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Gesellschaft Politik

Alles nur Schall und Rauch

Mittwoch, 24. April 2013 | Text: Christoph Hardt | Bild: Christoph Hardt

Geschätzte Lesezeit: 5 Minuten

Neues Nichtraucherschutzgesetz könnte nicht nur klamme Wirte um den Schlaf bringen.

 

Konfliktpotential schwelt in den Gässchen der Südstadt. Schon bald könnte es für dicke Luft sorgen, dabei ist eigentlich genau das Gegenteil beabsichtigt. Zum 1. Mai hat die Landesregierung ein absolutes Rauchverbot für die Gastronomie in NRW beschlossen. Selbst Ausnahmen wie Raucherclubs oder Eckkneipen sollen dann nicht mehr geduldet werden. Qualmen? Nur noch unter freiem Himmel!

Dass bei Remmidemmi vor der Tür auf Dauer aber die Anwohner auf die Barrikaden gehen – das ließ sich bisher am Brüsseler Platz beobachten. Und egal, ob Flüster-Feiern oder Klageflut – solche Aussichten versprechen wenig gute Laune. Und während sich Shisha-Bars ihrer Existenzgrundlage beraubt sehen, jetzt auch oberirdische KVB-Haltestellen als rauchfreie Bereiche gelten – die Unsicherheit ist groß. Allein, es fehlt die zündende Idee. Steht die Kneipenkultur vor einer neuen Sittsamkeit? Oder machen unüberlegte Gesetze bald den Bordstein zur Problem-Zone? Eine Bestandsaufnahme.

Nichtraucherkneipen konnten sich bisher nicht halten

„Etwa die Hälfte unserer Gäste raucht“, schätzt Detlef Weisweiler von der „Ubierschänke“. Der ehemalige Sozialarbeiter aus der Bundeszentrale für Gesundheitliche Aufklärung kennt sich aus mit dem Thema Sucht, hat lange in der Drogenprävention für Jugendliche gearbeitet – damals noch als Raucher. Als Gastwirt hat er für beide Seiten Verständnis: Einerseits sei das Rauchverbot vom gesundheitspolitischen Standpunkt richtig, Passivrauchen klar schädlich. Für die andere Fraktion ginge Bier ohne Kippen aber so gar nicht. „Reine Nichtraucherkneipen haben sich ökonomisch auch nicht gelohnt“, so Weisweiler. „Ich kenne keine einzige, die funktioniert hat.“

Menschen per Gesetz dazu bringen zu wollen, die Kippen daheim zu lassen, hält er für den falschen Ansatz: „Man muss ihnen gute Gründe liefern, sie überzeugen, sie begreifen lassen.“ Die von den USA probierte Prohibition in den 1930er Jahren habe letztlich auch nicht gegriffen. Trotzdem habe die Neuregelung auch positive Aspekte: „Das alte Nichtraucherschutzgesetz hat damals für eine Wettbewerbsverzerrung gesorgt.“ Gaststätten, die Speisen anboten, hätten auf einen Schlag Umsatzrückgänge von bis zu 30 Prozent verkraften müssen. Nach dem Essen seien viele Gäste einfach lieber in Raucherkneipen weitergezogen. Dieses Ungleichgewicht würde sich durch das Totalverbot ab ersten Mai nun wieder egalisieren. Gleiches Recht für alle. Immerhin.

 

Geht den Kneipen bald die Puste aus?

So optimistisch ist man beim Gaststättenverband DEHOGA Nordrhein nicht. Im Gegenteil. Man befürchtet: Im jahrelangen Katz- und Mausspiel zwischen Gaststätten und Gesetzgeber könnte den Mäusen nun bald die Puste ausgehen. „Die Wirte sind gleich doppelt die Gekniffenen“, meint Verbandssprecher Thorsten Hellwig. So drohten erhebliche Umsatzeinbußen, weil ein großer Teil des Publikums nun länger vor der Tür weilte – Gift für die ohnehin angespannte Finanzlage vieler Betriebe. Obendrein handele man sich bei Lärmbelästigung der Anwohner schnell Ordnungsgelder ein. Im Wiederholungsfall sei sogar der Entzug der Konzession möglich.

„Bei der derzeitigen Wirtschaftslage wird es bei weiteren Umsatzrückgängen für viele Gaststätten schnell existenziell“, so Hellwig. Nichtraucher in Raucherkneipen zu schützen hält er für ähnlich sinnvoll, wie „Tempo 30 Zonen auf der Autobahn einzurichten, zum Schutz der Fußgänger“. Das verschärfte Nichtraucherschutzgesetz sei daher vielmehr ein Raucherkneipen-Verbotsgesetz, das angesichts einer Raucherquote von weit mehr als 50 Prozent der Gäste in der Praxis wie ein gesetzlich beschleunigtes Kneipensterben wirke. Und noch mehr Ungemacht droht: „In Sachen GEMA ist die Kuh noch nicht wirklich vom Eis“, erzählt Hellwig. „Jederzeit droht der Wiederholungsfall.“ Die Verwertungsgesellschaft war Anfang 2012 mit dem Vorschlag für eine umfassende Tarifreform vorgeprescht, die für Wirte teilweise enorme Mehrkosten bedeutet hätte. In der vergangenen Woche wies die urheberrechtliche Schiedsstelle die Tarifvorschläge als „nicht angemessen“ und „überhöht“ zurück.

