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Kultur

Der „Kölsche Jung“ war Brasilianer

Sonntag, 27. November 2011 | Text: Jörg-Christian Schillmöller | Bild: Jörg-Christian Schillmöller

Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten

„Gosto Delicado“ und „Vozes do Brasil“ im Alten Pfandhaus. Stirnrunzeln im Publikum. Die Köpfe bewegen sich zueinander, fast hört man das Flüstern: „Kennst Du das nicht auch? Das ist doch…“ In der Mitte des Raumes spielen vier Musiker mit Posaune, Gitarre, Bassgitarre und Percussion ein brasilianisches Lied. Wirklich brasilianisch? Nach der ersten Strophe folgt der Refrain, und dann ist alles klar: Die Band „Gosto Delicado“ spielt den Klassiker „Ich ben ene Kölsche Jung“, nur eben in einer brasilianischen Version. Als der Gitarrist dann ganz dezent den Text zu singen beginnt, fällt das Publikum langsam ein, und plötzlich singen 100 Menschen gemeinsam – aber nicht laut wie im Karneval, sondern leise. Ein schöner Moment.

Begonnen hat der Abend im „Alten Pfandhaus“ mit dem deutsch-brasilianischen Chor „Vozes do Brasil“. Auf der Treppe des Foyers stehen die Sängerinnen und Sänger, gekleidet in grün-schwarz, und das erste Lied heißt „Tiro ao alvaro“. Gut, dass Tamara von „meinesuedstadt“ neben mir sitzt: Sie ist Brasilianerin und sagt mir ins Ohr: „Es geht um Liebe.“ Im Laufe des Liedes kommen die Sänger die Treppe herunter und bilden ein „U“ um den Konzertflügel. Sie singen nicht nur Worte, sie machen auch mal „Baba-baaa, baba-baaa“, um den Rhythmus nachzuahmen.

Musik ist auch Bewegung: Beim nächsten Lied gestikulieren die Sänger mit den Händen, wippen mit den Knien, tippen mit den Füßen, vor und zurück, rechts und links. Chorleiter Jean Kleeb (ein gebürtiger Brasilianer) steht dabei gebeugt am Flügel, untermalt den Gesang mit ein paar Akkorden und hält nebenbei das Publikum mühelos bei Laune: Die Menge darf mitklatschen (im brasilianischen Rhythmus) und mitsingen, und als der Chor schließlich „Maria Maria“ intoniert, gibt es besonders begeisterten Applaus.

Rémi Dombre spielt „Frigideira“.

 

Dann folgt der Höhepunkt des Abends: Es ist die feinsinnige und vollkommen professionelle Musik von „Gosto Delicado“. Eine kurze Rückblende: Am Nachmittag treffe ich das Quartett beim Aufbauen: Pía, Oliver, Felix und Rémi. Rémi Dombre kommt aus Toulouse und spielt das Schlagwerk. Dazu zählen in der brasilianischen Musik die Trommeln – die große heißt „surdo“ (das bedeutet „taub“), die kleine heißt „pandeiro“ (das ist eine Handtrommel). Rémi spielt aber auch auf ganz anderen Instrumenten, und zwar auf Küchengeräten. Zum Beispiel auf der „frigideira“, einer kleinen Bratpfanne aus Metall, oder auf Tellern, mit Löffeln und Messern. „Ich mag den Reichtum dieser Geräusche“, sagt Rémi. Er war 2002 das erste Mal, und dort traf es ihn wie ein Schlag: Diese Musik, dachte er, die will ich kennenlernen.

Felix sucht neue Töne für den Kontrabass in der brasilianische Musik.

 

Einen Hocker weiter sitzt Felix Hildenbrand. Er lebt in Amsterdam und spielt die akustische Bassgitarre. „Im Samba oder im Choro gab es früher eigentlich keinen Bass“, erzählt er. „Darum ist das für mich eine Herausforderung, meine Rolle zu finden. Für mich ist Musik sehr körperlich, ich tanze auch sehr gern.“ Felix stieß wie Rémi über das Reisen auf die Musik: Kolumbien, Argentinien, Bolivien und vor allem Chile. Dort hat er einst Pía Miranda besucht, die Sängerin und Posaunistin von „Gosto Delicado“, mit der er befreundet war. „Pia hat zuhause den ganzen Tag gesungen“, erinnert sich Felix, „und zwar brasilianische Lieder, weil die im Radio liefen.“ Langsam fällt es auf: Keiner der vier Musiker stammt aus Brasilien. Aber alle haben tiefe Bindungen zu Land und Musik.

