rosskothen, 43, Musiker und Meine-Südstadt-Autor, lebte 11 Jahre lang „in einer schönen Altbauwohnung“ auf der Teutoburger Straße:

 

Für mich gab es früher eine südliche Grenze. Die hieß Schönhauser Straße und teilte Heimat und Niemandsland. Meine Heimat war die Südstadt. Das war nicht immer so, aber mit der Gründung einer Familie beginnt eine neue Zeitrechnung. In der Mainzer Straße lernte ich meine Frau und deren Tochter kennen, hier wurde mein Sohn geboren. Und ab dieser Stunde Null war die Südstadt für mich ein geheiligter Ort. Die Umtriebigkeit der Jahre zuvor machte einem neuen Gefühl Platz, und mit der Niederkunft kam die Ankunft. Ankunft in Familie, Ankunft in der Südstadt. Unumstößlich miteinander verbunden.
Ich begann zu wertschätzen, vertraute Gesichter auf der Straße zu sehen. Ich verliebte mich in Parks, Kioske und Straßenzüge, weil sie mir nach außen das Gefühl bestätigten, das nach innen schon längst vorhanden war: Heimat. Heimat bis zur Schönhauser Straße. Und dann kam die Eigenbedarfskündigung, das Kämpfen, das Verlieren, und das Ausschauhalten nach neuer Wohnfläche.
Wir haben gesucht, monatelang. Standen mit hundert anderen in wunderschönen, unbezahlbaren Altbauwohnungen. Und in mir wuchs das Gefühl, dass Heimat verdammt kostspielig sein kann, und der Volvo Kombi des Sympathieträgers genauso teuer wie der aufgemotzte BMW des Feindbildes.
Meine Frau war flexibler. Sie nahm mich irgendwann an die Hand, und wir überschritten diese südliche Grenze.
Heute wohnen wir in Bayenthal, haben nette Nachbarn und einen Balkon.
Ich vermisse die Lebendigkeit der Südstadt zwischen Chlodwigplatz und Römerpark, die Geräusche der Kneipen und Cafes an einem lauen Sommerabend. Ich vermisse die vertrauten Gesichter von Menschen, die ich eigentlich nicht kannte, denen ich aber fast täglich begegnete. Ich vermisse Bewegung, oder zumindest das Gefühl davon.
Nun wohnen wir in Bayenthal, und jenseits der Schönhauser Straße kann man sich wohler fühlen, als ich dachte. Aber es ärgert mich, dass wir letztlich nicht die Wahl hatten, dass uns überteuerte Mieten und immer mehr nur zum Verkauf stehende Wohnungen die Entscheidung abnahmen.
Jetzt beginnt der Frühling. Ich werde auf dem Balkon sitzen und die Ruhe genießen, ignorierend, dass sich hier in Bayenthal auch manchmal das Gefühl einschleichen kann, es sei die letzte.

 

Engin Yalc?nkaya, Groß- und Einzelhandelskaufmann, verließ vor zwei Jahren das Vringsveedel. Nun lebt der 38-Jährige mit seiner Familie auf der Schäl Sick.

 

Neuerdings wohne ich in Ostheim. Eigentlich haben wir’s ganz schön hier: Eine große Wohnung im Grünen, für meine kleine Tochter, meine Frau und mich. Genug Platz, kleine Miete. Aber es fehlt was. Ostheim ist anonym. Ich kenne hier niemanden, obwohl um uns herum tausende von Menschen wohnen. Ehrlich gesagt: Es ist grauenhaft. Wenn ich könnte, würde ich sofort zurückziehen…
Warum ich die Südstadt so liebe? Ich bin dort aufgewachsen. Meine Kindheit hab‘ ich auf der Elsaßstraße verbracht, später sind meine Eltern mit mir und meinen Geschwistern in eine größere Wohnung ins Vringsveedel gezogen. Alle sind im Klösterchen geboren.
Die Südstadt ist meine Heimat. Ein Ort, an dem ich Mann und Maus kenne. Ein Ort der Lebensart, ein Ort, der sich anfühlt wie eine Stadt im Süden – voller Leben auf der Straße und Leben zwischen den Menschen. Dort kann es passieren, dass man mit seiner früheren Grundschullehrerin auf ein Kölsch im Backes oder im Chlodwigeck landet. Man kennt sich einfach.
Die Südstadt hat dieses Soziale mit Anspruch. Es gibt Typen wie Klaus den Geiger, Orte wie den Baui, in dem ich meine Jugend verbracht habe. Menschen, Orte voller Respekt. So etwas gibt es nicht in Ostheim.
Manche sagen, Multikulti sei gescheitert. Das gilt definitiv nicht für die Südstadt. Die Mischung stimmt, die ist gesund. Ich hatte italienische Freunde und habe mit deutschen Freunden Zelturlaube verbracht. Klar gibt es auch mal Konflikte, aber im Großen und Ganzen klappt das Zusammenleben der Kulturen in der Südstadt besser als sonstwo.
Als ich heiratete und wir ein Kind erwarteten, haben wir uns auf die Suche nach einer Wohnung gemacht. Wir haben monatelang alles durchforstet – die Aushänge an der Apotheke zum Goldenen Horn, Online-Börsen, Zeitungen. Wir haben bei der städtischen Wohnungsbaugesellschaft nachgefragt. Es war nichts zu machen: Eine Wohnung mit mindestens drei Zimmern in der Südstadt war für uns einfach nicht bezahlbar. Entweder du verdienst 5.000 Euro im Monat, oder du hast verdammt gute Beziehungen. Beides habe ich nicht, und deshalb sind wir jetzt in Ostheim gelandet.
Zum Glück leben meine Eltern und Geschwister immer noch im Vringsveedel – wir sind fast jede Woche zu Besuch. Eines Tages werde ich wiederkommen. Emotional bleibe ich Südstädter – für immer.

