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Südstadt

„Nüchtern rein, besoffen raus“: Erlebnisse eines Imis am Rosenmontag, kurz vor dem Zug

Dienstag, 21. Februar 2012 | Text: Jörg-Christian Schillmöller | Bild: Jörg-Christian Schillmöller

Geschätzte Lesezeit: 5 Minuten

Erstmal die Polizei fragen. Da stehen doch zwei Beamte vor dem Bäcker „Hütten“. Mit Handy am Revers, Funkgerät, Handschellen und Dienst-Kappe. Entschuldigung, frage ich, könnten Sie mir sagen, wie viele Sicherheitskräfte heute im Einsatz sind? Schon reingefallen. Die Polizisten heißen Monika und Carlo, kommen aus Rodenkirchen und sind (fast perfekt) verkleidet als Beamte der britischen „Metropolitan Police“. „Gestern war ein super Tag“, meint Monika. „Da haben wir der echten Polizei viel Arbeit abgenommen“. Kurz darauf kommt sie tatsächlich, die echte Polizei: Zwei Beamte in grün (diesmal sind es wirklich welche) wollen ein Foto mit Monika und Carlo. Gelächter, danke schön, tschö.
 
Null Grad am Rosenmontag in der Südstadt. Leicht bewölkt, kein Regen. Mein Projekt: zu Fuß vom heimatlichen Eierplätzchen mit Rollkoffer über die offizielle Strecke des Zuges zum Hauptbahnhof, wo ich um 11.48 selbst in den Zug steige (ICE, Berlin). Es ist kurz nach neun, auf der Bonner Straße sammeln sich die Motivwagen, in den Zeitungskästen des „Express“ heißt es „Joachim Gauck wird Bundespräsident.“
 
Vor mir trommeln die „Ahl Säu“. Ich lerne, dass sie jedes Jahr eine Stunde vor dem Zug losgehen und die Jecken vorwärmen. Das Motto in diesem Jahr: „Wallfahrt 2012“. Eine verkleidete Vierergruppe klärt mich auf. Ulli, Isabella, Jogi und Olaf sind mit den „Ahl Säu“ unterwegs als „Sündikat“. „Wir sind zuständig für Sünde und Buße“, sagen sie. Leitspruch: „Sie bützen, wir schlagen“. Ulli erklärt den Hintergrund gern. „Mir kam es in der Badewanne“ (Gelächter). „Also ich meine, da kam mir die Idee mit dem Sündikat.“ Jogi fährt prosaisch fort: „Ein gutes Beispiel ist die Sodomie.“ Deswegen ist Ulli in ein Pferdekostüm geschlüpft, mit einem Schildchen, auf dem es unmissverständlich heißt: „Pääd poppe, 5 Euro“. So wenig? „Die Preise macht die Jungfrau“, schiebt Jogi nach. Ich schreibe alles auf: Isabella = schinghellige Jungfrau, Jogi = Ein-Euro-Büßer, Ulli = Sündomienchen und Olaf = Sündo-Kraat“. Auf Kölsch ist ein „Kraat“ ein Asi. Das heißt: Olaf ist zuständig für die schweren Sünden. Es ist kurz nach halb zehn in Köln.
 
Unser Fotograf Dirk und ich brechen auf. Bonner Straße, Großrichtung Norden. Vor Nummer 19 steht – nach Dirks Worten – „der unpolitischste Wagen, den man sich vorstellen kann“. Es ist der vom „Festkomitee des Kölner Karnevals von 1823 e.V.“, Motto: „Die längste Pappnas der Welt“, Motiv: Ein Elefant mit einem meterlangen, roten Rüssel. Es geht wirklich kaum unpolitischer.
 
Ein paar Meter weiter erhalten wir Einblick in einen Versorgungswagen: Drinnen steht Torsten Kleiner gebückt und sagt, er mache das hier gern. Torsten Kleiner sortiert abgepackte Strüssje: Zwei Rosen, etwas Grün, Plastikfolie, fertig. Außerdem im Angebot: echte Nahrung für die Teilnehmer der „KG UHU“: Ich sehe Flöns, Fleischwurst und Käse in kleinen Happen in einer Plastikbox. Mit der Logistik kennt sich Ralf Fischer aus. Er ist im Vorstand der KG zuständig für „Wurfmaterial und Züge“. Ralf Fischer kennt seine Zahlen. „Wir haben 20 Helfer und drei Tonnen Material dabei. 12.000 Blumensträuße, 50.000 Weingummibeutel, 15.000 mal Waffeln, 10.000 Tafeln Schokolade und 5.000 Schachteln Pralinen.“
 
Die „KG UHU“ tritt mit ihrem Männerballett an, dem „TC Schnäuzer“, einer Persiflage auf die Traditionskorps im Karneval. Bei Ralf Fischer hört der Spaß hier auf: Auf die Frage, ob auch Frauen mit falschem Schnäuzer mitlaufen dürfen – sozusagen als Persiflage auf das Männerballett – meint er ohne zu lächeln: „Nee.“ Und nochmal: „Nee.“ „Aber“, fügt er mit einem etwas rechtfertigenden Unterton hinzu: „dafür wiegt unser Tanz-Mariechen zwei Zentner, und der Tanzoffizier ist nur 1,50 Meter groߓ.
 
