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Gesellschaft

Die gespaltene Stadt

Freitag, 12. Dezember 2014 | Text: Wassily Nemitz | Bild: Wassily Nemitz

Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten

„PEGIDA“ – seit Wochen demonstrieren die Anhänger der rechtspopulistischen Bewegung immer montags in Dresden. Unser Autor Wassily Nemitz, der inzwischen dort lebt, beobachtet die Kundgebungen und hat seine Eindrücke für „Meine Südstadt“ aufgeschrieben.

 

Es ist Montagabend, Mitte November. Ich stehe an der Statue des „Goldenen Reiter“ in der Dresdner Neustadt. Um mich herum ein paar Hundert, vorwiegend junge Menschen. Das Bündnis „Dresden Nazifrei“ hat zu einer Demonstration gegen „PEGIDA“ aufgerufen, das steht für „Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“. Die Bewegung hat Zulauf, Kritiker werfen ihr vor, Ängste zu schüren – auch gegen Asylbewerber. 

 

Die Gegendemonstation geht los. Mit dabei ein Lautsprecherwagen. Wir ziehen los, eine Frau brüllt durch das Mikrofon „Wir möchten die Öffentlichkeit darüber informieren, wer wirklich hinter PEGIDA steckt! Es handelt sich hier um Menschen, die eine rassistische und faschistische Weltanschauung vertreten!“ Nach einer Runde durch die Altstadt endet die Veranstaltung am Postplatz. 

 

Nur ein Abendspaziergang?

 

Auf der anderen Seite einer Straße hat sich „PEGIDA“ zu seiner Kundgebung versammelt. Schon auf den ersten Blick wird deutlich: Dort sind viel mehr Menschen! Nur durch einige Polizisten getrennt stehen sich die beiden Lager gegenüber. Dann beginnt „PEGIDA“ mit einem „Abendspaziergang“, die Menschen laufen, Deutschlandfahnen schwenkend, friedlich an uns vorbei. Die Gegendemonstranten skandieren „Haut ab!“, einige wenige Antifa-Anhänger legen sich mit der Polizei an. Sonst geschieht nichts.

 

Ich schaue mir die Teilnehmer des „Spaziergangs“ an. Sind das wirklich „tausende rohe Gestalten“, wie sie die taz gesehen haben will? Nein. Es sind Menschen, die vom oft klischeehaft zitierten „netten Nachbarn“ über die Studentin bis hin zum Familienvater reichen. Klar, ein paar „rohe Gestalten“ sind auch dabei – erschreckend deutlich wird aber, dass es diesmal die „Mitte der Gesellschaft“ ist, die für scheinbar rechte Positionen auf die Straße geht.

 

500 Rechtradikale bei 10.000 Demonstranten

 

Werner J. Patzelt, Politikwissenschaftler an der Technischen Universität Dresden und omnipräsenter Dauergast auf Veranstaltungen, sprach in der Sendung Anne Will von „vielleicht 500 Rechtsradikalen“, die unter den Demonstrierenden seien. Auf 10 000 Menschen gerechnet, sei das „nicht so viel“. Wer sich die Facebook-Seite der „PEGIDA“ anschaut, stellt fest: Vermutlich hat Patzelt Recht. 

 

Zwar treten in den meisten Kommentaren zumindest latent rassistische Gesinnungen zu Tage, aber ein jeder legt Wert darauf, „kein Nazi“ zu sein. Sicher, das ist altbekannte Masche – doch helfen Schlachtrufe wie „PE-GI-DA Ras-sis-ten-pack – wir – ha-ben – euch- zum – Kot-zen – satt!“ wirklich weiter? Lässt sich ein Mensch, der offenkundig aus welchen Gründen auch immer empört ist, durch solche Parolen überzeugen? 

 

Sternlauf in Dresden

 

Dann diesen Montag: Nach Wochen, in denen vorwiegend die Antifa und einige wenige, linke Initiativen zu Gegenveranstaltungen aufriefen, kommt endlich ein breites gesellschaftliches Bündnis zu Stande. Die Technische Universität, Kirchen, die jüdische Gemeinde, der islamische Verband, der Studentenrat, die Parteien, sogar die Dresdner Verkehrsbetriebe AG rufen zu einem „Sternlauf“ gegen „PEGIDA“ auf. 

Von sechs Startpunkten geht es los, alle Gruppen treffen sich auf dem Rathausplatz. Der ist für die Abschlusskundgebung viel zu klein, etwa 9.000 Menschen drängen sich dort. Auf der anderen Seite einer Hauptverkehrsstraße stehen jene 10.000 „PEGIDA“-Anhänger, die angeblich aus Rücksichtnahme vor dem Einzelhandel nur eine stationäre Kundgebung abhalten. 

 

Es ist beklemmend und ein wenig gruselig zu wissen, dass auf der anderen Seite eine Masse versammelt ist, deren Identität und deren Forderungen weitestgehend unklar sind. Menschen, die zwar ganz nah, aber nicht sichtbar sind. Auf „unserer“ Seite läuft Partymusik, die einzelnen Gruppierungen stellen ihre Forderungen vor, dann tritt eine Band auf – ausgelassene Stimmung, die Willkommenskultur vermitteln soll. Gegen Ende der Veranstaltung fliegen ein paar Böller aus dem „PEGIDA“-Lager auf uns, glücklicherweise eskaliert die Lage nicht. 