 

Henrike Müller, Farbdesignerin, war 12 Jahre lang Südstädterin. Sie hatte ihr Atelier auf der Annostraße und ist im Februar 2011 zur Burg Satzvey in die Eifel gezogen.

 

Es gab nicht nur einen Grund, warum ich weggezogen bin. Da kommt ganz viel zusammen. Der erste praktische Grund ist die ständig steigende Miete gewesen. Ich hatte eine Staffelmiete zu zahlen, und die ist mittlerweile so gestiegen, dass die Beschaffung der Miete zu viel Raum in meinem Leben eingenommen hat.

Hinzu kommt die Veränderung des Rheinauhafens. Ich gehe sehr gerne und viel spazieren und habe die Bauphase sehr genossen, finde viele Gebäude auch sehr gelungen, und auch die Rheinufergestaltung ist schön. Aber die komplette Versiegelung der Flächen und die Veränderung des Wildblumengebietes südlich der Eisenbahnbrücke durch einen straßenbreiten, asphaltierten Weg macht das Gebiet für mich ein wenig hart und cool.

Zudem war da auch einfach der Wunsch nach Veränderung. Ich habe lange gesucht und sehr viel angeschaut. Nichts davon machte mir Mut, den Schritt zu gehen. Als ich mir aber die Wohnung und das zukünftige Atelier an der Burg Satzvey anschaute, war alles sofort stimmig. Vieles gefiel mir immer noch richtig gut in meinem Viertel und machte das Weggehen schwer. Sehr liebe Nachbarn, zum Beispiel ein älteres Paar, das mir oft Gemüse aus ihrem Schrebergarten vor die Tür legte. Außerdem mag ich die Durchmischung dieses ehemaligen Arbeiterviertels rund um die Annostrasse. Das schafft eine besondere Atmosphäre.

Aber das wird sich ändern. Es ist gut, dass sie die alten Häuser sanieren. Das muss geschehen. Es ist nicht immer nur alles schwarz oder weiß. Aber leider kommt es mittlerweile zu einer Kommerzialisierung von Wohnmöglichkeit. Ich vermisse die echten, greifbaren Vermieter, die ihre Mieter noch kennen lernen wollen, und aussuchen, die sich dafür interessieren, wer in ihrem Haus wohnt, und gar für eine gewisse Mischung sorgen. Mittlerweile ist das Suchen von Wohn- und Arbeitsraum zu einer leider häufig unangenehmen Sache geworden.

Bei so einer Wohnungsbesichtigung kam ich mit einem Mann aus Hamburg ins Gespräch. Er war total schockiert, das alle Mietsuchenden auf einmal bestellt wurden. Es waren fast 100 Menschen. Er sagte, das kenne er weder aus Hamburg so, noch aus München.

Mein Vermieter in Satzvey hat gesagt: „Ich hätte sie gerne als Mieterin.“ Noch ist es etwas früh für Nostalgie. Aber ich glaube ehrlich gesagt nicht, dass sie aufkommen wird. Ich werde, denke ich, nicht viel vermissen, da ja für das Schöne etwas anderes Schönes kommen wird. Wenn ich Stammcafés hatte, dann finde ich jetzt andere Orte. Die kleinen, netten Läden, in denen ich eingekauft hatte, da kaufe ich auch weiterhin ein, da ich ja beruflich noch häufig in der Südstadt bin. Dann kaufe ich halt größere Mengen ein. Aber eine Sache wird mir tatsächlich fehlen: Das nahe Odeon-Kino.

 

 Protokolle: Jens Rosskothen, Doro Hohengarten und Sonja Alexa Schmitz

 

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Wenn jemand geht, kommt auch jemand – zu Wort bei „Meine Südstadt“! In Kürze lest Ihr auf dieser Seite, aus welchen Gründen einzelne Menschen in die Südstadt gezogen sind, was ihnen hier gefällt und wie sie sich einleben. Wenn Ihr selbst neu zugezogen seid und Eure Geschichte erzählen wollt, schickt bitte eine kurze Mail an redaktion@meinesuedstadt.de !

 

Bis dahin: Was denkt Ihr über das Wegziehen – müssen Menschen die Südstadt verlassen, weil das Leben zu teuer ist? Oder sind die Gründe meist ganz normal: die Liebe, der Job?

 

Welche Abschiedsgeschichten kennt Ihr?

 

Seid auch Ihr Exil-Südstädter, die von der Rückkehr träumen? Oder gefällt es Euch besser dort, wo Ihr jetzt seid?

 

Hinterlasst Euer Abschiedsprotokoll, Eure Meinung, Eure Erfahrung im Kommentarfeld!

 

 

Text: Gastbeitrag

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