Neben Felix steht Pía mit ihrer Posaune. Ihre Stimme und ihr ruhiger, intensiver Gestus werden beim Konzert am Abend den gesamten Raum ausfüllen: Sobald sie zu singen beginnt, ist der Zuhörer gefangen. Das schafft Pía mit bescheidenen Mitteln, ohne viel Aufwand. Eine gute Stimme, etwas Mimik: das war‘s. Eine Vollblutmusikerin. „Die brasilianische Musik hat sehr reichhaltige und komplexe Harmonien und Melodien, und die Chilenen mögen Brasilien und die Musik“, sagt Pía, die aus La Serena stammt. Das liegt 500 Kilometer nordlich von Santiago de Chile. Pía spielt Posaune, seit sie 12 ist. „In der Schule hatten wir jeden Tag von 8.15 Uhr bis 9.00 Uhr Posaune, dann den Rest des Vormittags Musiklehre und -theorie. Erst am Nachmittag folgten die normalen Unterrichtsfächer“. Pia kam mit 19 nach Deutschland und studierte klassische Posaune an der Musikhochschule in Köln.

Feine Töne strahlen Pia und Oliver von „Gosto Delicado“.

 

Und so entstand 2003 die Band „Gosto Delicado“: „Feiner Geschmack“ heißt das in etwa. „Alles Bio“, sagt Pia lachend und meint damit: Unsere Musik ist nicht billig, nicht platt, sondern ruhig, intim – und eben etwas feiner. Wie zum Beispiel der Choro, ein brasilianischer Musikstil, in dem sich klassische Elemente und Tanz mischen. Oliver Lob, der Gitarrist, beschreibt diesen Stil mit einem Wort, das in seinen Augen eine Brücke schlägt zwischen Köln und Rio: Es ist das Wort „saudade“, übersetzt am ehesten mit „Sehnsucht“, vielleicht auch mit „Melancholie“. „Der Choro ist eine urbane Musik, keine Folklore“, sagt Oliver. „Der Choro fordert sehr viel von den Musikern und wird zum Beispiel in den Salons in Rio gespielt.“ Fast philosophisch seine Bilanz: „Im Choro finden Anspruch und Leichtigkeit zusammen, das ist eine sehr, sehr brasilianische Mischung aus ernsthaften klassischen Elementen und populärer Musik.“ Oliver hat ebenso wie Felix in Amsterdam am Konservatorium studiert, und seine Gitarre beherrscht er in spielerischer Perfektion.

Zurück zum Konzert am Abend im Pfandhaus: Beim Medley „Fala Baxinho/Chorando Baxinho“ erklingt der Choro in Köln – mit Pía an der Posaune. Das Publikum ist begeistert, nicht zuletzt, weil viele kaum mit einer Posaune gerechnet haben, schon gar nicht, wenn sie von einer eher zierlichen Person gespielt wird. Zum Schluss gibt es dann noch einige gemeinsame Lieder von „Gosto Delicado“ und dem Chor „Vozes do Brasil“ – und wieder stimmen die Zuhörer ein und singen mit. Hinterher berichten einige von Gänsehaut-Erlebnissen. Fazit: Der Abend war eine sehr angenehme, unterhaltsame Reise durch Brasilien. Mit solchen Musikern dürfte die Städtepartnerschaft Köln/Rio eine aussichtsreiche Zukunft haben. Und das Erkennungslied gibt es ja schon: Es ist natürlich „Ene kölsche Jung“, in der brasilianischen Fassung.

 

 

Mehr über beide Gruppen erfährt Ihr unter www.gostodelicado.com und
www.vozes-do-brasil.de

Schwarz-Weiß Bilder: Laurence Voumard, Julie Delabarre

 

Text: Jörg-Christian Schillmöller

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