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Gesellschaft Kultur Politik

Das Ohr der Welt in Raderthal

Donnerstag, 19. Januar 2012 | Text: Wassily Nemitz | Bild: Dirk Gebhardt

Geschätzte Lesezeit: 7 Minuten

Seit 50 Jahren ist er auf Sendung: Der Deutschlandfunk. Sein Funkhaus steht am Rande der Südstadt, am Raderberggürtel, und versorgt fast die ganze Republik rund um die Uhr mit aktuellen Informationen und Hintergrundberichten aus Politik, Kultur, Wirtschaft, Wissenschaft, Sport und mehr. Für den DLF war sein Jubiläum zu Jahresbeginn der Anlass, einen Kongress unter dem Titel „Der Ort des Politischen in der digitalen Medienwelt“ abzuhalten. Wir haben danach mit dem Chefredakteur des Deutschlandfunks, Stephan Detjen, über Geschichte und Zukunft des Deutschlandfunks und die Bedeutung neuer Medien wie „Meine Südstadt“ gesprochen.

Meine Südstadt: Herr Detjen, Sie haben zum Abschluss des Kongresses „Der Ort des Politischen in der digitalen Medienwelt“ erklärt, dieser Ort sei während der Konferenz nicht gefunden worden. Ist der Deutschlandfunk denn kein Ort des Politischen?
Stephan Detjen: Doch, sicherlich ist er das. Wir sind aber mehr als das und diskutieren bei uns in der Redaktion, inwiefern wir uns als politischer Radiosender definieren. Ich denke, dass man anhand von drei Aspekten erkennen kann, dass der Deutschlandfunk Zeit seiner Existenz ein sehr politisches Programm war:
Zum einen hatte er 1961/62 bei seiner Gründung den Anspruch, ein Sender für ganz Deutschland zu sein – also auch für die damalige DDR…

…Bundeskanzlerin Merkel hat in einem Interview mit Ihnen gestern auch davon gesprochen, dass sie in ihrer Jugend in der DDR Deutschlandfunk gehört hat…
…richtig, das ist damals seitens der DDR als richtige Provokation aufgefasst worden. Wir haben anlässlich unseres 50sten Geburtstags einige alte O-Töne herausgesucht und im Rahmen einer Jubiläumsreihe gesendet, in denen der Deutschlandfunk von den DDR-Medien als Feindsender des Westens denunziert wird. Die Entscheidung, den DLF überhaupt zu gründen, war an sich also schon hochpolitisch. Der zweite Aspekt ist unsere „Morgen-Primetime“, mit der der DLF ein neuartiges politisches Radioformat eingeführt hat, das unser Programm besonders prägt. Seit den 70er Jahren hat der DLF in den „Informationen am Morgen“ regelmäßig bedeutende Politiker im Programm, deren Aussagen im weiteren Tagesverlauf die Agenda vieler anderer Medien bestimmten. Zu Zeiten der Bonner Republik wurde der DLF der Haussender für viele Politiker und Journalisten. Hans-Dietrich Genscher beispielsweise wusste, wenn er morgens im Deutschlandfunk eine Aussage machte, dass die ganze Fraktion am Radio saß und mitgeteilt bekam, wo es langging.
Jetzt, wo die wichtigen politischen Akteure in Berlin sitzen, haben wir es mit einer veränderten Situation zu tun. Das bringt mich zum dritten Aspekt als Antwort auf Ihre Eingangsfrage: Die Politik ist für uns als Sender mit Standort Köln nicht mehr im überschaubaren, nahe liegenden Bereich. Nichtsdestotrotz haben wir hier im Haus hochpolitische Menschen, auch im Kulturbereich. Das zeigen gerade auch unsere vielen politischen Fachsendungen.

Ist der Deutschlandfunk denn trotz dieser neuen Herausforderung gut aufgestellt?
Ja, ganz sicher. Das Haus hier ist eine Schatzkiste – wir haben viele, sehr kompetente Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Morgens, wenn wir Redaktionskonferenz haben, spürt man die hohe Expertise zu eigentlich fast allen Themen, die hier zusammenkommt: Politik, Kultur, Wirtschaft, Forschung, Sport und mehr. In dieser Intensität findet man das nur noch sehr selten auf diese Weise an einem Tisch versammelt –  vielleicht noch bei den großen überregionalen Tageszeitungen, der Frankfurter Allgemeinen Zeitung oder der Süddeutschen Zeitung.
Eine Herausforderung, die sich uns aber dennoch stellt, ist, dass wir seit 1994 in eine Programmfamilie eingebettet sind – wir sind nicht mehr eigenständig, sondern mit Deutschlandradio Kultur und seit zwei Jahren mit unserem neuen Digitalprogramm DRadio Wissen unter einem unternehmerischen Dach.

