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Kultur

Schuldig oder unschuldig?

Dienstag, 15. November 2016 | Text: Alida Pisu | Bild: Meyer Originals

Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten

An der Wand prangt der Bundesadler, denn hier, in diesem kargen (Bühnen)-Gerichtssaal, wird Recht gesprochen. Von den Zuschauern, die zu Schöffen ernannt und gebeten werden, alles zu vergessen, was sie über den Fall gehört haben. Das ist nicht wenig. Wird doch „Terror“, das Erfolgsstück Ferdinand von Schirachs, heiß diskutiert. Es ist zum meistgespielten Stück der Saison avanciert und im Oktober erst wurde die Verfilmung in der ARD gezeigt. Hier wie dort geht es um die Frage: Mörder oder Retter? Ist Lars Koch, Kampfpilot der Bundeswehr, des Mordes an 164 Menschen in einem Passagierflugzeug schuldig, das er abschoss, um 70.000 Menschen in einem vollbesetzten Stadion zu retten? Das „Theater Der Keller“ hat sich des Stoffes angenommen und man muss kein Prophet sein, um vorhersagen zu können, das es damit einen Renner im Programm hat.

Vor dem Gesetz sind alle gleich, lediglich einen Stuhl gesteht Regisseur Heinz Simon Keller jedem seiner Akteure zu. Auf dem sie dann einsam und verloren ihre Aussagen machen, ihre Fragen stellen oder Plädoyers halten. Einzig der Vorsitzende, der später das Urteil im Namen des Volkes verkünden wird, thront hinter seinem metallenen Richtertisch. So metallfarben wie ein Kampfflugzeug? Vielleicht ein erstes Indiz dafür, dass die Justiz im Zweifel auf Seiten des Angeklagten steht? Oder aber ein Verweis auf den ebenso metallenen Bundesadler, dann spiegelte auch der Richtertisch Gesetz und Ordnung wider. Wie auch immer: als Schöffe achtet man auf das kleinste Detail, gilt es doch, ein gerechtes Urteil zu fällen. Ob die Gerechtigkeit in diesem speziellen Fall allerdings siegen oder ob sie auf der Strecke bleiben wird, ist eine der vielen Fragen, die das Stück aufwirft und – wie wohltuend – nicht beantwortet. Auch nicht beantworten kann.

 

Denn so ganz einfach ist der Fall nicht. Und einfach macht es sich auch keiner der Akteure. Nicht der Angeklagte (Matthias Brüggenolte), dem man teilnahmsvoll zuhört, wenn er die Situation schildert, die zum Abschuss des Flugzeugs geführt hat. Ein Kämpfer des islamischen Staates entführt ein Flugzeug der Deutschen Lufthansa und droht damit, das Flugzeug in die Allianz Arena zu lenken, in der sich 70.000 Menschen befinden. Für den Angeklagten ist klar: sie alle müssen sterben. Lars Koch ist kein kaltblütiger Killer, man spürt, wie er mit sich gerungen hat, wie schwer es ihm gefallen ist, 164 Menschen zum Tode zu verurteilen. Man möchte nicht in seiner Haut stecken, kann sich des Mitleids mit ihm kaum erwehren.

Und das ist ein Dilemma des Stücks: es zwingt geradezu dazu, im Angeklagten einen von seinem Gewissen geplagten, doch auch seinem Gewissen folgenden Menschen zu sehen, der gar nicht anders handeln konnte, als er gehandelt hat. Er habe es nicht fertig gebracht, so Koch, Zehntausende im Stadion sterben zu lassen. Die Passagiere aber wurden zum Teil einer Waffe, die er bekämpfte. Das ist die Sprache und die Logik des im Stück immer wieder beschworenen Krieges, in dem wir uns befinden.

