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Politik

Allein auf weiter Flur

Freitag, 1. Juli 2011 | Text: Wassily Nemitz | Bild: Dirk Gebhardt

Geschätzte Lesezeit: 5 Minuten

Entlang der Alteburger Straße, südlich der Bahnlinie, besitzt das Land NRW zwei riesige Stücke Bayenthal. Gekauft wurden sie für den Vielleicht-Neubau der Fachhochschule. Das Gelände sieht verlassen aus – doch der Eindruck täuscht. Unser Reporter Wassily Nemitz machte sich auf zu einer Wanderung – er fand überwuchertes Brachland, heimlich bewohnte Gebäude und eine Handvoll Menschen, die die Stellung halten…

Ein Vogelfreund ist Wilfried Nißing nie gewesen. Doch das hat was: Dort, wo noch vor wenigen Monaten Autos repariert wurden, nisten jetzt Vogelfamilien. Dort, wo früher Parkplätze waren, sprießt das Grün überall aus der Erde. In Mauerritzen wachsen Bäume, auf Dächern Kräuter. Wie schnell sich die Natur das Gelände zurückholt.

?Ruhig sei es geworden, berichtet Nißing. Wenn er früher aus dem Fenster geschaut habe, habe er viel Betrieb beobachten können: ein- und ausfahrende Autos, lamentierende Mechaniker. Jetzt ist er der einzige, der sein Auto im Hof parkt. Fast der einzige, der mit seiner Schreinerei Stadtwaldholz hier noch Kunden bedient. Mit der einzige, bei dem noch Betrieb herrscht.

Bei allen anderen ist längst der Abrissbagger angerückt. Der ehemalige Drahterzeuger Otto Wolff an der Koblenzer Straße ist schon seit Jahren weg, der Lutschpastillen-Hersteller „Bolder“ zieht Ende des Jahres aus, der Abschleppdienst „Mauritius“ wurde abgewickelt, die Autowerkstatt „Ubia-Garage“ ist umgezogen, ebenso der Tiernahrungshersteller  „Royal Canin“ an der Alteburger Straße.

?Ein Grundstück lässt sich am besten ohne „Altlasten“ verkaufen. Damit sind in dem Falle nicht nur Schadstoffe in der Erde gemeint, sondern in gewissem Sinne auch Mieter. Tochterfirmen des Kölner Baukonzerns Bauwens kauften 2008/2009 nach und nach alle Grundstücke des Areals auf, um sie später an den Bau- und Liegenschaftsbetrieb (BLB) des Landes Nordrhein-Westfalen weiterzuverkaufen (s. Chronologie eines dubiosen Geschäfts). Dabei versuchten die Mitarbeiter in Verhandlungen, die Pächter zum Auszug zu bewegen. Die meisten gingen auf die Angebote ein und verließen das Areal.

Zu Wilfried Nißing und seiner Frau Sabine Röser kam Paul Bauwens-Adenauer sogar persönlich. Er prallte allerdings ab: Die beiden wollten mit ihrem Handwerksbetrieb in der Innenstadt bleiben. Nißing pocht auf seinen Mietvertrag. Der gilt bis 2025.

?Um Stadtwaldholz zu erreichen, muss man von der Koblenzer Straße aus ein Stück über ein bereits weitgehend verlassenes Grundstück gehen – vorbei am Gelände der inzwischen geschlossenen Abschleppfirma Mauritius und dem Gerüstbauer Martin. Auch der ist einer der Verbliebenen auf dem Gelände – und darüber hinaus quasi der letzte innerstädtisch gelegene Gerüstbaubetrieb in Köln. Dieser Mietvertrag endet schon früher – wohin dann, das weiß der Sohn des Inhabers noch nicht. Genauso wenig weiß er allerdings, was überhaupt Sache ist, wie der aktuelle Stand aussieht. Es sprechen nur selten Menschen vom BLB mit ihm.? ?

 

Dahinter, an der Alteburger Straße 142-144, wo einst Royal Canin residierte, sind alle Einwohner und Büroarbeiter ausgezogen. Das Gebäude steht noch, im Aufzug leuchtet sogar noch die Etagen-Anzeige. „EG“ zeigt sie an. Im Hinterhof befindet sich das ehemalige Ladenlokal des Elektro-Großhändlers „Lingemann“. Randalierer sind in dem Gebäudetrakt eingefallen, haben alle vorhandenen Scheiben zertrümmert und alles, was nicht niet- und nagelfest war, abgerissen. Im Untergeschoss des Hauptgebäudes leben zeitweise Obdachlose, in den oberen Stockwerken stehen weitgehend einwandfreie Wohnungen leer.

?Die Briefkästen am Eingang quellen über, auf der Erde stapelt sich Post für den längst verzogenen Tierfutterhersteller. Auch ein Umschlag mit dem Logo des Zensus 2011 an einen der ehemaligen Bewohner gilbt im Treppenhaus vor sich hin.  Die Stadtverwaltung, sie arbeitet langsam. Ein Stein mit der Aufschrift „1964“ gibt das Baujahr des Hauses zu erkennen. Ein Zweckbau, der keinen Zweck mehr erfüllt.??

 

Das Haus gegenüber ist nur sechs Jahre älter und steht einsam wie ein Fels in der Wüste an der Alteburger Straße. Die Dom-Brauerei, die das Haus früher einbettete, gibt es nicht mehr. 2006 bis 2008 wurde sie abgerissen. Das Haus ist das einzige Objekt auf dem großen Grundstück, das sich weder im Besitz von Bauwens-Adenauer noch im Besitz des Landes Nordrhein-Westfalen befindet – ein blinder Fleck für jeden Großprojekte-Planer.

