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Gesellschaft Kultur Politik

Gedenk-Anstoß

Dienstag, 25. Februar 2014 | Text: Nora Koldehoff | Bild: Dirk Gebhardt

Geschätzte Lesezeit: 5 Minuten

Rosenmontagmorgen, halb acht in Köln. Während der Großteil der Bevölkerung noch im karnevalstrunkenem Schlummer liegen wird, wird zum Gedenken an die beiden Todesopfer, die der Einsturz des Historischen Stadtarchivs vor genau fünf Jahren gefordert hat, Oberbürgermeister Jürgen Roters am Waidmarktkrater einen Kranz niederlegen. Als Geste des Gedenkens will er diesen Akt verstanden wissen, Art und früher Zeitpunkt aber rufen schon jetzt innerhalb und außerhalb der Stadt eher Unverständnis hervor. Früh genug ist der Termin eingeplant, damit er das Feiern der Jecken nicht stört und Roters seine karnevalistischen Verpflichtungen wahrnehmen kann. Der Rosenmontag setzt seine eigenen Prioritäten, und das Stadtoberhaupt ist bereit, ihnen zu folgen.

Stadtspitze und BürgerInnen finden auch in diesem Jahr Fünf nach dem Unglück nicht zusammen. ‚Es geht voran‘, scheint das Motto der Verwaltung zu sein, so jedenfalls präsentierte sie sich eine Woche vor dem Jahrestag auf ihrer Pressekonferenz: mit einem Blick nach vorn, auf das neue Archiv, die neuen Haltestellen und die sichergestellten Archivdokumente. Die Bevölkerung, die hautnah den Einsturz miterlebte, vermisst dabei den Blick auf die Leidtragenden der Katastrophe, auf die Verstorbenen, die Menschen, die ihr Heim verloren und jene, die dem Archiv den Nachlass ihrer Angehörigen und Freunde anvertraut hatten. Sie wurden zwar genannt, aber eine Kranzniederlegung in aller Frühe, bevor es zur Rosenmontagesordnung übergeht, wird dem sicherlich nicht gerecht.

Eigentlich sollte es um die Fortschritte bei der inzwischen fünf Jahre dauernden Ursachensuche gehen. Zweifel wollte Stadtdirektor Guido Kahlen gar nicht erst aufkommen lassen: „In zehn Monaten werden wir ein Ergebnis haben“, lautete schon der erste Satz, den der Kölner Verwaltungschef zu den Journalisten im ersten Stock des Rathauses sagte. Tatsächlich wurden einige neue Informationen gegeben; eine Reihe wesentlicher Fragen blieb allerdings auch weiterhin offen. Allzu sehr setzte man darauf, Erfolge vermelden zu können. Weder die Einzelheiten des – voraussichtlich – erst in fünf Jahren zu eröffnenden neuen Stadtarchivs am Eifelwall, noch die Fortschritte der KVB beim Bau der neuen Bahnhöfe sind Teil der Ursachenforschung oder beantworten die Frage nach der Verantwortlichkeit. Sie hatten in der Pressekonferenz deshalb eigentlich nichts zu suchen, zogen sie nur unnötig in die Länge und lenkten vom eigentlichen Thema ab.

 

Die zentrale Frage aber bleibt die, ob die Katastrophe nicht hätte verhindert werden können.

Die Ursache also solle bis Ende dieses Jahres geklärt sein, versprach der Oberstadtdirektor. Nach heutigem Kenntnisstand ergebe sich aus den Mosaiksteinchen verschiedener Erkenntnisse wie Probebohrungen und Bodenanalysen ein widerspruchsfreies Bild, ergänzte Prof. Christian Moormann, geotechnischer Berater der Stadt Köln. Eine beschädigte Schlitzwand soll der maßgebliche Auslöser für den Zusammenbruch am Waidmarkt sein. Verantwortlich dafür seien die ausführenden Firmen der Arge. Die nötigen Beweise für diese These hofft die Stadt Köln bis Ende dieses Jahres mit Hilfe eines nun endlich fertiggestellten „Besichtigungsbauwerks“ vorlegen, und damit die ausführenden Baufirmen als Verantwortliche überführen zu können. Stadt und KVB stünden damit nicht in der Verantwortung. Abschließende Ergebnisse aber werden entsprechend Bestandteil des Gerichtsverfahrens sein. Und ob die Baufirma hierfür die alleinige Verantwortung ebenfalls bei sich sieht, oder ob sich ein langwieriger Prozess mit Gutachten und Gegengutachten anschließen wird, ist bei einer Schadenssumme von einer Milliarde Euro ebenfalls ungewiss.

Die zentrale Frage aber bleibt die, ob die Katastrophe nicht hätte verhindert werden können, verhindert werden müssen. So hatte beispielsweise Eberhard Illner, bis zum Oktober 2008 Abteilungsleiter im Stadtarchiv und heute Leiter des Historischen Zentrums in Wuppertal, wiederholt auf Gebäudebewegungen und Risse in den Wänden hingewiesen: Risse, die dazu führten, dass Wände sich verschoben, Türen nicht mehr auf oder zu gingen und Löschrohre auf jenen Wänden zerbrachen und mehrfach Gasalarm auslösten. Diese ‚Setzungen‘ wurden auch offiziell dokumentiert, Konsequenzen aber hatten die Alarmsignale nicht.

