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Kultur

Auf einen Kaffee, ’nen Streusel und „Krokus“ mit Markus Berges

Montag, 18. Oktober 2010 | Text: Doro Hohengarten | Bild: Dirk Gebhardt

Geschätzte Lesezeit: 7 Minuten

Ich treffe Deutschlands „zurzeit aufregendsten Popmusiker „(Berliner Zeitung) im Café am Römerpark. Markus Berges trägt eine große, durchschimmernde Brille, entscheidet sich für Kaffee mit Apfelstreusel, und seine Stimme klingt bedeutend tiefer als auf seinen Platten. Der 44-Jährige ist Lead-Sänger und Texter der Band Erdmöbel. Derzeit tourt er mit seinen drei Musik-Kollegen und dem Album „Krokus“ durch Deutschland. Die Kritiker überschlagen sich. Für die FAZ ist es das „beste deutschsprachige Album seit langem … ein Meisterwerk“, Rolling Stone spricht von „allergrößtem Pop-Impressionismus“. Für mich ist es einfach intelligent-witzige, schöne, tanzbare Musik. Am Samstag (23.10.) beenden die Erdmöbel ihre „Krokus“-Tour im „Gloria“, in der Zwischenzeit könnte man Markus‘ ersten Roman lesen: „Langer Brief an September Nowak“, soeben bei Rowohlt erschienen…

Meine Südstadt: Was gefällt dir an diesem Ort?

Markus Berges: 1995 bin ich aus Westfalen nach Köln gezogen. Ich lebte in Kalk und machte Streifzüge durch ganz Köln. Auf einem bin ich im Café am Römerpark hängengeblieben und hab mich hier von Anfang an sehr wohl gefühlt. Es ist hell, so etwas gab es in Köln bis dahin nicht. Die Wand hing voll mit Bildern von dem Künstler, der wohl auch diese Bilder gemalt hat (zeigt auf die Wand). Hinzu kommt, dass um die Ecke einer meiner Lieblingsläden ist, Oxfam, in dem ich schon zwei, drei wirklich gute Anzüge gekauft habe. Ich mag die Atmosphäre der Südstadt, bin aber in den letzten Jahren fast ausschließlich zum Karneval hier hergekommen.

Du hast dich für Zollstock als Wohnort entschieden. Absichtlich?

Das hat sich so ergeben. Wir haben unseren Traum gefunden, halt nicht in der Südstadt. Zollstock ist sozusagen der Preis, den ich zahlen muss dafür, dass ich so toll wohnen kann. Es war nicht meine Idee, sondern die meiner Freundin – ich bin eher mitgegangen. Und ich hatte auch ganz schön Angst davor.

Der Rock’n’Roller in dir hatte Angst vor der Sesshaftigkeit?

Nein, es ging eher um die Abgelegenheit und Enge der Siedlung. Ich bin ja extra deshalb aus der Kleinstadt weggegangen und hatte Bedenken, dass es dort wieder so eine soziale Kontrolle geben könnte, auf die ich keinen Bock habe. Aber die Angst war unbegründet. Es ist ein anderes, aber doch ein großstädtisches Wohnen. Die Let it be-Mentalität, das gegenseitige Lebenlassen, ist dort ganz groß. Selbst wenn einer die ganze Nacht lang total nervig laute Musik hört, überlegt man sich es zehnmal, bis man vorstellig wird. Die Polizei würde nie jemand rufen. Ich fühl mich genauso frei wie vorher.

Es liegt eine sehr harte, aber auch erfolgreiche Zeit hinter dir. Ihr habt ein neues Album herausgebracht, und du hast einen Roman geschrieben.

Ob sie erfolgreich war, weiß ich noch nicht, aber produktiv war sie auf allen Fall. Wir waren eine Woche in den Charts. Wenn man mal davon ausgeht, dass das Album schwieriger war als unser letztes, das „Number One Hits“, läuft der Verkauf schon richtig gut. Aber es wird sich erst Ende des Jahres zeigen. Hinter mir liegen zwei anstrengende Jahre, in denen ich oft zu viele Termine hatte, im Moment ist natürlich besonders stressig. Aber es ist auch irgendwie toll, wenn man ein Interview nach dem anderen geben darf und dann zwischendrin mal, wirklich aus Versehen, eines vergisst. Ich hatte ganz lang das Gefühl, weder Buch noch Album sind abgeschlossen, es muss noch daran gefeilt werden. Das ist jetzt vorbei. Langsam hab ich auch wieder Lust was zu schreiben – etwas, das ich kurz nach dem Roman absolut nicht hatte.

