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Gesellschaft Sport

Die WM, mein Gewissen und ich!

Donnerstag, 12. Juni 2014 | Text: Gastbeitrag | Bild: Dirk Gebhardt

Geschätzte Lesezeit: 2 Minuten

Jetzt ist es endlich soweit! Anstoß! Endlich geht es los und Deutschland holt sich einen weiteren Stern auf die Trikot-Brust! Endlich genau so viele, wie die Italiener!??

 

Doch kann man sich ungetrübt dem WM Genuss hingeben?  Nein! Aufgrund der massiven Proteste, der sozialen Spannungen und des brutalen Vorgehens der Militärpolizei, wird schon seit Wochen in sozialen Netzwerken zum Boykott aufgerufen. Auch gestern wieder während des Eröffnungsspiels: Demos und Polizei mit Gummigeschossen!  Oh Mann, was nun? Ich versuch doch, alles richtig zu machen, kaufe „Bio“ und „fair“. Da kann ich doch nicht unreflektiert Fußball gucken.??

 

Aber vielleicht geht das ja: Politisch korrektes WM Gucken! Ich frage Marcia Ramalho. Sie stammt aus Rio, lebt seit Jahren in Köln und arbeitet aktiv im Kölnrio e.V. Hier wird sich um die Städtepartnerschaft zwischen Köln und Rio gekümmert.??

 

Wir treffen uns im Wippn’BK. Auch hier stehen alle Zeichen auf WM. Ein Fahnenmeer über der Tür. Na toll, wenn Marcia nun eine WM-Gegnerin ist, am Ende gar keinen Fußball mag, dann kann ich mir ja jetzt was anhören. Adé, Du schöne WM! Aber Marcia mag Fußball und aus einem knappen Interview wird ein anderthalbstündiges Gespräch. „Sich kurz fassen“ gilt in Brasilien nämlich fast schon als Schimpfwort!??

 

Marcia findet, ich solle ganz beruhigt Fußball schauen. Sie sagt, dass in Brasilien  alle das Trikot überstreifen und die Spiele verfolgen. Es wird protestiert, was sie im Übrigen auch für richtig und nötig hält, aber eben gleichzeitig auch mitgefiebert.
„Ganz oder gar nicht“ scheint etwas deutsches, etwas europäisches zu sein. Wir möchten es halt gerne richtig, politisch korrekt machen.??

 

Mein Vorurteil, über die Fußballverrücktheit der Brasilianer, scheint gerechtfertigt zu sein. Der Umbau des berühmten Maracana Stadions in Rio, so beschreibt Marcia, war einer der Tropfen, die das Fass zum Überlaufen brachten und die Proteste gegen die mangelnden Investitionen in Bildung, Infrastruktur und die soziale Ungleichheit anheizten. „Fußball ist Fußball und Politik ist Politik“ gilt nicht mehr. Marcia meint, die WM wird mittlerweile eindeutig politisch genutzt. Immerhin stünden im Oktober Wahlen in Brasilien an. „Es wäre das Beste, wenn Brasilien die WM verlöre. So käme es zu einem Regierungswechsel!“ zitiert Marcia eine Aussage aus dem bereits beginnenden Wahlkampf.??“

 

Das Vorgehen der Militärpolizei in den Favelas und der Widerstand sind nicht neu“, so die Brasilianerin. Aber die weltweite Berichterstattung erzeuge entsprechende Aufmerksamkeit. Und so rät Marcia mir: Hinschauen! Und zwar über „…den Tellerrand! „?OK, Marcia, wird gemacht! Und zwar auch noch nach der WM und auch nach den Olympischen Spielen 2016!??

 

Durch unser Gespräch wächst mein Respekt vor der gesamten Protestbewegung noch mehr. Ich habe fast das Gefühl, die WM zu boykottieren beleidige die Gastgeber und schwäche den Widerstand. Klingt etwas pathetisch, fühlt sich aber so an.??

 

Wir sprechen auch über die „Midia Ninjas“ (Meine Südstadt berichtete). „…bis tief in die Nacht…“ hat Marcia deren Berichte und Reportagen im Netz verfolgt, als die Proteste begannen. Hier sollte man sich also auch während der WM informieren, um ein kompletteres Bild zu erhalten.??

 

Zum Abschluss stelle ich Marcia die Frage aller Fragen: „Wer wird Weltmeister?“

?Sie zögert keine Sekunde: „Brasilien!“?

 

Sascha Schiffbauer

Der Autor ist ein echtes Südstadtkind und außerdem Schauspieler, Entertainer und Moderator, lebt hier im Viertel mit seiner Familie und zwei Katzen.

Mehr im Netz?

Wer mehr wissen will: www.koelnrio.de
 

Text: Gastbeitrag

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