Heute aber, so Oberstadtdirektor Kahlen, habe die Stadt ein geändertes Selbstverständnis. „Et hätt noch immer jot jejange“ behaupte heute niemand mehr. Dass Sicherheit Vorrang habe, sei – seither – selbstverständlich. „Schon seit 2009“, also als Folge des Einsturzes, gebe es bei der Stadt Köln ein neues Risikomanagement, das genauestens Umstände und Gefährdung eines jeden Bauprojektes ausloten soll. Warum nicht schon vorausgegangene Vorfälle, allein die seit 2004 im Bau befindliche Nord-Süd-Bahn, in deren Kontext der Einsturz gehört, eine solche AG nach sich zogen, bleibt unbeantwortet.
So bekamen auf dem geplanten Streckenweg während des Baus mehrere Häuser Risse, der Kirchturm St. Johann Baptist neigte sich 2004, die Kirche St. Maria im Kapitol nahm Decken- und Gewölbeschäden und der Turm des Historischen Rathauses senkte sich 2007 um sieben Millimeter.

Zwei Menschen starben, 102 Personen verloren ihre Wohnung, ein noch lange nicht abzusehendes Kontingent an historischen Archivalien wurde zerstört, von vielen Hinterbliebenen und Nachlassgebern als eine Art ‚zweiter Tod‘ empfunden, und es entstand insgesamt ein Sachschaden von etwa einer Milliarde Euro.

Bereits einige Tage vor der städtischen Pressekonferenz hatten die Bürgerinitiativen „Archivkomplex“ und „Köln kann auch anders“ ins „Odeon“ in die Severinstraße gebeten. Hier lag der Schwerpunkt weniger auf der juristischen Klärung der Katastrophe von 2009. Schon der Titel der Veranstaltung „Schutt und Schande“ ließ wenig Zweifel daran, dass es vor allem der Umgang der Stadtverwaltung mit dem Einsturz und seinen Folgen ist, der die Bildung von Bürgerinitiativen überhaupt erst notwendig machte – und der auch weiterhin Unmut und Frustration hervorruft.

 

Fachgespräche zur baulichen wie juristischen Einschätzung hatten dennoch neben persönlichen Blickwinkeln auf die Katastrophe ihren Platz.
Bauingenieur Prof. Dr. Stefan Polónyi ordnete technische, Jurist Prof. Dr. Hans Kühlwetter rechtliche Erkenntnisse ein, und beide beantworteten, so weit es ihnen möglich war, auch Fragen. Einen hydraulischen Grundbruch des Grundwassers ordnete Polónyi als ebenso unwahrscheinlich ein, wie der Gerichtssachverständige Gutachter Hans-Georg Kempfert.

Vor allem aber zeigte die Veranstaltung im „Odeon“, dass es den BürgerInnen um weit mehr geht, als um die technoide Ursachenforschung. Ein Überblick über die Ereignisse wurde präsentiert und in verschiedenen Gesprächen und Vorträgen die Bedeutung des Archivs für die, wie Kahlen sie später in seinen Statements immer wieder distanziert bezeichnen sollte, ‚Zivilbevölkerung‘ skizziert. Der Umgang der Stadt mit der Katastrophe, den Verlusten, der, so die ehemalige Stadtkonservatorin Hiltrud Klier, „eiternden Wunde“ inmitten der Stadt, ist es vor allem, der Viele frustriert. „Richtig wäre es von Seiten der Stadt“, befand sie weiter „wenn man für die Versäumnisse endlich einmal um Entschuldigung bitten würde.“ Wie aber das Verhalten der Stadtverwaltung in dieser Hinsicht von Seiten der Initiativen eingeordnet wird, kommentierten wortlos drei die Veranstaltung als Statisten begleitende Schauspieler in Affenkostümen: nichts sehen, nichts hören, nichts sagen.

‚Köln kann auch anders‘ erstattete darum auch Anzeige gegen den geschäftsführenden Betriebsleiter der Gebäudewirtschaft, Engelbert Rummel, und das seinerzeit verantwortliche KVB-Vorstandsmitglied Walter Reinarz, da diese nicht unter den 107 Personen gelistet sind, gegen die die Staatsanwaltschaft seit kurzem ermittelt, schon um der nach fünf Jahren einsetzenden Verjährung entgegenzuwirken.  

Die Initiative lädt trotz des Rosenmontagsumzuges zum jährenden Zeitpunkt, am 3. März um 13.58 Uhr, zum Gedenken an die Einsturzstelle. Der Vorschlag, den Zug am Einsturzort vorbeiziehen und eine Gedenkminute einlegen zu lassen, wurde nicht umgesetzt. Dafür will ‚ArchivKomplex‘ am Rosenmontag an der Stelle, an der der Zug abbiegt, eine Verbindung zum Einsturzort schaffen. Zugteilnehmer sind dazu eingeladen, in eine Auffangplane ein Strüßjer zu werfen, damit diese dann von der Initiative am Bauzaun anschließend zu einem Blumenbeet zusammengelegt werden. Damit wollen deren Aktivisten nicht nur der Katastrophe und ihrer Opfer gedenken, sondern auch an die noch größere Katastrophe, die der Einsturz gewesen wäre, wenn er die beiden anliegenden Schulen betroffen hätte – oder eine Woche früher passiert wäre, am Rosenmontag 2009.
 

Text: Nora Koldehoff

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