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Kultur

Wut im Bauch

Dienstag, 25. April 2017 | Text: Jaleh Ojan | Bild: Meyer Originals

Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten

Spiele, die man nur zu zweit spielen kann, sind blöd, findet Berkay (Faris Yüzba??o?lu). Zum Glück ist im dritten Stock ein neues Mädchen (Nadja Duesterberg) eingezogen, das dem Achtjährigen und seiner besten Freundin Anna (Philine Conrad) Gesellschaft leisten könnte. Aber irgendetwas ist seltsam an Sophie. Welche geheimnisvollen Dinge muss sie erledigen? Warum ist sie nie ohne ihre Kriegsbemalung, ihr gemustertes Cape und ihren Speer zu sehen? Und vor allem: Wer ist diese schwarze Frau (Davina Donaldson), die behauptet, ihre Mutter zu sein? Sophie ist blond und hat ganz helle Haut – da kann doch etwas nicht stimmen. Ganz im Stil von Emil und Pony Hütchen aus Kästners Kinderbuchklassiker nehmen Anna und Berkay also die Sache selbst in die Hand und setzen ihren detektivischen Spürsinn ein, um Licht ins Dunkel zu bringen.

Gedankensamples einer kleinen Kriegerin

Für die Premiere von „Weiß ist keine Farbe“ verwandelt sich der Grüne Saal der Comedia in eine typisch deutsche, farblose Wohnsiedlung. Gespielt wird auf, unter und neben vier unterschiedlich hohen Holzpodesten, robust genug für die etwas wilderen Spiele von Berkay und Anna. Sophie verschanzt sich lieber unter einem der Podeste in ihrer mit schwarzen Wipfeln geschmückten Räuberhöhle. Dort brütet das ernste Mädchen über den „Sachen“, die es zu erledigen hat, und frickelt an ihrem Rekorder herum. Wie ein alter Profi kreiert sie Live Loops und lässt so ihre zornigen Gedanken im Raum widerhallen.

 

Die kreisen vor allem um den Nachbarn Mathei mit seinem Hund, der Sophie und ihrer Mutter vor kurzem an der Kreuzung begegnet ist. Was auch immer dort vorgefallen ist, Sophie will ihn dafür um jeden Preis drankriegen. Es sind unaussprechliche Dinge, zumindest für die Mutter. Die erzählt ihrer sich radikalisierenden Tochter zwar Märchen von mutigen Löwinnen und kriegerischen Prinzessinnen, teilt ansonsten aber lieber Donuts mit ihr als schwierige Gefühle.
Was auch immer es mit der so verdächtig wirkenden Mutter-Kind-Konstellation auf sich hat, das will neben Anna und Berkay auch die Nachbarin herausfinden, deren Nase immer zu tief in den Angelegenheiten anderer Leute steckt. Als sich die Kinder endlich der Wahrheit nähern, spitzt sich die Lage allerdings zu …

Nah dran am Kinderalltag

Inspiration für das Stück war der Erfahrungsbericht einer Mutter mit „viertelsenegalesischem“ Kind, der vor zwei Jahren im Spiegel erschien. Bei der Textentwicklung stand die Autorin Christina Kettering in ständigem Austausch mit dem Team der Comedia. Gemeinsam mit dem Theater hatte die Wahlberlinerin den Preis „Nah dran!“ gewonnen, der die enge Kooperation von Theatern und Autoren bei der gemeinsamen Entwicklung eines Stücks ermöglichen will. Für Kettering war diese Zusammenarbeit „eine neue Erfahrung, die ich großartig fand.“

Großartig ist auch, wie es dem Ensemble unter der Regie von Markolf Naujoks gelingt, das „Aber“ hinter unseren Toleranzbekundungen, die feinen Risse in unserer Gesellschaft auch für die jüngsten Zuschauer sicht- und spürbar zu machen. Denn die Grundschulkinder werden in ihrer Lebenswelt abgeholt, mit vertrauter Sprache, Gesten und Codes. Dabei ist sogar die Fäkalsprache noch irgendwie originell.

Laute Gefühle und leise Töne

Vor allem aber entfaltet die Inszenierung eine große emotionale Wucht, was nicht zuletzt Nadja Duesterbergs starker Darstellung der eigenwilligen Sophie zu verdanken ist. Aber auch der Tatsache, dass kindliche Gefühle hier ernstgenommen und sensibel in starke Bilder übersetzt werden. Etwa Berkays Traurigkeit, die wie ein großes Monster in ihm schlummert. Der Zuschauer lernt, dass es besser ist, Wut und Enttäuschung herauszuschreien, als sie in sich hineinzufressen wie Sophies passive Mutter.

 

Es ist schon ein kleines Wunder, wie gut Katharsis und Gesellschaftskritik im zeitgenössischen Kindertheater funktionieren. Zumal dem witzigen und dynamischen Schlagabtausch der Nachbarskinder leise Pianotöne (Klavier und Gesang: Donaldson) und poetische Bilder beiseitegestellt werden. Surreal-schön sind die Fotos und Fotomontagen, die auf eine kreisrunde Leinwand projiziert werden. Wie ein melancholischer Mond schweben die Bilder über der abstrahierten Großstadtszenerie.

Den „Apfelstrudel der Gewalt“ im Keim ersticken

Weder die Poesie noch der Witz können allerdings darüber hinwegtäuschen, dass Ketterings Stück im Grunde starker Tobak ist. Immerhin geht es hier um Rassismus, Grenzüberschreitung, Selbstjustiz. Und Gewalt, die Gegengewalt erzeugt – von Berkay sehr anschaulich erklärt als „Apfelstrudel der Gewalt“, nur ohne Apfel. Diese schwierigen Themen dürften ganz kleine Kinder noch überfordern. Doch auch sie werden verstehen, was es heißt, sauer auf die eigene Mutter zu sein. Oder auf den fremden Mann, der ihr wehtut. Dafür muss man keine Erfahrung mit Alltagsrassismus oder Stigmatisierung haben.

Eins bleibt zu hoffen: dass künftig mehr nachdenklich machende Kinderstücke dieser Art auf deutsche Bühnen gebracht werden. Stücke, die so mühelos die Waage zwischen Humor und Ernst halten wie „Weiß ist keine Farbe“, und die unser Schwarz-Weiß-Denken auf so unterhaltsame wie eindringliche Weise aufbrechen. Schließlich sind weder Schwarz noch Weiß richtige Farben.
 

 

Weiß ist keine Farbe
Ein Verwirrspiel von Christina Kettering | UA (6+)
Regie und Musik: Markolf Naujoks
Ausstattung: Marina Stefan
Dramaturgie: Maren van Severen
Mit: Philine Conrad, Davina Donaldson, Nadja Duesterberg, Faris Yüzba?io?lu

Premiere 22. April 2017. Weitere Termine: 25.04. / 7./ 8./ 10./ 21./ 23./ 24.05.2017
Comedia Theater, Vondelstraße 4-8, 50677 Kölnn

 

Text: Jaleh Ojan

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