×
In eigener Sache

Dir gefällt unsere Arbeit?

meinesuedstadt.de finanziert sich durch Partnerprofile und Werbung. Beide Einnahmequellen sind in den letzten Monaten stark zurückgegangen.
Solltest Du unsere unabhängige Berichterstattung schätzen, kannst Du uns mit einer kleinen Spende unterstützen.

Paypal - danke@meinesuedstadt.de

Aufgeschnappt: Wunderschönes Atelier sucht Untermieter:in +++ Kartause sucht sozialpädagogische Fachkraft (w/m/d) in Vollzeit +++ Das Mahal wird 2! +++

Gesellschaft Kultur

„Alpha 0.7“: Phantasialand im Gehirn

Sonntag, 14. November 2010 | Text: Jörg-Christian Schillmöller | Bild: Dirk Gebhardt

Geschätzte Lesezeit: 5 Minuten

Schon wieder eine Produktion made in Südstadt: Am Sonntagabend (22:40 Uhr) ist im SWR-Fernsehen „Alpha 0.7“ angelaufen. „So kann ambitioniertes Fernsehen aussehen. Das darf Schule machen“, lobte die FAZ schon vorab. Ich treffe Oliver Hohengarten, einen der beiden Autoren. Ihm Fragen zu stellen, ist garnicht so leicht. Am besten ginge das wohl mit einer Schaffnerkelle: Rot = Stopp! Grün = Reden! Der Mann sprüht vor Begeisterung. Zurecht: „Alpha 0.7 – der Feind in dir“ ist ein außergewöhnliches Projekt. Eines, das die Grenzen der Medien überschreitet und sich dabei einem der wichtigsten Themen unserer Gegenwart stellt: Freiheit oder Sicherheit?

 

Da ist die sechsteilige Fernsehreihe, die Oliver Hohengarten mit seinem Partner Sebastian Büttner entwickelt hat. Ein Science-Fiction-Krimi, der 2017 spielt – und in dem es um Gehirn-Scanner und Fragen geht wie: Wie frei bist Du wirklich? Kannst Du Deinem Gehirn noch trauen? Die Serie wird in den kommenden Wochen immer sonntagabends auf SWR und später auch auf MDR, arte und Das Erste zu sehen sein.

 

Doch auch per Internet und Radio kann man in die Welt von „Alpha 0.7“ eintauchen. Im Radio laufen erste Podcasts, die Hörspielreihe ist ebenfalls angelaufen, und im Internet wird alles mit Homepage, Blog und Youtube-Channel begleitet. Sogar eine echte Band mit dem Namen Crash:Conspiracy rund um den Ex-Blackmail-Sänger Aydo gibt es, die im realen Leben schon aufgetreten ist, am Samstagabend im Subway in Köln zum Beispiel.

 

„Transmedial“ nennt sich dieses Konzept, und ich denke beim Interview immer wieder: Ist das jetzt fiktiv? Ist das jetzt Wirklichkeit? Wir sitzen in der Comedia, und die Ufo-Lampen an der Decke passen ausgezeichnet zum Thema. Oliver Hohengarten hat sein Laptop aufgeklappt und erzählt von den Vorbereitungen für Alpha 0.7, bevor ich die erste Frage stellen kann.
 
„Schauen Sie mal hier, das ist der Ordner ‚Neurowissenschaften‘. Allein da sind 72 Objekte drin. Da geht es um Gehirne von Psychopathen, wie sie in der Straftäter-Forschung untersucht werden. Oder hier, ein Artikel aus dem ‚Time Magazine‘: The army’s totally serious mind control project. Das gab es alles schon. Und dann haben wir hier den Ordner ‚Überwachungsstaat‘: 37 Objekte. Zum Beispiel über INDECT, ein Vorhaben der EU. Es geht darum, wie man die gesamte Hard- und Software von Überwachungstechniken bündeln kann, um Straftaten vorherzusehen. Das ist die große Wende seit dem 11. September: Dass es weniger darum geht, Täter zu überführen, als vielmehr darum, potenzielle Täter zu finden und dann zu beweisen: Dieser Mensch hier ist ein potenzieller Gewalttäter.“
 
Eine gruselige Vorstellung, so tiefen Einblick zu gewinnen.
Genau die Frage stellen wir uns in Alpha 0.7: Wie wollen wir leben? Was passiert, wenn der Staat und die Neuro-Wissenschaften aufeinandertreffen.
 
