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Lükes Liebes Leben

Max Goldt auf dem Jakobsweg – Lükes liebes Leben

Montag, 26. September 2016 | Text: Reinhard Lüke

Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten

Neulich hab´ ich Max Goldt im Fernsehen entdeckt. Was ja durchaus was heißen will. Schließlich sitzt der Mann nicht ständig in irgendwelchen Talkshows herum, um ein neues Buch anzupreisen oder seinen Senf zu vermeintlich total brisanten Themen abzusondern. Macht er nicht. Und auch Mitschnitte seiner Lesungen habe ich im Pantoffelkino noch nicht gesehen. Womöglich gibt’s die nächtens bei Arte. Was ich aber auch nicht glaube. Ich denke eher, dass Max Goldt sich einfach ungern vor laufenden Kameras aufhält. Das Stück, in dem ich ihn letztens dennoch gesehen habe, war auch keine Lesung sondern eine Gesangsdarbietung aus dem Jahre 1984. Max Goldt als Sänger des Duos Foyer des Arts in der ZDF-Hitparade mit dem Song „Wissenswertes über Erlangen“.  Dieses nüchtern nur schwer erträgliche Schlager-Potpourri mit dem öligen Dieter Thomas Heck und seinem Silberkettchen am Handgelenk wird ja seit Jahren in Endlosschleife täglich zu früher Stunde auf ZDFkultur wiederholt. Wozu hat man schließlich einen Spartenkanal für die gebildeten Stände? Jedenfalls hatte sich Goldt für den Anlass in einen hellgrauen Anzug geschossen, eine rosa Krawatte umgebunden und eine Plastiktröte mitgebracht. Vermutlich, um irgendwie die Absurdität seiner Anwesenheit in solch einer Veranstaltung zum Ausdruck zu bringen. Ich weiß nicht, ob er da freiwillig war oder ob ihn seine Plattenfirma genötigt hatte. Vermutlich war er einfach jung und hatte nichts gegen Geld. Immerhin schaffte „Erlangen“ es damals bis auf Platz 36 der deutschen Single-Charts. Es war halt die Zeit, in der die Neue Deutsche Welle über die Republik schwappte und so ziemlich alles gekauft wurde, was irgendwie lustig klang. Dass die Lieder von Foyer des Arts (Mein Liebling ist immer noch „Hubschraubereinsatz“) mit dem Infantil-Humor der meisten anderen Bands der Bewegung so gar nichts gemein hatten, tat offenbar nix zur Sache. Ganz wunderbar sind in dem Hitparaden-Mitschnitt jedenfalls die Umschnitte auf die sauertöpfische Miene des Moderators und die ratlosen Gesichter des betagten Saalpublikums. Trio oder eben Foyer des Arts neben Bata Illic („Mickchaleelaaa…ah“) und Peter Orloff ( „Jeder hat dich gern, doch nur einer hat dich lieb“) – das konnte auf Dauer nicht gutgehen. Und so schmiss denn auch DTH Ende 1984 entnervt die Brocken hin. Zwar zogen sich die Reanimationsversuche mit Moderations-Lichtgestalten wie Viktor Worms und Uwe Hübner noch bis ins Jahr 2000, aber eigentlich war mit der NDW die Luft raus aus der Nummer. Der Mitschnitt mit „Erlangen“ steht jedenfalls noch immer auch bei YouTube. Ob Max Goldt das doof findet oder ob es ihm piepegal ist, weiß ich jetzt nicht. Vielleicht werd´ ich ihn mal fragen, wenn er am 5. Oktober in der Comedia ist. Zum Lesen, nicht zum Singen.

Erleuchtung im Sommerschlussverkauf
Stehe ich kürzlich bei Aldi an der Kühltheke, kommt eine nette Bekannte auf mich zu. Nach dem üblichen Geplänkel („Mensch, lange nich gesehen!“) erzählt sie mir, dass sie demnächst wandern geht. Zum Ersten Mal in ihrem Leben auf eine richtig lange Tour. Ein bisschen Bammel habe sie schon davor, schob sie noch nach. Da ich nun selbst ein ungestümer Wandersmann bin, weckte diese Auskunft natürlich meine Neugier und so fragte ich, wo es denn hingehen solle. „Auf den Jakobsweg!“, kam es freudestrahlend zurück. Und irgendwie muss meine Miene daraufhin nicht nach rückhaltloser Begeisterung ausgesehen haben. Jedenfalls erklärte die Bekannte mit den Armen abwinkend: „Nee, nicht, was du jetzt wieder denkst.“ Ja, was dachte ich denn? Dass ich sie bislang nicht als passionierte Anhängerin einer christlichen Religionsgemeinschaft wahrgenommen hatte. Und dass sie mir auch sonst gegen alle Anwandlungen von gespreizter Spiritualität und diverser Wellness-Varianten überaus bodenständig gefeit schien. Und nun der Jakobsweg. Sie gehe da auch nur lang, um eine Freundin zu begleiten, ließ sie mich dann, noch immer an der Kühltheke, wissen. Die habe das immer schon vorgehabt. Schön und gut. Kann ja nett sein. Auf dem Jakobsweg. Glaub´ ich persönlich aber eher nicht. Die Pyrenäen und die Berge Galiziens sind voll mit entzückenden  Wanderwegen, aber was macht der gemeine Mitteleuropäer? Schlappt diesen Jakobsweg lang, der in Teilen längs von Bundesstraßen verläuft und auf dem es in Hochzeiten zugeht wie auf der Schildergasse beim Sommerschlussverkauf. Nun gut, wer damit die Prognosen für sein christliches Seelenheil pushen zu können glaubt, soll das machen.  Aber der Großteil der Pilger, hab´ ich mir sagen lassen, ist auf der Suche nach eher profaner Selbsterfahrung unterwegs. Und die kann man scheint´s nur auf Wegen machen, bei denen „Selbsterfahrungsweg“ dransteht. So ein Herumgelatsche auf namenlosen Gebirgspfaden bringt diesbezüglich offenbar nix. Vermutlich ist hierzulande Hape Kerkeling für diesen merkwürdigen Jakobs-Boom verantwortlich. Kann mir aber auch egal sein, solange die Route nicht durch meinen Garten führt. Ich kenne aber auch eine Frau, die dieses selbst auferlegte Martyrium bis zur Neige in Santiago de Compostella hinter sich gebracht hat. Und sie hat mir anschließend glaubwürdig versichert, dass sich sich nie in ihrem Leben zuvor in einem geschlossenen Raum aufgehalten hat, in dem es dermaßen nach abgestandenem Schweiß gestunken hat, wie in jener Kathedrale nahe der spanischen Westküste, die das Ziel aller ungewaschenen Erleuchtungs-Schlurfer ist. Was ich meiner netten Bekannten an der Frische-Theke natürlich nicht erzählt habe.

Sonst noch was passiert? Ja, ich habe mir bei einem Herrenausstatter eine Übergangsjacke gekauft und warte sehnsüchtig auf das entsprechende Wetter. Und die CDU-Budestagsabgeordnete Bettina Kudla aus Leipzig hat via Twitter die „Umvolkung“ der deutsche Nation angeprangert. Sag ich jetzt mal nix zu. Sonst läuft es wieder darauf hinaus, dass ich bestimmten Zeitgenossinnen gern das Recht auf Vermehrung absprechen möchte. Und sowas gehört sich ja nicht. Hab ich mir sagen lassen.

 

Text: Reinhard Lüke

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