In „Langer Brief an September Nowak“ geht es um ein 19-jähriges Mädchen, das von seiner Brieffreundin zunächst extrem belogen wird, bevor es sich auf eine Reise begibt und, auf unerwartete Weise, zu sich findet. Wie ist die Geschichte entstanden?

Ich hatte die Idee schon lange. Als ich mit meinem Verlagslektor dann die Rahmenbedingungen besprach, kam heraus, dass die Geschichte meine eigene war. Eine Freundin hat sie mir vor vielen Jahren einmal erzählt. Sie fuhr mir unglaublich unter die Haut und ließ mich seitdem nicht mehr losg. Jahrelang hatte ich immer die Absicht gehabt, eines Tages etwas daraus zu machen, aber erst, als mich mehrere Verlage angesprochen haben, war es so weit. Ich habe dann beim Schreiben gemerkt, dass ich bei der Geschichte durchaus mehr erzählen kann, ohne vollkommen autobiographisch zu werden. Zum Teil bewusst, zum Teil unbewusst ging es um meine Idee, wie ich Vergangenheit und Gegenwart verknüpfen konnte, und das funktionierte hier wirklich sehr gut Gekämpft hab ich dann allerdings mit den formalen Problemen. Mit der Form, mit der Erzählhaltung. Wie gebe ich dem ganzen Drehs, wie mache ich es spannend. Fragen der Dramaturgie. Aber an der Geschichte hab ich nie gezweifelt.

Ich kann mir vorstellen, warum du von Verlagen angesprochen wurdest. Deine Song-Texte sind geheimnisvoll. Sie sind Lyrik, und auch dein Roman bewahrt gewisse Geheimnisse.

Ich hatte nicht die Absicht, eine Rätselgeschichte zu schreiben, aber natürlich finde ich es gut, wenn die Leser sich für die Geschichte und die Figuren interessieren und wenn sich ihnen Fragen auftun dadurch, dass ich hier und da eine Spur gelegt habe. Und wenn vielleicht die eine oder andere Frage auch offen bleibt. Viele entsteht ja auch, weil ich versucht habe, die sehr subjektive Sicht eines Mädchens einzunehmen. Da ergeben sich automatisch Lücken. Du kennt ja nichtmal deine Frau oder deinen Mann bis ins letzte, wie soll es bei einer Romanfigur anders sein? Man braucht seine Geheimnisse.

War es schwer, aus der Sicht einer 19-Jährigen zu schreiben?

Eigentlich nicht. Ich habe mich daran erinnert, wie es war, als ich selbst 18 war. Es war für mich ganz anders, weil es eine andere Zeit war – die „September-Nowak“-Geschichte spielt ja Ende der 90er, und sie ist ein Mädchen. Aber dieses Mädchen ist kein freies Mädchen. Sie zwingt sich zu einer gewissen Abenteuerlust, die ihr nicht in die Wiege gelegt ist. In diese Situation konnte ich mich sehr gut reinversetzen. Ich musste von vielen Hemmungen und dem Kampf schreiben – damit konnte ich mich identifizieren. Damit hab ich ne ganze Menge Erfahrung, obwohl die bei mir mit ganz anderen Erlebnissen zu tun hat.

Ist 2010 für dich und deine Band das Durchbruch-Jahr?

Also was das Album angeht, ist die Presse ist ziemlich frenetisch. Das ist toll, aber eher als Feedback.

Was würde den Erfog messbar machen?

Kohle. Uns gibt es als Band schon lange, und ja, wir verkaufen immer mehr Alben, können auf Tour gehen und immer mehr Leute wollen uns hören. Aber Durchbruch würde sicherlich bedeuten, wenn sich die Musik auch finanziell lohnen würde. Das würde dann wirklich etwas ändern und sich auf unsere Leben auswirken. Ansonsten ist das kein qualitativer Unterschied. Was wir uns wünschen ist, dass die Buden jetzt voller sind, wenn wir auf Tour sind. Das sieht auch ganz gut aus. Die Vorverkäufe laufen ganz gut. Aber Durchbruch? Das ist ne gute Tour.

Habt ihr alle neben Erdmöbel noch andere Jobs, mit denen ihr euch die Musik finanziert?

Ja, alle haben die Band als Lebensmittelpunkt und ihre Berufe drumherum – so wie ich meine halbe Stelle als Lehrer an einem Berufskolleg.

Aber im Grunde wartet ihr darauf, davon Leben zu können. Das ist das Ziel.