Die Besitzerin heißt Wimmar Schwerfel und betreibt schräg gegenüber den Entsorgungsbetrieb Müllenmeister und Schwerfel. Hier können die Menschen aus der Umgebung Altpapier abliefern und Schrott entsorgen. Wenn man das Gelände und den Bürocontainer links vom Tor betritt, eröffnet sich täglich das gleiche Bild. Hinter dem Fenster geradeaus sitzt die ältere Frau Schwerfel, rechts davon an der Waage ihr Sohn. Er sagt, auch bei ihnen seien sie gewesen, die Leute von Bauwens-Adenauer. „Dann hat meine Mutter einen Preis genannt, und dann waren sie wieder weg.“ Standhaft sind sie geblieben, haben sich nicht beeindrucken lassen von der „forschen Art der Adenauer-Leute“: „Wir wollen da ja auch wohnen bleiben“, erzählt sie, „da leben wir ja schon immer.“

?Was den beiden aber noch viel wichtiger ist, ist ihr Betrieb. Den hat Wimmar Schwerfel nach dem Krieg mit ihrem Mann aufgebaut, es ist eines der ältesten Familienunternehmen der Südstadt. Doch Gebäude und Grundstück sind nur gemietet – früher von der Deutschen Bahn, jetzt heißt der Besitzer ebenfalls BLB. „Kontakt haben wir mit denen nicht, wir haben nur mitgeteilt bekommen, wohin wir die Miete jetzt bezahlen sollen“.

?Genehmigt wird den Schwerfels allerdings nichts mehr. Die Erlaubnis für den Betrieb eines Aufenthaltsraums für die knapp 10 Mitarbeiter des Unternehmens läuft jetzt aus – und die Stadtverwaltung verlängert ihn einfach nicht. Die Schwerfels wollen vor Gericht ziehen, das lassen sie sich nicht gefallen. „Begründet wird das damit, dass hier bald die Fachhochschule hinkommen soll.“ Dabei ist Müllenmeister und Schwerfel so ziemlich der einzige Entsorger, der so zentral an der Südstadt liegt.

?In Sichtweite des Schwerfel-Betriebs liegt der Lutschpastillen-Fabrikant Bolder. Wimmar Schwerfel erzählt: „Der alte Herr Bolder wollte seinen Betrieb immer hier halten, eine ganz neue Halle wollte er bauen.“ Daraus wird nichts – zum Jahresende zieht Bolder aus. Mehr erfährt man nicht, die Geschäftsführung von „Bolder“ steht für ein Interview nicht zur Verfügung.

 

Wifried Nißing und Wassily Nemitz im Gespräch (v.r.n.l.)

 

Dafür erzählt Wifried Nißing. Zum Beispiel, was er für Visionen für das Gelände hat, sollte die Fachhochschule nicht kommen. Er spricht gerne von der „Post-Oil“-Zeit, die uns schon bald bevorstehen wird – wie wird eine Stadt aussehen, wenn die Ölvorräte aufgebraucht sind? Er macht sich stark für eine Bebauung, die fernab vom derzeit beliebten „Nutzungsmix aus (exklusivem) Wohnen und Arbeiten“ bewegt. Co²-Neutralität nennt er hierbei einen „Basic“, darüber hinaus sollten die Häuser nicht aus umweltschädlichem Beton, sondern vielmehr aus alternativen Bauträgern bestehen. Zum Beispiel aus Holz – Häuser mit einer Nutzungszeit von 30 bis 50 Jahren könnten so problemlos entstehen.??

 

Verfolgt er hierbei denn gar kein Eigeninteresse? Wilfried Nißing überlegt. Dann sagt er: „Das ist mein Denken. Und mein Denken beeinflusst mein Arbeiten, nicht umgekehrt.“ Wichtig für ihn sind darüber hinaus neuartige Mobilitäts-Konzepte. So könnte er sich ein Carsharing-Modell für sich auf dem Gelände ansiedelnde Handwerker gut vorstellen. Und die braucht man seiner Meinung nach dringend – denn Nähe zum Kunden wird aus seiner Sicht heraus rein ökonomischen Gründen bald schon Pflicht sein. Dann werde jeder Anfahrtskilometer mehr zählen als die Arbeitsstunden, meint er.??

 

Um all das umzusetzen wünscht sich Nißing von der Stadt mehr Möglichkeiten zur Bürgerbeteiligung – für das Gelände hält er es für absolut notwendig, das Bürgerinnen und Bürger frühzeitig mit einbezogen werden. „Wir müssen uns von den derzeitigen, starren Strukturen verabschieden.“??

 

Nißing ist Mitglied der neu gegründeten Bürgerinitiative „NeuLand“, die sich für eine zunächst temporäre Nutzung des Geländes einsetzt. In den Bestandsgebäuden kann er sich eine zeitweilige Nutzung durch Künstler – aber auch durch gewerbliche Nutzer vorstellen. Hauptsache, ein so wichtiges Stück Land wird nicht einfach brach liegen gelassen – das ist Wilfried Nißing sehr wichtig.??Und so ein großer Vogelfreund ist er nicht geworden, als dass er neben Amseln, Rotkehlchen und Sperbern nicht noch eine gute Portion Betriebsamkeit, Menschen und Leben um sich herum vertragen würde….
 

Text: Wassily Nemitz

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