Köln, Südstadt, Chlodwigplatz. Dirk und ich umrunden die Severinstorburg, unter der ein leuchtender Feuerwehrwagen steht. Dahinter eröffnet sich ein Anblick, den man nicht alle Tage hat: „Boulevard-Stimmung“, meint Dirk. Wir stehen in einer Gasse aus Menschen mitten auf der Severinstraße. Rechts und links warten hunderte von kostümierten Jecken auf den Zoch. Viele tragen Jutetaschen vom WDR (die Nähe zu den Kameras des WDR vor der Severinskirche ist kein Zufall). Vor dem „Turista Süd“ steht ein Fliegenpilz (Elke, 27, aus Worringen). Daneben: Elkes Freundin Nadja, 31, aus Berlin. Nein, meint Nadja, es nicht mein erstes Mal, denn ich bin gebürtig aus Bonn. Gefeiert hat Nadja Samstagabend im „Turista Süd“. Fazit: „Nüchtern rein, besoffen raus“. Elke ist ein Vogtländer Mädchen aus Auerbach. Das liegt in Sachsen, nahe der tschechischen Grenze.
 
200 Meter weiter, Severinskirche. Ich kann meinen Koffer kaum ziehen, denn das Kopfsteinpflaster ist mit Sand bestreut – „wegen der Pferde“, sagt Dirk. Die Severinstraße wird zur akustischen Herausforderung. Es ist halb elf, und ich sollte jetzt schreiben „Die Spannung steigt“. Von rechts ertönt eine einsame Trompete, etwas weiter erwarten uns Trommeln: bum, bum, bumbumbum, machen sie pausenlos. Aus der Kneipe „Zum Alten Brauhaus“ erklingt ein Schlager, ebenso von der Tribüne etwas weiter links: „Waaahn – sinn“, singt Bernd Stelter, und natürlich: „Hölle, Hölle, Hölle“ (oder ist das Kölle, Kölle, Kölle?). Eine grüne Gießkanne kommt uns entgegen: Michael aus Pulheim. Michael ist Immobilienmakler, „aber ganz seriös“, und geht seit sechs Jahren als Gießkanne. Er trägt nicht nur eine gemalte Kanne im Gesicht, sondern eine echte ohne Boden als Hut auf dem Kopf. Und ein 5-Liter-Döschen Kölsch unter dem Arm.
 
Severinstraße 111. Die Hausnummer passt gut zum Tag. Wir rufen hinauf zu den geöffneten Fenstern im zweiten Stock und dürfen rein. Die schönste Aussicht hier oben. Der Hausherr ist ein Zombie mit gruseligen Kunst-Pupillen und diversen Wunden. Matthias ist aber sehr nett. Er betreibt im normalen Leben die Firma „Wedding Deal“ (Gutschein-Angebote für Hochzeiten) und erwartet 40 bis 50 Leute. Zoë aus London ist schon da. Sie geht als Papagei, kennt aber nicht den Parrot-Sketch von Monthy Python mit John Cleese. „Youtube“, sage ich. Auf die Frage, was denn am Kölner Karneval im Vergleich zu Brasilien das Besondere sei, antwortet Zoë: „All the drinking“. Aber, sagt sie weiter, die Kostüme seien in Köln fantasievoller. In Brasilien seien ja nur die Teilnehmer der Paraden verkleidet, während die Zuschauer so gut wie gar nichts trügen. Nein, meint Zoë, man trinkt nicht nur Caipirinha, sondern auch Brahma-Bier, und das schmeckt genauso wie Kölsch. Noch ein Grund für eine Städtepartnerschaft, denke ich.
 
Der Blick hinunter, von Haus Nummer 111. Die Severinstraße ist bunt und wird gerade politisch: Ein Transparent taucht auf, „Von Tünnes bis Tunesien – Jeder Pappnas sing Revoluzzjohn“. Es folgen Schilder wie „KG Fidele Finanzmafia“ und „KG Löstije Lobbybrüder“. Ja, auch Occupy ist heute dabei, und ja, die Anonymous-Masken sind ebenfalls zu sehen. „Das ist das Schöne am Karneval“, meint Dirk: „Alle nutzen den Tag irgendwie für ihre Zwecke.“ Und das schon, bevor der eigentliche Zug losgeht.
 
Noch ein kleines Weilchen laufen Dirk und ich durch die Menschengasse, die auf den Zoch wartet. Hinaus aus der Südstadt, Richtung Dom. Beim Kaufhof holen wir die „Ahl Säu“ wieder ein, dann scheren wir aus und schlagen uns zum Hauptbahnhof durch. Schön, so ein Spaziergang vor dem Rosenmontagszug. Schön, die Erwartung, der Moment davor. Mit roten Backen sitze ich später im ICE nach Berlin und erzähle meiner Sitznachbarin (eine Tänzerin aus Paris namens Capucine) von meinem Vormittag. „Alors“, meint sie, „j‘aurais dû m‘arrêter à Cologne“: Ich hätte wohl einen Zwischenstopp in Köln einlegen sollen. Nächstes Jahr, sage ich, nächstes Jahr bestimmt. Dann beuge ich mich über meinen Laptop und beginne zu schreiben: „Erstmal die Polizei fragen. Da stehen doch zwei Beamte vor dem Bäcker Hütten…“

Text: Jörg-Christian Schillmöller

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