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Südstadt

„In der Südstadt spüre ich gelebte Leichtigkeit“

Freitag, 19. Januar 2024 | Text: Markus Küll | Bild: Nina Schöner

Geschätzte Lesezeit: 5 Minuten

Auf einen Milchkaffee mit Nicola Thomas-Landgrebe, neue Pfarrerin der Lutherkirche

Am Sonntag, dem 21. Januar, wird sie mit einem feierlichen Gottesdienst eingeführt: Nicola Thomas-Landgrebe, erfolgreiche Theater- und Filmschauspielerin und seit 2023 evangelische Pfarrerin. Warum dieser Gottesdienst in der Antoniterkirche stattfindet und welche Pläne die neue Pfarrerin für und rund um die Lutherkirche hat, hat sie Meine Südstadt bei einem Milchkaffe erzählt.

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Vom Theater in die Kanzel

Meine Südstadt: Herzlich Willkommen in der Südstadt! Beginnen wir mit einer biografischen Frage: Sie sind ausgebildete Schauspielerin, haben mit bedeutenden Regisseuren wie Jürgen Flimm am Thalia-Theater gearbeitet und jetzt seit einigen Jahren evangelische Pfarrerin. Wie passt das zusammen?
Nicola Thomas-Landgrebe: Gute Frage! Ich weiss gar nicht, ob es zusammen passt. In meinem Leben kommt es einfach zusammen.  Ich habe mit dem Studium der Theologie in Bonn angefangen, als ich 42 war. Wieder an der Uni zu sein und zu studieren hat mich so gepackt, und war eine so erfüllende Zeit, dass daraus mein jetziger Beruf wurde.

Mein Mann ist auch Pfarrer – durch ihn habe ich Theologie kennengelernt. Als Schauspielerin war ich ja unter anderem am Thalia-Theater. Jürgen Flimm war mein erster Intendant – das hätte ich mir auch nicht träumen lassen, dass ich später einmal in seiner Stadt Köln als Pfarrerin arbeite!

Sie sind in Augsburg geboren, haben in Hamburg und im Ruhrgebiet gelebt: Wie gestaltet sich die Annäherung an das Rheinland?
Ich bin ja schon seit 2005 mit Köln verbunden. Mein Mann ist in Bergisch-Gladbach aufgewachsen. Köln ist mir total ans Herz gewachsen – und das ist überhaupt nicht schwierig. Köln ist das Pflaster, wo alles am leichtesten und am unkompliziertesten läuft – es war gar kein Problem, hier Fuß zu fassen.

Halb im Norden, halb im Süden

Sprechen wir über Ihre Kirche, die evangelische Kirche, bei der Sie sowohl an der Lutherkirche wie auch an der Thomaskirche in Köln Mitte mit je einer halben Stelle sind. Wie sehen Sie die zunehmende Abwanderung von Mitgliedern?
Wir haben sehr damit zu kämpfen, dass sich immer weniger Menschen der Kirche zugehörig fühlen. Das ist ein Dauerthema – was insofern schade ist, weil man über das, was schön an der Kirche ist, was sie Gutes macht, so wenig redet.

Das tut etwas weh – insbesondere für die jüngeren Theologinnen und Theologen, die jetzt nachkommen. Die erben ja gewissermaßen diese Situation. Deswegen ist unsere größte Aufgabe, eine Kirche zu gestalten, die anziehend ist und die Lust darauf macht, sich zu engagieren.

In einer Ihrer ersten Predigten in Köln haben Sie beschrieben, dass Sie „Angst und Selbstsorge“ in der Gesellschaft wahrnehmen. Wie erleben Sie die Menschen in der Südstadt? Nehmen Sie das auch hier wahr?
Nein, auf jeden Fall nicht auf den ersten Blick. Ich glaube, dass die Angst viele Menschen in der Zeit, in der wir leben, umtreibt. Ich sehe aber gerade in der Südstadt so viel Hoffnung, hier sind so viele Familien. Ich spüre hier viel Energie und gelebte Leichtigkeit. Hier passiert viel auf engem Raum.

Das Lebensgefühl, wenn man hier durch die Straßen geht ist – auch unabhängig vom Karneval – von einer Stimmung der Hoffnung geprägt. Mein Eindruck ist, dass das auch die nächsten Jahre trägt. Das erlebe auch übrigens auch in meiner „anderen“ Kirche, der Thomaskirche im Agnesviertel .

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Sie haben es gerade schon erwähnt: Sie teilen Ihre Pfarrstelle auf zwei Kirchen, zwei Gemeinden auf. Wie funktioniert das für Sie?
Ich habe mich da bewusst drauf eingelassen. Es ist eine Art „Erprobung“, ob das auf Dauer ein Modell ist, das möglich ist. Wir müssen mit den Ressourcen umgehen, wie sie sind. Ich selber empfinde das als sehr anregend, zwischen verschiedenen Gemeindestrukturen wechseln zu müssen, mich mit anderen Menschen, die andere Erwartungen haben, zu verbinden. Langweilig wird’s wirklich nicht. In dieser Struktur kann wirklich keine Routine einkehren.