Dann geht es Ihnen auch um die Fragen: Wie liest man Gedanken? Wie verhindert man Verbrechen? Das haben schon Bücher und Filme wie „Clockwork Orange“, „1984“, „Minority Report“ und gerade erst „Inception“ durchexerziert.
  Es gab schon in den Fünfziger Jahren Projekte, das menschliche Gehirn auszulesen, zum Beispiel MK ULTRA, ein geheimes Forschungsprogramm der CIA. Da ging es an erster Stelle um Bewusstseinskontrolle, zum Beispiel mit Drogen wie LSD. Methoden wie Hypnose sind ja auch schon seit langem bekannt. Neu an unserem Projekt ist, dass wir den aktuellen Stand der Gehirnforschung einbeziehen. Bei uns gibt es keine wilden Operationen am Kopf, die Kontrolle funktioniert heute anders. Es gibt zum Beispiel längst eine Art Gehirnschrittmacher, die Gehirn-Areale stimulieren oder ausschalten können und die etwa bei der Behandlung von Parkinson-Patienten eingesetzt werden. Hinzu kommt, dass der Überwachungsstaat ja ohnehin sehr präsent ist in unserer Gegenwart. Stichwort Nacktscanner: Am Hamburger Flughafen ist die längste Schlange von Reisenden immer die vor dem Nacktscanner. In Alpha 0.7 haben wir uns das Jahr 2017 ausgesucht, und wir haben das, was heute schon Realität ist, ein bisschen zugespitzt.
 
So dass es 2017 das Neurowissenschaftliche Pre-Crime-Center beim BKA gibt – auch eine Ihrer Erfindungen, ein Klick auf www.npc-online.eu genügt. Haben Sie eigentlich für Ihr Projekt Kontakt mit dem BKA aufgenommen?
Nein, wir nicht, aber vielleicht die zu uns? (er lacht) Wir haben in den letzten Monaten darüber gewitzelt, weil ich bei Handytelefonaten immer wieder Störungen hatte. Wir mussten dann an Andrej Holm denken, den Berliner Sozialwissenschaftler, der wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung festgenommen wurde. Holm ist ein Gentrifizierungs-Forscher, und er hatte im Internet wohl zu oft nach den Begriffen Gentrification und Prekarisierung gesucht – für das BKA waren das Schlüsselbegriffe, die auch in Bekennerschreiben der ‚militanten gruppe mg‘ auftauchten.
 
Es geht also – konspirativ gefragt – bei Alpha 0.7 um den Verdacht, dass da hinter den Kulissen des Staates heute schon viel mehr in Richtung Überwachung abläuft, als wir offiziell wissen?
Ich finde es zumindest gut, dass die Menschen misstrauischer werden. So ist das ja auch bei „Stuttgart 21“: Die Bürger wollen wissen, was los ist. Oder bei der Laufzeit-Verlängerung für die Atomkraftwerke: Auch dieses Thema ist wieder zunehmend politisiert worden. Immer steht dahinter die Frage: Wollen wir das? Und in unserer Serie geht es eben auch um die Manipulation der öffentlichen Meinung.
 

Oliver Hohengarten in der Wagenhalle, Comedia

Kann man denn Alpha 0.7 überhaupt verstehen, wenn man nur die Fernsehserie schaut und das Hörspiel verpasst und keine Lust hat, auf die verschiedenen Internet-Seiten zu gehen?
Jedes Teil funktioniert für sich selbst. Die Fernsehreihe versteht man auch, wenn man sonst nichts über das Ganze weiß. Aber wer im Internet war und dort das Thema verfolgt hat, der hat natürlich für die Fernsehreihe ein anderes Hintergrundwissen. Man kann zum Beispiel das Unternehmen Protecta Society  kennenlernen, eine Sicherheitsfirma, die auch in der Serie ein zentrale Rolle spielt. Die Tochter der Hauptfigur hat im Fernsehen eher eine Nebenrolle, aber im Netz führt sie ihren eigenen Youtube-Channel. Dort findet man eben ihre Sicht auf die Dinge, ihre Haltung zu Themen wie Einsamkeit und Überwachung. Alpha 0.7 ist wie ein Besuch im Phantasialand: Du kannst nur Achterbahn fahren, aber wenn du alles andere auch ausprobierst, dann hast du das komplette Erlebnis.
 