Selbst die Staatsanwältin (Susanne Seuffert) äußert leises Verständnis für Lars Koch. Sie, die vehement darauf verweist, dass Leben nicht gegen Leben aufgewogen werden kann. Denn wäre es so, dann wäre der Fall nichts weiter als eine simple  Rechenaufgabe: 70.000 minus 164 ergibt ein sattes Plus von 69.836 geretteten Leben. Das damit die Verfassung außer Kraft gesetzt wird, dass die Würde des Menschen keine Rolle mehr spielt: was soll’s. Orientiert sich doch die Realität keineswegs an Verfassung oder Menschenwürde. Man kann dem Verteidiger (Hendrik Vogt) deshalb kaum mit „Ja!“ antworten, als er fragt: „Ist es richtig, das Prinzip über die konkrete Rettung von Menschenleben zu stellen?“

Das Stück wäre arg einseitig angelegt, wenn nicht auch kritische Töne zu hören wären. Eine kritische Stimme ist die des Oberstleutnant Lauterbach (Holger Stolz). Sachlich referiert und erläutert er im militärischen Jargon die Geschehnisse. Er gerät zunehmend in Bedrängnis, als die Staatsanwältin ihn befragt, ob es denn keine andere Option als den Abschuss (der gegen den ausdrücklichen Befehl des kommandieren Generals erfolgte) gegeben hätte. Warum wurde das Stadion nicht evakuiert? Der sich windende Lauterbach räumt ein, dass diese Option nicht genutzt wurde, weil die meisten wohl wie Koch gehandelt hätten. Lars Koch also auch nur ein Opfer, das seine Pflicht und Schuldigkeit getan und dafür nun die Schuld auf sich zu nehmen hat??? Eine weitere kritische Stimme ist die der Nebenklägerin, Frau Meiser (Tatjana Poloczek), Witwe eines der Opfer. Sie gibt denen ein Gesicht, die sterben mussten. Sie wirkt gefasst, zeigt aber auch die Trauer und die Fassungslosigkeit über einen solch schrecklichen Tod. Er dokumentiert sich in dem, was von ihrem Mann übrig blieb: ein linker Schuh, sonst nichts. Der Tod, so scheint’s, lässt die Hinterbliebenen mit leeren Händen zurück.

 

Josef Tratnik als Vorsitzender, der sich durch seine sachlich-zurückgenommene Spielweise auszeichnet, erinnert die Schöffen noch einmal daran, worum es geht: „Es ist nun an Ihnen, ein gerechtes Urteil zu fällen.“??Die Entscheidung fällt in der Pause, nach angeregten Diskussionen und auch hier gilt: niemand macht sie sich leicht, die Schöffen ringen mit sich. Das Urteil fällt bei der Premiere mit 57 zu 49 Stimmen zwar eindeutig, doch auch denkbar knapp aus: „Im Namen des Volkes“, so der Vorsitzende, „der Angeklagte Lars Koch wird schuldig gesprochen.“

Ein Urteil, das Unbehagen hinterlässt. Aber ein Freispruch hätte ein ebenso schales Gefühl hervorgerufen. Das Dilemma des Lars Koch stürzt auch die Schöffen in einen letztlich nicht zu lösenden Konflikt.

Eine reduzierte Inszenierung, die auf jeden Schnickschnack verzichtet, sich auf die Gerichtsverhandlung konzentriert, auf die Schauspieler verlässt (verlassen kann) und sie einfühlsam in Szene setzt. Das der Zuschauer zum indirekt Mitwirkenden wird, ist vom Autor so gewollt und ein geschickter Kunstgriff. Ob das „Volk“ tatsächlich Recht gesprochen hat und den Einzelnen, sprich den Toten, dem Angeklagten und den Angehörigen der Opfer gerecht werden konnte, das sei dahin gestellt. Wer sich selbst ein Bild machen und Recht sprechen will, für den ist die Inszenierung ein absolutes MUSS.

 

 

Mehr im Netz

terror.theater/

„Terror“ von Ferdinand von Schirach
Regie: Heinz Simon Keller?, Bühne und Kostüme: Hedda Ladwig
Mit: Matthias Brüggenolte, Tatjana Poloczek, Susanne Seuffert, Holger Stolz, Josef Tratnik, Hendrik Vogt

Theater der Keller, Kleingedankstraße 6, 50677 Köln?
Die nächsten Termine: 22., 26., 27. November, 15., 17., 27., 28. Dezember 2017
 

Text: Alida Pisu

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