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Gesellschaft

Schwenken, Schlürfen, Schmecken

Mittwoch, 19. Dezember 2012 | Text: Jörg-Christian Schillmöller | Bild: Dirk Gebhardt

Geschätzte Lesezeit: 5 Minuten

Weinprobe mit Christina Fischer, einer der bekanntesten deutschen Sommelières.
Ein Holzfass, senkrecht stehend, darauf sechs, sieben Flaschen. Eine davon ist besonders groß, sie fasst sechs Liter, ist aber nur Deko. Um das Holzfass herum bewegt sich Christina Fischer: schwarzes Samtjacket, weißes Oberhemd, Jeans und die Brille auf den Haaren. Christina Fischer ist „Sommelière“ – nur schlecht übersetzt mit „Weinfachfrau“, im Fachverband ist die Rede von „Genussmanager“. Christina Fischer erklärt problemlos mehreren Menschen gleichzeitig ihre Welt der Weine. Der Ort des Geschehens: Das „All Australian“ am Severinskirchplatz. Das Ziel des Besuchs: Ich möchte lernen, wie man Wein trinkt.

Christina Fischer mag das offene Wort, sie redet klar und verständlich, ohne Allüren – sehr professionell ist das. Wir beginnen mit Weißwein aus Australien. „Probieren Sie einfach und sagen Sie dann: schmeckt oder schmeckt nicht.“ Ich ergreife das Glas, und Christina Fischer macht mich freundlich darauf aufmerksam, dass man es am Stiel hält und nicht am Kelch: „Der Wein wird sonst warm“. Der Weißwein heißt „Mad Fish“, und ich finde ihn etwas sehr mild. Schnell sind wir in der Geschichte des Weins angekommen.

„Es gab ja früher diese Weinmoden. Die erste war der Edelzwicker, das war Anfang der Achtziger Jahre“, erzählt Christina Fischer. „Danach kamen Chablis, Sancerre und dann vor allem der Pinot Grigio, diese Mode war fast unausrottbar. Pinot Grigio: Das klingt schick, heißt aber eigentlich nur Grauer Burgunder.“ Ich lerne: Ganz früher gab es das „Quartett der großen Weine der Welt“, die bei Hofe getrunken wurden. Das waren: Bordeaux, Burgunder weiß und rot, Champagner und Riesling.

Die deutsche Weinkultur habe vor allem im Zweiten Weltkrieg gelitten, berichtet Christina Fischer. Viele Weinkeller seien vernichtet oder von Soldaten leergetrunken worden – und nach dem Krieg habe es dann diese Gier nach Zucker gegeben. Das Ergebnis war der Boom der Liebfrauenmilch, der den deutschen Wein „kaputtgemacht“ hat, wie Christina Fischer es nennt. Sprich: Millionen Kisten à 12 Flaschen des lieblichen Weißweins wurden produziert, viele Winzer sprangen auf den Zug auf, das Motto hieß „Schnelle Lese, große Erträge“.

Während Christina Fischer erzählt, sind wir beim zweiten und dritten Wein angekommen. Wieder Weißwein, diesmal testen wir einen australischen gegen einen deutschen Riesling. „Schauen Sie mal“, sagt die Weinfachfrau und deutet auf das Titelblatt eines „Kinder Weltatlasses“: „Hier ist Australien, und der Mad Fish vorhin, der stammt dort von links auf der Karte, der Riesling jetzt von rechts.“ Ich koste und sage: „Zu süߓ. „Kann ich verstehen“, entgegnet Christina Fischer. „Der hat diese Rest-Süße.“ Und dann sagt sie das mit dem Pfirsich, was sie mehrfach wiederholen wird: Um einen Wein zu mögen, muss man nicht viel Fachwissen haben. Vielmehr sei doch jeder in der Lage zu sagen, ob er einen Pfirsich möge und ob der reif sei – oder mehlig oder saftig.

„Dieser Riesling zum Beispiel, der hat so eine grüne Note“, sagt sie jetzt. Grün? „Ja, so etwas Grasiges“. Ehrlich: Das habe ich nicht geschmeckt. Dafür lerne ich: Beim Riesling sind die Breitengrade ein wichtiger Faktor für den Anbau, und zwar wegen der jährlichen Durchschnittstemperatur. Darum gibt es Riesling in Deutschland auf der Nordhalbkugel ebenso wie in Australien auf der Südhalbkugel. „Auch in Asien müsste es möglich sein, Riesling anzubauen“, sagt Christina Fischer. In Deutschland reicht das Gebiet etwa bis zum 51. Breitengrad: „Das ist dann Saale-Unstrut, das ist schon sehr nördlich.“

Der deutsche Riesling, den wir jetzt probieren, kommt aus Bermersheim in Rheinhessen vom Gut Peth-Wetz. „Das ist Flachland. Also dort, wo die Liebfrauenmilch herstammt“. Es wird technisch: Wir üben, das Glas zu schwenken, „weil das die Aroma-Moleküle freisetzt.“ Übung eins: Das Glas bleibt auf dem Tisch stehen, wir bewegen es mit aufgestütztem Handgelenk. Gut, das funktioniert, der Wein dreht sich. „So, jetzt das Glas anheben, aber das Gelenk auf dem Tisch lassen“. Schon schwieriger. Ganz kompliziert wird es, als Christina Fischer das Glas dann im Stehen in die Hand nimmt und sehr elegant, mit einem winzigen Schwung aus dem Handgelenk, den Wein zum Kreisen bringt. Nein, da bin ich noch lange nicht. Es schwappt. „Und, wie schmeckt der Riesling?“, fragt sie. „Hart“, antworte ich. „Ja, kann sein. Der ist von 2010, das war ein Jahr mit viel, viel Säure. Gegen Sodbrennen hilft übrigens Bullrich-Salz“.