 

Morddrohungen gegen Organisator

 

Dennoch: Im Vorfeld des Sternlaufs kam es zu Morddrohungen gegen Eric Hattke, Mitglied des Studentenrats, der zu der Demo mit aufgerufen hatte. Per SMS und E-Mail wurde ihm mitgeteilt, man wolle ihm „in seiner vertrauten Umgebung“ deutlich machen, was Sache sei. Solidarisch lief der Rektor der TU Dresden, Hans Müller-Steinhagen, Seite an Seite mit Eric Hattke. 

 

Im Interview mit dem MDR Sachsenspiegel erklärte der Studentenvertreter: „Ich lasse mich nicht einschüchtern!“. Nach einer erneuten, diesmal telefonischen Morddrohung fordert er die offiziellen „PEGIDA“-Vertreter auf, sich öffentlich von derartigen Aktionen zu distanzieren. Das Problem ist nur: „PEGIDA“ spricht jenseits von Facebook ungern mit der Öffentlichkeit. 

 

Aus „Krankheitsgründen“ abgesagt

 

Letzte Woche Mittwoch: Die sächsische Landeszentrale für politische Bildung lädt zur Diskussion über und, so ist es geplant, mit „PEGIDA“. Doch gleich zu Beginn der Veranstaltung muss deren Direktor Frank Richter ankündigen, dass leider kein Vertreter der Initiative kommen werde, aus „Krankheitsgründen“, wie es heißt. Merkwürdigerweise sind am Montag darauf alle wieder gesund. 

 

Wie soll da ein Dialog zustande kommen? Wie soll man mit Menschen diskutieren, die Medien grundsätzlich als „linksgrün“ und Teil einer Verschwörung sehen? Auf ihrer Facebook-Seite veröffentlicht die Gruppe eine Presseanfrage der Sächsischen Zeitung. Der Redakteur hatte neben Fragen zu den Zielen auch Nachfragen zur Vergangenheit ihres Gründers, Lutz Bachmann, gestellt. 

 

Auf Bewährung frei

 

Der Mann ist mehrfach vorbestraft, handelte mit Drogen und floh vor der sächsischen Justiz nach Südafrika. Inzwischen will er geläutert sein, mit all den „alten Geschichten“ nichts mehr zu tun haben, ist aber bis Februar noch auf Bewährung in Freiheit. Ergänzend zu einer Antwort auf seine Fragen wurde dem Zeitungsredakteur vorgeworfen, er wolle Bachmann „diskreditieren“ und „diffarmieren“ [sic!]. 

 

Immerhin, vor der Demonstration am vergangenen Montagabend äußerten sich eine Dame und ein Herr der „PEGIDA“-Bewegung vor den Kameras des MDR Sachsenspiegels. Offensichtlich unvorbereitet beantworten sie Fragen mit Stammel-Antworten. Schnell wird mir klar: Diese Menschen sind sich untereinander nicht einig. „Normalen“ Teilnehmerinnen und Teilnehmern wird ohnehin verboten, mit der Presse zu sprechen.

 

Begründete Ängste?

 

„PEGIDA“, das macht das nun veröffentlichte Positionspapier klar, steht für eine „Hardliner“-Politik: man will zwar Asylbewerbern grundsätzlich helfen, so genannte „Wirtschaftsflüchtlinge“ und jene, die mit dem Gesetz in Konflikt geraten, sollen aber schnellstens abgeschoben werden. Interessanterweise scheint Lutz Bachmann sich selbst von diesen Regelungen auszunehmen – wieso nimmt er sonst für sich ein Recht auf Selbstläuterung in Anspruch, das er anderen abspricht? 

 

Klar ist aber auch – hinter diesen „offiziellen“ Forderungen stecken Ängste und Sorgen vor einer „Überfremdung“. Inhaltlich mögen sie angesichts eines Ausländeranteils in Sachsen von um die 2% völlig unbegründet sein – real sind sie aber vorhanden. Diese Ängste und Sorgen werden durch Niederbrüllen und Blockaden nicht verschwinden (wichtig sind sie dennoch). Das geht nur in einem gesellschaftlichen Dialog, zu dem beide Seiten bereit sein müssen. Das scheint momentan nicht der Fall zu sein.

 

Dresden ist gespalten. Dass diese Spaltung nicht tiefer wird, ist Aufgabe aller. Denn wenn sich Meinungen wie die von „PEGIDA“ langfristig in unserer Gesellschaft durchsetzen, ist das brandgefährlich. Und man mag von Dresden halten was man will – auch scheinbar weltoffene Städte wie Köln sind vor derartigen Bewegungen nicht gefeit. Daher: am Sonntag auf die Straße!

 

Wer mehr über PEGIDA lesen möchte, kann das hier tun.

Text: Wassily Nemitz

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