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Kultur

Irdische Außerirdische

Montag, 15. Februar 2016 | Text: Reinhard Lüke | Bild: © déjà-vu film

Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten

„Above & Below“. Ein spektakulärer (Dokumentar-)Film im Odeon. 

Das Bild zeigt Schwärze. Im Hintergrund werden bald spärliche Lichter sichtbar. Taschenlampen womöglich, in deren schwachem Schein schemenhaft menschliche Figuren erkennbar werden. Was ist das, was geschieht da? Höhlenforscher bei der Arbeit? Möglich. Dann ein bärtiger Mann, der in einer wüstenartigen Gegend bei gleißendem Sonnenlicht mit einem Stock merkwürdige Kreise in den Sand zieht, später eine Grube aushebt, ein Kreuz aus Stöcken darüber legt und etwas von einer Versuchsanordnung faselt. Und schließlich eine kleine Gruppe von Menschen, die in seltsamen Raumanzügen in einer gänzlich unwirtlichen, rötlichen Steinwüste herumtapern, über Funk ständig Positions- und Wetterdaten übermitteln und mit großem Ernst unterwegs sind. Aber wo? Auf dem Mond wohl kaum. In irgendeinem TV-Studio? Wird da gerade ein neues Sciene-Fiction-Epos gedreht? Auuch nicht.

Denn bei näherem Hinsehen tragen die Anzüge eindeutig trashige Züge, könnten japanischen Genre-Filmen der 60er Jahre oder der „Raumpatrouille“ entstammen. Die eckigen Tornister auf den Rücken der Protagonisten muten arg voluminös an und die Atemschläuche, die aus ihnen in die Helme der irgendwie Außerirdischen münden, sehen eindeutig nach Plastikrohren aus dem Baumarkt aus.

Was ist das? Eine durchgeknallte Phantasie eines abgedrehten Filmemachers? Nö. Ein Dokumentarfilm. Irgendwie schon. Denn die Rätsel um die handelnden Akteure werden relativ früh aufgelöst. Die Gestalten im Dunkeln sind Rick und Cindy, ein Liebespaar, das seit Jahren buchstäblich in der Unterwelt lebt. Nicht in einer imaginierten sondern ganz konkret im Untergrund von Las Vegas. Genauer gesagt, in den Abwasserkanälen des Spieler-Paradieses. Kanäle, die nicht für die Abwässer aus Toiletten sondern lediglich für die Aufnahme von Regenwasser gebaut wurden. In der Wüste von Nevada sind Regengüsse zwar eine seltene Erscheinung, kommen aber vor. Und da die Stadt ansonsten komplett zubetoniert ist und keinerlei Freiflächen hat, die Niederschläge aufnehmen könnten, gibt es diese Kanäle, die unzähligen Menschen als Wohnung dienen. Immer in der Angst vor dem nächsten Regen, in dem ihre gesamte, spärliche Habe  davon schwimmen könnte.

Der einsame Bartträger unter gleißender kalifornischer Sonne heißt Dave, bewohnt einen ehemaligen Bunker (- wozu wurde der gebaut?), war mal Trucker und GI, spielt mehr als passabel Schlagzeug und Klarinette, ist aber in seinem Leben mehrfach falsch abgebogen. Wenn er nicht Kreise in den Sand malt, Ameisen mit dem Flammenwerfer zu Leibe rückt, sein fahruntüchtiges Wohnmobil streichelt oder mittels leerer Bierflaschen Aufrufe (- an wen?) auf den Boden legt, radelt er machmal in ein Café, wo er sich nach zwei gescheiterten Ehen bei  Facebook Fotos seiner Enkelkinder anschaut, die er im wirklichen Leben nie kennengelernt hat. Irgendwann bittet seine letzte Ehefrau via Internet um die Scheidung. Kein Problem, antwortet er. Er wolle die Papiere gern unterschreiben, habe aber leider keine Postadresse, an die sie sie schicken könnte.

 

Eine durchgeknallte Phantasie eines abgedrehten Filmemachers? / Foto: © déjà-vu film

Aus den Menschen in den seltsamen Selfmade-Raumanzügen kristallisiert sich irgendwann die junge April als Protagonistin heraus, die ihre Frustrationen ihres bisherigen Erdenlebens zu Protokoll gibt. Weshalb sie sie sich nach eigenem Bekunden jener privaten Trainingsgruppe angeschlossen hat, die sich in den garstigen Badlands des Bundesstaates Utah für ein Leben auf dem Mars vorbereitet.
 
Diese Geschichten von US-Bürgern, die sich gezwungenermaßen oder freiwillig an den Rändern der Gesellschaft bewegen, hätten fraglos die Folie für einen Dokumentarfilm mit der hinlänglich  erprobten Betroffenheits-Ästhetik abgegeben. Doch davon ist dieser Film des Schweizer Regisseurs Nicolas Steiner meilenweit entfernt. Auch wenn mit zunehmender Dauer die tragischen Schicksale der einzelnen Protagonisten erkennbar werden, ist der Film auf der Bildebene vor allem großes Kino. Einer der seltenen  Dokumentarfilme, der unbedingt eine große Kinoleinwand verdient. Wobei Steiner ständig die Grenzen des Dokumentarischen auslotet und auch schonmal in das Geschehen inszenatorisch eingreift, wenn er etwa in die gefluteten Kanäle in Las Vegas nur um des Effektes willen unzählige Tischtennisbälle kippt. Genre-Puristen werden angesichts solcher Szenen vermutlich empört Protest anmelden. Doch andererseits stellt der Film seine Helden an keiner Stelle bloß, sondern verleiht ihnen in all ihrer Abseitigkeit eine souveräne Würde. Unter dem Strich ist „Above & Below“ ein bildgewaltiger, mutiger, außergewöhnlicher (Dokumentar-)Film, der mit einer Laufzeit von 118 Minuten nur ungefähr eine halbe Stunde zu lang geraten ist.

„Above & Below“ ist in Anwesenheit von Autor und Regisseur Nicolas Steiner am 17.2.2016 um 20.00 Uhr im Odeon zu sehen.

 

Text: Reinhard Lüke

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