Im Klartext bedeutet das, dass sich damit einige im Deutschlandfunk nicht anfreunden können?
Es wird lebhaft darüber diskutiert, wie sich das Deutschlandradio insgesamt mit seinen drei Programmen und einem Online-Angebot in Zukunft aufstellen muss.

Der Deutschlandfunk hat nach Angaben von Mediacontrol derzeit 1,6 Millionen Hörer – das sind nicht einmal zwei Prozent der Deutschen!
Diese knapp 1,6 Millionen, die Sie genannt haben, beziehen sich auf die sogenannten täglichen Hörer. Das allein ist eine größere Zahl als die vereinten Auflagen der überregionalen Tageszeitungen FAZ, SZ, WELT und Handelsblatt. Schauen wir uns die Zahl der Hörer an, die zwar nicht täglich, aber regelmäßig einschalten, liegt der Wert bei mehr als 6 Millionen.  Im Verlauf der letzten Jahre sind diese Zahlen kontinuierlich gestiegen.

Junge Hörerinnen und Hörer sind für den Deutschlandfunk nur schwer zu begeistern – in meinem Umfeld beispielsweise kenne ich niemanden, der den Sender hört. Ist die Öffnung hin zu jungen Hörern ein Widerspruch zu Ihrem qualitativen Anspruch?
Es wird bei uns im Haus munter darüber diskutiert, wie wir uns verändern können. Sicherlich müssen wir das tun. Mit neuen Generationen von Journalisten hier im Hause ändert sich das Programm aber sowieso schon ein wenig von allein. Was ich aber klarstellen möchte: Wir überaltern nicht – in den letzten Jahren ist das Durchschnittsalter unserer Hörer leicht gesunken.
Unser Anspruch war es immer, ein angebotsorientiertes Medium zu sein – und kein nachfrageorientiertes. Das heißt, wir bieten das an, was wir für relevant und wichtig halten. Ich sage immer gerne: Der DLF ist eine Relevanzagentur.

Das Fazit des Kongresses in Ihrem Haus letzte Woche war, dass sich die klassischen Medien stärker an die Begebenheiten der digitalen Medienwelt anpassen sollen. Was macht der Deutschlandfunk konkret, um das zu tun?
Wir sind seit einiger Zeit in den sozialen Netzwerken vertreten, auf Facebook, Google+ und seit neuestem auch auf Twitter. Allerdings hinken wir mit unserem Online-Auftritt etwas hinterher. Ursprünglich waren wir einmal Vorreiter, insbesondere was unser Audio-on-Demand-Angebot angeht, also der Möglichkeit, Sendungen im Nachhinein noch einmal anhören zu können. Jetzt stellen wir fest, dass unsere Seite viel zu sehr auf das Programmschema ausgelegt ist. Ein Besucher der Seite muss sich also in unserem Programm auskennen, um den gewünschten Beitrag zu finden – das ist nicht mehr zeitgemäß. Wir arbeiten derzeit daran, die Webseite neu zu gestalten.


 

Wann werden Sie damit fertig sein?
Wir werden im Frühjahr mit einem neuen Design unserer Homepage online gehen – aber die inhaltliche Weiterentwicklung wird uns auch danach noch weiter beschäftigen. Für uns ist das eine interessante Herausforderung, weil es darum geht, die Inhalte, die wir im Radioprogramm linear aneinanderreihen, neu zu ordnen und zu gruppieren. Ich sehe das als große Chance und Bereicherung für  unsere drei Programme.

In letzter Zeit treten neuartige, so genannte „hyperlokale“ Medien in Erscheinung, wie beispielsweise „Meine Südstadt“. Sind solche Angebote eine Gefahr oder eine Chance für den politischen Journalismus?
Ganz klar eine Chance! Der Begriff Politik kommt vom griechischen Polis, also dem Ort des Zusammenlebens. Es ist ganz klar, dass insbesondere lokale Medien eine sehr wichtige Rolle spielen. Bürgerinnen und Bürger können Diskussionen auf lokaler Ebene häufig am besten nachvollziehen, weil sie sich direkt betroffen fühlen.

Ist es also in Ihren Augen gut, wenn sich Menschen mehr für den Bau eines neuen Kreisverkehrs als für den Euro-Rettungsschirm interessieren?
Das ist verständlich, der Kreisverkehr ist für die direkt betroffenen Menschen nämlich auch wichtig. Auf Bundes- oder EU-Ebene wirken Entscheidungen und Diskussionen häufig sehr kryptisch, lokale Medien können die Auswirkungen auf die Lebenswelt der Bürger vor Ort am besten verdeutlichen.