Nee, das ist nicht das Ziel, aber es wäre schön. Ich habe früher in meinem Leben darauf gewartet, davon leben zu können und jahrelang nur rumgejobbt und Musik gemacht. Wenn du mich damals gefragt hättest, hätte ich ja gesagt, darum geht es. Aber ich hab die Erfahrung machen müssen, dass es nicht geht. Schon damals haben wir Alben gemacht, die immer breiter, immer erfolgreicher wurden. Aber die Perspektive, davon zu leben hat sich nicht abgezeichnet. Aus verschiedenen Gründen. Zum einen weil wir Erdmöbel sind, zum anderen weil wir unserer Karriere in Zeiten gemacht haben, in denen immer weniger Platten verkauft werden. Aber ehrlich gesagt quält das niemanden in unserer Band, weil wir uns so lange schon daran gewöhnt haben. Ich will nicht sagen, dass das kein Problem sei. In meinem Fall bedeutet es, dass ich sehr, sehr viel arbeiten muss. Aber es ist in anderen Bereichen nicht anders. Ein Mitarbeiter von Rowohlt erzählte mir gestern, dass es im Verlagswesen total normal ist, dass Schriftsteller nicht von der Kunst leben können. Selbst richtig gute Schriftsteller, erfolgreiche, haben noch einen Beruf daneben – Lateinlehrer oder ähnliches. Wie sagt Jonathan Franzen? „Kein Leben zu haben, vergiftet das Werk“. Als Musiker hat mich das jedenfalls beruhigt.

Hat man euch je dazu geraten, mainstreamiger zu werden? Weniger verschlossene Texte zu machen, zum Beispiel? Wurde das in der Band je thematisiert?

Offenbar ist es genau das, was  uns von anderen unterscheidet, so dass auf diese Idee noch niemand gekommen ist. Aber selbst wenn wir etwas gemacht haben wie die „Number One Hits“, bei denen man wirklich denken könnte, da kann man doch jeden erreichen, kam oft z.B. von Radiosendern das Argument: Das ist uns zu schräg. Aus unserer Sicht war es sogar gewagt unschräg, große Number One Hits mit deutschen Texten zu covern. Was nicht heißt, dass wir das aus kommerziellen Gründen gemacht haben, sondern weil uns das total gereizt hat – uns da hin vorzuwagen, wo alle sind. Als künstlerisches Projekt gehen wir aber so weit, dass der mainstreamigste Mainstream es als irritierend schräg emfpndet….
Wir hatten mal ein Konzert in Bremen und haben dort einen  erfolgreichen Musikproduzenten getroffen, einen eigenständigen Typen, der viele erfolgreiche Bands produziert hat. Er hat sich unser Konzert angeguckt, weil er an uns interssiert war. Danach sagt er zu uns: „Ich fand’s tierisch geil, aber ich mach’s nicht. Wenn das kommerziell richtig erfolgreich werden soll, so wie ich es haben will, dann müsste sich das Wesentliche ändern, nicht nur Kleinigkeiten“. Die Haltung fand ich ziemlich fragwürdig. Aber von einem alten Hasen war es auch ganz richtig betrachtet.

Das bedeutet aber, dass ihr ein Bandleben als ewiger Geheimtipp führen werdet – nicht für die Masse gemacht. Wollt ihr das?

Nein absolut nicht. Wir wollen etwas machen, das groß ist von der Geste her und allen etwas geben kann. Ich wünsch mir einen Song zu machen, der auch meine Oma berührt. Wir wollen uns aber nicht in eine Form pressen lassen – wir sind nicht Chanson, wir sind nicht Schlager. Das würde uns einengen. Aber ein ewiger Geheimtipp zu bleiben – so etwas wäre für mich extrem frustrierend.

Gibt es etwas, was dich im Moment beschäftigt, bewegt?

Mich beschäftigt der neue Jonathan-Franzen-Roman, den ich heute zu Ende gelesen habe. Ich habe geweint, was mir seit Jahren nicht mehr bei einem Roman passiert ist. Ansonsten stecken wir mitten in der Tour und versuchen, von Konzert zu Konzert ein bisschen besser zu werden. Gerade natürlich für das Abschlusskonzert in Köln. Wir überlegen schon, was wir Besonderes machen können an diesem Abend!

 

 

Die Erdmöbel geben am 23. Oktober um 20 Uhr im „Gloria“ ihr Abschlusskonzert der „Krokus“-Tour.

Karten gibt’s im Vorverkauf für 15.- Euro bei koelnticket.

 

Homepage der Erdmöbel

Text: Doro Hohengarten

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