Foto: Nina Schöner

Kirche und Kultur

Die Lutherkirche wird ja nicht nur theologisch wahrgenommen, sondern auch als kultureller und politischer Impulsgeber. Was aber kann die Lutherkirche an theologischen Botschaften ins Veedel senden?
Das werde ich in der Tat überraschend selten gefragt – obwohl genau das ja eigentlich unser Auftrag ist. Die Frage ist natürlich immer, wie man’s macht. Es war in den ersten Gemeinden, in Korinth, wie Paulus es beschreibt, auch so: Kirche zu sein hieß, von Anfang an hauptsächlich auf der Seite der armen Schlucker und Randständigen zu sein, umringt vom sonstigen Stadtleben.

Das wäre zu wünschen, dass Menschen sich ohne äußere Hürden ihres Glaubens wegen zusammenfinden. Wegen ihres Glaubens kommen in der Gemeinde ganz viele verschiedene Milieus zusammen – und das ist wirklich schön zu erleben. Es bedeutet aber auch, sich die Offenheit und Durchlässigkeit zu bewahren, dass jeder Mensch sich eingeladen fühlt zu kommen.

Was das Thema Kultur angeht, komme ich ja aus der Kulturszene. Ich sehe viele Schnittpunkte zwischen den Fragen, die wir als Schauspieler*innen etwa im „Faust“ auf der Bühne behandelt haben und den Fragen der Menschen in der Gemeinde haben. Ist zum Beispiel jemand, der glaubt, frei oder in der Religion gefangen?

Ich glaube, dass es eine starke Parallele zwischen kreativer Kultur und Kirche gibt: beide brauchen Freiheit. Auf jeden Fall spielen diese beiden Elemente hier in der Lutherkirche eine große Rolle – das nehme ich deutlich wahr. Für mich darf es aber keine zahnlose Glaubensarbeit geben. Wir müssen für Glaubensgespräche zur Verfügung stehen sensibel und erreichbar sein.

Weltliches und Theologisches

Lassen Sie uns kurz über Ihren Vorgänger, den langjährigen „Don Camillo der Südstadt“, Hans Mörtter sprechen, der zu den Menschen gehört, die das Viertel geprägt haben. Man hat ihn und die Lutherkirche sehr politisch und global denkend wahrgenommen. Wie sehen Sie die Position Ihrer Kirche „in der Welt“?
Ja, so habe ich die Lutherkirche auch immer wahrgenommen – hochsozial und engagiert. Dafür ist die Lutherkirche auch bekannt.

Ich schätze aber auch sehr die „leisen“ Sachen vor Ort. Unsere Aufgabe ist da, wo wir sind, in Gesprächen, in Seelsorgearbeit mit den Menschen, die hier leben, zur Verfügung zu stehen. Ich finde alles hat sein Recht. Vor allem haben wir die Aufgabe, Angebote zu machen, damit Menschen in Glaubensfragen ein waches, aufmerksames Gegenüber haben. Auf jeden Fall warne ich davor diese beiden Pole, den weltlichen und den theologischen, gegeneinander auszuspielen. Ob in der Südstadt oder im Agensviertel – ich spüre eine große Bereitschaft sich auf den Glauben und auf neue Menschen wie mich einzulassen.

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Die Lutherkirche verbinden viele mit Events und Veranstaltungen. Die Südstadt fragt sich natürlich, wie es mit Nubbelverbrennung, kleinstem Weihnachtsmarkt etc. weitergeht.
Das ist alles höchst erhaltenswert! Was kann man Schöneres sagen, als dass es in und rund um die Lutherkirche lebendig zugeht. Das ist im besten Sinne soziales Entertainment. Es ist aber auch ein riesiger organisatorischer Aufwand, der da geleistet werden muss Auch die  Zahl der Kirchenaustritte hat Auswirkungen auf die finanzielle Situation und damit auf den Handlungsspielraum. Es gibt daneben aber auch besinnlichere und kontemplativere Formate. Das würde ich gerne alles nebeneinander stehen lassen wollen.

Gute Kirche zeichnet sich immer dadurch aus, dass sie lebendig ist – auch wenn es da immer neue Formen geben wird. Mein Verständnis ist, dass immer, wenn Menschen in Beziehung treten, dies eine religiöse Erfahrung ist. Insofern macht ein Tango-Gottesdienst absolut Sinn.  Genau wie der Karnevalsgottesdienst am Karnevalssamstag, den wir in diesem Jahr gemeinsam mit einigen Frauen aus der Gemeinde gestalten werden.

Das wird ganz anders als bei Hans Mörtter, der das ja höchst erfolgreich gemacht hat. Da wagen wir ein Experiment – aber Karneval an sich ist ja auch ein großes Experiment. Das Tolle ist ja: Seit es den Kölner Karneval gibt, gilt „Narren sind frei“ – und die Kirche tut gut daran auch zu zeigen, dass sie diesen Gedanken auch schätzt.

 

Text: Markus Küll

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