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Kultur Politik

„Die Musik ist das Transportmittel“

Sonntag, 7. Dezember 2014 | Text: Nora Koldehoff | Bild: Tamara Soliz

Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten

Die Zeiten, in denen Komponisten ihre Stücke am Flügel anspielen und dann Note um Note mit Bleistift notieren, gehören der Vergangenheit an. Fragt man Mariana Sadovska, wo ihr Arbeitsplatz oder Atelier sei, lacht sie und antwortet, das sei zu Hause: „Ich arbeite vor allem an Keyboard und Computer. Aber das klassische Arbeiten gibt es schon auch noch.“

Mariana Sadovska ist Sängerin, Komponistin, Musikerin und Schauspielerin.
Als die ‚ukrainische Björk‘ wird die zierliche Frau und dem freundlichen Lächeln oft bezeichnet. Tatsächlich gleicht sich die Arbeit beider Künstlerinnen darin, dass sie in keine der herkömmlichen Schubladen im Kulturbetriebsschrank passen. „Ich hatte Glück“, sagt sie selbst, „Ich habe meine ukrainischen Wurzeln und die Musik. Das lässt mich beides nicht in Ruhe und begleitet mich überall hin, wo ich auch bin.“ Inzwischen wohnt Mariana Sadovska seit 12 Jahren in der Kölner Südstadt. Ihre Kinder gehen hier zur Schule.

Geboren ist die 42-Jährige in Lwiw, dem ehemaligen Lemberg, in der ukrainischen SSR. Dort besuchte sie die Musikfachschule und arbeitete danach erst am Lemberger Theater und anschließend als musikalische Leitung am Gardzienice-Theater in Polen. Was sie dort lernte, prägt sie bis heute: Mariana Sadovska entdeckte ihr Interesse an traditioneller Musik –  nicht allein an der ukrainischen, sondern auch dem, was heute Weltmusik heißt. Die Lieder, die ihr andere Menschen vorsangen und ihre Geschichten sammelte sie, zunächst nur aus persönlichem Interesse: „Es kam vor, dass ich ein Lied sang und dann jemand auf mich zukam und antwortete: ‚So, jetzt singe ich Dir mein Lied vor’“.

Natürlich beschäftigen auch die politischen Ereignisse in der Ukraine und die Folgen für die Menschen dort Mariana Sadovska sehr. „Wir haben einen großen Zusammenhalt, stehen in Kontakt, und nahezu Jeder wird zum Aktivisten, engagiert sich. Ich war hin- und hergerissen, was für mich das Richtige ist: Hinzufahren und meinem Bruder dabei zu helfen, Brote für die Demonstranten zu schmieren, oder hierzubleiben und davon zu erzählen, was dort passiert. Jetzt habe ich durch meine Arbeit eine Antwort und ein Ausdrucksmittel gefunden.“

 

In ihrer Musik verarbeitet sie die aktuelle Situation dort und auch ihre Gedanken und Gefühle. Zum ersten Mal hatte sie aber auch bei Texten, die sie dazu las – etwa die Gedichte eines ukrainischen Lyrikers oder auch einen Facebook-Eintrag einer Schriftstellerin – das Bedürfnis, dazu eine Musik zu komponieren und den Text darin zu verarbeiten.

Nach Köln verschlug es die Musikerin durch Zufall. Ihr jetziger Mann, der Schauspieler André Erlen, besuchte einen Workshop in Polen, den sie leitete. Auf eine Zeit der Fernbeziehung folgten Pläne zusammenzuziehen – daraus wurde aber zunächst nichts. Bei einem Urlaub in den USA stellte sie in der New Yorker ukrainischen Gemeinde zum ersten Mal ein Programm aus ihren gesammelten Lieder und Geschichten zusammen, das sie bei einem Liederabend vortrug. Das stieß auf ein so großes Interesse, dass es den Anstoß gab, die ethnografische Arbeit fortzusetzen.

 

„Ich sehe mich als Übersetzerin“ beschreibt sie diesen Teil ihres Schaffens. „Ich gebe die Lieder weiter. Jedes Lied ist ein Monolog eines Menschen und erzählt seine Geschichte.“ Nach dem Konzert kam ein Mann auf sie zu, der für die New Yorker „Earth Foundation“ arbeitete, und bot ihr ein Stipendium für zwei Jahre dort an. So wurde der Umzug in Köln noch eine Weile aufgeschoben, dafür zog aber ihr jetziger Mann zu ihr nach New York: „André ist auch in meiner künstlerischen Arbeit mein Hauptpartner. Wir machen sehr viel zusammen und besprechen die Idee, entwickeln etwas weiter, schreiben zusammen einen Text für eine Melodie.“

 

„Die Musik ist das Transportmittel“ / Foto: T.Karas

In New York arbeitete Mariana Sadovska regelmäßig mit anderen Künstlern zusammen. Mit vielen hat sie noch Kontakt, und bis heute empfindet sie die USA als ihr zweites künstlerisches Epizentrum, führt dort immer wieder Projekte durch. Ganz bewusst arbeitete die Musikerin nicht in erster Linie mit anderen traditionellen ukrainischen Künstlern zusammen, um auch andere kulturelle Einflüsse und Ideen noch besser kennenzulernen.

 

Denn gerade das Aufeinandertreffen von verschiedenen Welten empfindet sie als große Bereicherung: „Die Lieder entwickeln sich. Sie lassen mich nicht in Ruhe, und ich mische die Stile nicht bewusst oder arrangiere gezielt. Aber das, was ich von anderen Menschen kennengelernt habe, prägt auch meine Arbeit mit und so entwickelt es sich immer weiter. Und die Musik ist das Transportmittel.“

Viele Kinder in der Südstadt kennt Mariana Sadovska, auch wenn sie noch keines ihrer Konzerte oder keinen Liederabend besucht haben. Denn in Zeiten, in denen nicht so viele aktuelle künstlerische Projekte anstanden –auch weil die eigenen Kinder noch klein waren – nahm sie am Projekt ‚Kultur und Schule‘ teil: Künstlerinnen und Künstler aus allem möglichen Sparten haben darin die Möglichkeit, an Schulen Projekte mit Kindern durchzuführen – ganz gleich, ob in der Bildenden Kunst, in Theater, Musik oder Tanz.

 

Fünf Jahre lang nahm die Musikerin daran teil und unternahm mit den Kindern der Montessorischule, der Grundschule Loreleystraße und der Grundschule Mainzer Straße, was sie „musikalische Weltreisen“ nennt. Dabei erzählte sie über verschiedene Länder und brachte landestypische Speisen und Gewürze mit, damit die Kinder nicht nur davon hören, sondern auch mit anderen Sinnen Neues kennenlernen: „Und meine große Passion, die Weltmusik, eignet sich für Kinder besonders gut, um einen Einstieg zu finden. In der klassischen Musik oder auch beim Jazz, da heißt es: ‚Du hast Talent, Du nicht so sehr.’ In der traditionellen Musik kann Jeder mitsingen oder mitmusizieren. Und ich habe es oft erlebt, dass gerade Kinder, die nie vorher musiziert hatten, etwas in sich entdeckt haben, mit dem sie selbst, die Eltern oder die Lehrer gar nicht gerechnet hatten. Das ist sehr schön und berührend zu erleben.“

 

Text: Nora Koldehoff

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