Sehen Sie neue Angebote wie unseres als Maßnahme gegen die Politikverdrossenheit?
Natürlich. Es ist für uns schwierig, die komplizierten und oft abstrakt wirkenden Entscheidungsprozesse der Politik, die sich ja nicht mehr nur im nationalen Rahmen abspielen, verständlich und angemessen abzubilden. Wenn wir zum Beispiel die Europapolitik betrachten, spielt sich da vieles auf der Ebene von Spitzenbeamten ab,  an die wir gar nicht so herankommen, wie an die klassischen Akteure des Bonner oder Berliner Politikbetriebes. Das ist eine große Herausforderung für unsere Brüsseler Korrespondenten. Auf lokaler Ebene hingegen lassen sich demokratische Prozesse häufig nachvollziehbarer beschreiben, sodass die Leute Lust bekommen, mitzumachen.

Wagen wir einen Ausblick: Werden die Menschen in 50 Jahren noch die gleiche Hörgewohnheit haben wie in den bisherigen 50 Jahren Deutschlandfunk, das heißt, einschalten und zuhören?
Teils ja, teils nein. Auf der einen Seite wird es wahrscheinlich mehr Menschen geben, die sich ihr eigenes Programm mit Hilfe neuer digitaler Techniken selbst zusammenstellen und nur das hören, was sie bewusst selbst auswählen. Auf der anderen Seite gibt es ein ungebrochenes Bedürfnis nach einem Qualitätsmedium, das die Relevanz und Abfolge der Themen in einem linear ablaufenden Programm setzt. Man kann die Leute auch damit überfordern, sich ihre eigenen Medien selbst zusammenzubauen. Das Wichtigste aber ist, dass es auch in Zukunft immer ein Bedürfnis nach unabhängigen und qualitätsorientierten Medien wie dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk geben wird. Ländern, in denen es eine vergleichbare Rundfunklandschaft wie in Deutschland mit Sendern wie dem Deutschlandradio nicht gibt, fehlt meiner Meinung nach etwas.  

Wird der DLF in Köln bleiben?
Ich denke ja. Sicherlich hat der Standort seinen ursprünglichen Charakter durch die unmittelbare Nachbarschaft zur Bundeshauptstadt verloren. Früher hatten wir direkt nebenan auch die Deutsche Welle, deren Hochhaus seit Jahren leer steht, Bonn war über den Verteiler Süd in 20 Minuten erreichbar und in Marienburg gab es Botschaften. Manche Kollegen fuhren nach dem Dienstschluss mit dem Auto schnell nach Bonn und trafen sich mit Politikern in der Kneipe. Das gibt es natürlich so nicht mehr. Wir haben vor Kurzem jedoch eine große Brandsanierung hier im Gebäude durchgeführt und auch so unter Beweis gestellt, dass wir am Standort Köln festhalten möchten. Es ist wichtig und unser Auftrag, in einem förderal geordneten Land zu zeigen, dass kulturelle und journalistische Leistungen mit nationaler Ausstrahlung nicht nur in der Hauptstadt entstehen können.

Sie selbst wechseln im März nach Berlin als Leiter der dortigen Hauptstadtredaktion – aus welchem Grund?
Ich habe das Angebot bekommen, als Leiter der Hauptstadtredaktion und des Studios Brüssel für unsere drei Programme DLF, Deutschlandradio Kultur und DRadio Wissen tätig zu sein – eine Aufgabe, die ich gerade in diesen politisch bewegten Zeiten sehr spannend finde. Meine Familie lebt nach wie vor auch in Berlin, weil wir wegen der Schulsituation meiner Kinder bisher nicht nach Köln ziehen konnten. Der Wechsel ist also auch eine private Weichenstellung.

Was nehmen Sie aus den Jahren hier im Funkhaus mit?
Ich habe den Wert ermessen können, den es hat, wenn man als Medium so viel Kompetenz und journalistisches Herzblut unter einem Dach vereinigt. Für diese Erfahrung bin ich dankbar.

Herr Detjen, recht herzlichen Dank für Ihre Zeit!

Stephan Detjen, geboren 1965, wuchs in Köln auf. Er ist seit Juni 2008 Chefredakteur des Deutschlandfunks, nach verschiedenen Stationen innerhalb der ARD unter anderen als Korrespondent beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. In diesem Jahr wechselt er nach Berlin als Leiter der Hauptstadtredaktion und Leiter des Studios Brüssel des Deutschlandradios

Text: Wassily Nemitz

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