Rückzugsgefechte im Kampf um die Lufthoheit

Klar ist: Auch ohne den Kampf um die Lufthoheit, geraten immer mehr Kneipen in Köln ins Trudeln. Gleichzeitig Goldesel für alle sein und immer neue Auflagen erfüllen, in diesem Spagat haben die Wirte einen schweren Stand. Laut Zahlen der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) meldeten 116 Betriebe aus der Gastronomie in Köln im vergangenen Jahr Insolvenz an. In Zeiten der „Glimmstengel-Prohibition“ könnte die verbliebene Kneipenszene vor einem einschneidenden Gesichtswandel stehen: Facelift für die Außengastronomie, Bierbänke auch im Winter, Raucherlounge mit Aschenbecher vor der Tür?
Vor  der „Torburg“ ist schon eine neue Markise mit Seitenfenstern und fest installierten Wärmestrahlern geplant. Immer konkreter wird auch die Idee, bei der „Lotta“ einen Türsteher zu engagieren, damit Konflikte mit den Nachbarn nicht vorprogrammiert sind. „Wir sind definitiv eine Raucherkneipe“, erklärt Geschäftsführerin Diana Jüttner. „85 bis 90 Prozent der Leute rauchen, da kann man die Leute nur bitten, vor der Türe leise zu sein…“ Da Stadt und Land sich ständig neue Auflagen überlegten, habe sie mittlerweile immer mehr das Gefühl „als Wirt latent kriminell zu sein.“ Und auch Torburg-Inhaber Martin Wolf wehrt sich gegen den Schwarzen Peter: Forderungen nach einem „Führerschein“ für Kölner Wirte, um dem Kneipensterben entgegenzuwirken – wie etwa durch die NGG gefordert – seien unverschämt. „Die wissen ganz genau, wie es aussieht.“

Regulierungswut des Staates stößt mittlerweile sauer auf

Viele Kneipen haben aber nicht mal genug Platz, einen Aschenbecher raus zu stellen. In ruhigen Gassen hört man zudem nachts jedes Wort schon von weitem. Ercan Yurtkel, Betreiber der türkischen Teestube „Cafe Altan“, geht es längst nicht um das Verlagern irgendeiner abstrakten Rauchkultur von der Stube auf die Straße sondern um handfeste Bevormundung: „Die Leute wollen einfach frei entscheiden können. Das wird ihnen aber genommen.“

 

Wenn abends bei ihm Fußball geschaut wird, die Spielautomaten klingeln und bei Tee und Zigaretten Rommé-Karten verteilt werden, ist die Luft schnell nebelig vom Rauch. Dass sich der Staat jetzt quasi an den Tisch drängeln wolle, um reihum die Fluppen einzusammeln – unvorstellbar. Der Zigarettenautomat mit Marilyn Monroe – er würde keinen Sinn mehr machen. Die „unter uns“-Regelung seiner Stammkundschaft – einfach von Leuten aufgekündigt, die nie einen Fuß in den Laden gesetzt haben.

Mögliche Krisengewinnler und ein allerletzter Strohhalm, der keiner ist

 

Und dann erzählt ein Gast plötzlich eine Geschichte, die das ganze Problem auf den Punkt bringt: „Als damals die Schachtel noch fünf Mark kostete, haben alle getönt, bei 10 Mark würden sie aufhören, dann sei endgültig Schluss.“ Heute liege der Schachteilpreis bei umgerechnet 11 Mark, und dieselben Leute rauchten immer noch. Daher sei abzusehen, dass künftig weiter geraucht werde. Nur eben nicht mehr bei Ercan. Den Kaffee habe ja auch die Backstube. Die Zigarettenschachtel auch der Supermarkt. Nach dem Schema der Verfügbarkeit könnten Büdchenbesitzer von der Regelung profitieren. Das Bier ist hier günstiger, die Kippen gibt es gleich dazu. Ob man vorm Kiosk auf dem Bürgersteig steht oder vor der Kneipe – für viele macht es kaum einen Unterschied.
 
Lange Zeit schien es, als würde ein allerletztes Schlupfloch eingeräumt werden: „Echten“ geschlossenen Gesellschaften – also privaten Familienfeiern mit „personengebundenen Einladungen“ – sollte das Rauchen in Gaststätten weiterhin erlaubt sein. Hochzeiten und Geburtstagsfeiern also, Betriebs- oder Vereinsfeiern hingegen nicht. Im NRW-Landtag wurde diese Ausnahme erörtert, und auch in einem Merkblatt des Ministeriums. Im neuen Gesetzestext ist sie aber nicht mehr ausdrücklich genannt. Der Gaststättenverband mahnt daher zur Vorsicht und rät, das Thema „sehr eng auszulegen“. Wirten sollen Bußgelder zwischen 300 und 3000 Euro (Wiederholungsfall) drohen – erwischten Gästen wohl immer noch 35 Euro, selbst bei E-Zigaretten. Für „echte“ geschlossene Gesellschaften gelten zudem harte Kriterien: Feiern müssen streng genommen vorher geplant werden, Gäste persönlich eingeladen sein. Wer einfach nur jeden Tag spontan „Hoch soll er leben“ anstimmt, ohne die Öffentlichkeit auszuschließen, kann schnell zur Kasse gebeten werden. Ob bei Kontrollen aber wirklich eine Gästeliste gezückt werden muss, steht auf einem anderen Blatt – den kommunalen Ordnungsämtern ist ein Ermessensspielraum eingeräumt.

 

Weitere Informationen im Merkblatt der DEHOGA Nordrhein zum novellierten Nichtraucherschutzgesetz NRW

 

Text: Christoph Hardt

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