Farbwechsel: Es folgt ein Rosé, der aussieht wie ein Roter. „Der ist aus den farbintensiven Rebsorten: Cabernet Sauvignon, Merlot und Cabernet franc. Die Farbstoffe sitzen in der Schale, nicht im Fruchtfleisch. Schneiden Sie eine rote Traube auf: Innen ist die hell.“ Den Rosé finde ich vor allem zu kalt. „Nee, der ist eher zu weich, zu leblos“, sagt Christina Fischer. Leblos? „Ja, es geht um eine Balance aus Säure, Fruchtsüße und Alkohol. Sehen Sie, bei einer Sauce ist das ganz ähnlich: Da brauchen Sie auch Säure, Aromen, Salz und Fett.“ Das klingt nach Arbeit für den Winzer. „Ein Winzer“, bestätigt Christina Fischer, „muss Entscheidungen treffen. Er kann in seinem Leben 30, 35 Jahrgänge machen. Und er muss sich fragen: In welchem Fass lagere ich den Wein? Im Stahltank? Im Eichenfass? Lese ich die Trauben Mitte September oder Mitte Oktober? Entziehe ich dem Wein dann etwas Säure oder nicht? Das ist ein Lernprozess.“

Nach dem Rosé folgt der erste echte Rotwein. Das ist mein Favorit bis hierher: Ein „Blauer Spätburgunder“ (Pinot Noir), wieder von Peth-Wetz aus Rheinhessen. „Das ist ein Basis-Wein. Ein Einsteiger-Wein, ein Brot-und-Butterwein“, meint Christina Fischer, und das ist ein Kompliment. Können die Deutschen denn Rotwein? „Ach, das Klischee, dass wir das nicht können, das gilt doch nicht mehr. Die kleinen 225-Liter-Barrique-Fässer, die gibt es hier auch schon seit Anfang der Achtziger Jahre.“ Und vorher? „Da gab es in Deutschland diese Riesenfässer, die keinen Geschmack an den Wein abgaben, ,weingrün‘ nannte man das. Den Eichen-Geschmack wollte der Winzer damals eben auf jeden Fall raus haben aus dem Fass.“

Jetzt kommen Winnetou und Old Shatterhand zum Zuge: „Blutsbruder“ heißt der nächste Wein, auf dem Etikett sind zwei Hände zu sehen, die Handgelenke aneinandergedrückt. Der Grund: Die Winzer sind Karl und Peter May aus Osthofen in Rheinhessen. „Der Wein ist kräftig, gut balanciert, harmonisch – und mit 11 Euro auch bezahlbar.“ Was darf denn Wein überhaupt kosten? Die Antwort von Christina Fischer ist klarer als ich dachte: „Also in der Herstellung ist es nicht teurer als 15 Euro, eine Flasche Wein zu machen. Und dann müssen Sie sich eben überlegen, ob Sie bereit sind, 1.000 Euro für einen Bordeaux auszugeben.“

Noch zwei Weine stehen an, beide rot, beide aus Australien – und wir haben noch nicht über das Schlürfen gesprochen. Also, muss man schlürfen? Und wenn ja, wie geht das? „Es ist durchaus in Ordnung, Luft anzusaugen“, sagt Christina Fischer. „Die Aroma-Moleküle müssen so bewegt werden, dass sie ihre Inhalte freigeben können. Ziehen Sie die Luft einfach durch die fast geschlossenen Lippen.“ Ich verschlucke mich. „Wenn es klappt“, kommentiert Christina Fischer, „dann verteilen Sie die Moleküle am gesamten Gaumen.“

Christina Fischer findet für den letzten Wein ein schönes Bild: „Das hier, das ist Marmelade in flüssig. Landesmitte Australien, die sagen von sich selbst, dass sie extrem tiefgründige, süßfruchtige, voluminöse Weine machen.“ Trotzdem hat die Flasche einen Drehverschluss. „Ja, die haben sich inzwischen ganz gut behauptet. Früher war ja der Korken ein Alleinstellungsmerkmal, weil er minimal Luft durchlässt. Die Plastikkorken dagegen haben sich nicht so durchgesetzt. Das liegt auch daran, dass sie nicht richtig dicht waren.“ Die letzte Frage: Weißwein zu Fisch und Rotwein zu Wild? „Also, da geht es eher um die Sauce“, sagt Christina Fischer. „Sie können eine schneeweiße Hühnerbrust mit einem Rotwein-Schalotten-Jus servieren: Dazu passt kein Weißwein. Oder ein Hirschfilet mit heller Rahmsauße: Dazu passt eben kein kräftiger Rotwein.“

Wir sind durch. Das waren viele Informationen. Schwenken, Schmecken, Schlürfen, ein bisschen Geschichte und viele lustige Anekdoten: Ganz entspannt gab es viel zu lernen bei Christina Fischer, und im Gedächtnis bleibt vor allem ein Satz, der den Laien beruhigt: „Vertrauen Sie Ihrem Geschmack, denken Sie daran, dass Sie bei einem Pfirsich auch wissen, ob er reif ist und schmeckt – oder eben nicht.“

www.all-australian.com
www.fischers-wein.com

 

Text: Jörg-Christian Schillmöller

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