Schade, dass Sie in dem Projekt ausdrücklich darauf hinweisen, dass es eine Fiktion ist. Wäre doch spannend gewesen, das als Wirklichkeit hinzustellen. So wie bei dem Hörspiel „Krieg der Welten“ von Orson Welles im Jahre 1938.
Der Sender wollte, dass wir darauf hinweisen und klar und deutlich sagen: Das hier ist ein fiktionales Angebot. Es war aber unabhängig davon auch eine bewusste Entscheidung von uns, denn die Web-Community mag es nicht, betrogen zu werden. Unsere Erfahrung ist die, dass die Leute trotzdem gern mitmachen.
 
Für Sie war dieses Projekt beruflich gesehen ein echter Volltreffer, oder?
Es war ein Glücksfall, so ein Thema zu finden. Eines, das so lange trägt. Wir haben uns inzwischen 2.000 Stunden damit beschäftigt. Allein für die Fernsehreihe kann man 70 Leute rechnen. Einer unserer Grafiker – Christoph Budde – hat unzählige Wochen damit zugebracht, elf Filme in Stopmotion zu basteln. Die werden von Meike, der fiktiven Tochter der Hauptfigur, bei Youtube eingestellt.
 
Und einen Zusammenhang zur Südstadt gibt es eigentlich nicht, abgesehen davon, dass Sie hier leben.
Doch, einen Bezug gibt es schon. Sebastian erzählte mir irgendwann 2009, dass es Gehirnforscher gibt, die den freien Willen des Menschen anzweifeln. Das war der Anfang von Alpha 0.7. Wir haben dann damals im total verrauchten Formula Uno zusammengesessen und diese Idee ausgebrütet. Und seither denken wir ganz oft: Wow, das passt ja immer noch. Zuletzt die Geschichte mit den Paketbomben, die hier in Köln auf dem Flughafen umgeladen wurden. Es geschieht immer wieder etwas, woran wir merken: Das Thema Sicherheit versus Freiheit ist hochaktuell.
 

Folge 1 zum Nachschauen in der ARD Mediathek gibt’s hier.
Wer in das Universum eintauchen will: www.alpha07.de

Alle Sendetermine findet man hier.

Wer weiterlesen will, zum Beispiel über ein reales Programm der US-Regierung:
http://www.foxnews.com/story/0,2933,426485,00.html

Text: Jörg-Christian Schillmöller

In eigener Sache

Dir gefällt unsere Arbeit?

meinesuedstadt.de finanziert sich durch Partnerprofile und Werbung. Beide Einnahmequellen sind in den letzten Monaten stark zurückgegangen.

Solltest Du unsere unabhängige Berichterstattung schätzen, kannst Du uns mit einer kleinen Spende unterstützen.

Paypal - danke@meinesuedstadt.de

Artikel kommentieren

Ich habe die Datenschutzerklärung zur Kenntnis genommen. Ich stimme zu, dass meine Angaben und Daten zur Beantwortung meiner Anfrage elektronisch erhoben und gespeichert werden. Sie können Ihre Einwilligung jederzeit für die Zukunft per E-Mail an kontaktnoSpam@meinesuedstadt.de widerrufen.

Meine Südstadt Partner

Alle Partner

Meine Südstadt Service


Parkstadt Süd

Parkstadt Süd – Info-Homepage der Stadt ist online

Eifelwall wird für Autoverkehr gesperrt

Parkstadt Süd: Stadtteilbüro öffnet

Aufgeschnappt

Wunderschönes Atelier sucht Untermieter:in

Kartause sucht sozialpädagogische Fachkraft (w/m/d) in Vollzeit

Das Mahal wird 2!

Die Südstadt auf Instagram.