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Bildung & Erziehung Gesellschaft Verkehr

„Der Sheriff der Südstadt“

Sonntag, 28. November 2010 | Text: Antje Kosubek | Bild: Dirk Gebhardt

Geschätzte Lesezeit: 6 Minuten

Heute treffe ich Reinhard Soll, Polizeihauptkommissar in Köln – vielen Südstädtern schon seit Kindergartentagen als „der freundliche Polizist im Veedel“ bekannt.
Er kümmert sich um Verkehrserziehung und Verkehrssicherung rund um und in Köln. Dabei gibt es so viel mehr über ihn zu erzählen, so dass ich Sorge habe, meine angesetzte Interviewzeit ist viel zu kurz.
Reinhard Soll ist in Südafrika geboren, in Ostwestfalen groß geworden und in der Kölner Südstadt mit seiner Familie sesshaft geworden. Er ist Vorstandsmitglied der Gewerkschaft der Polizei und engagiert sich darüber hinaus auch sehr viel ehrenamtlich. Sein grüner Daumen ist weit über die Grenzen der Südstadt  bekannt, in seinem Schrebergarten werden auch schon mal seltene Gewürze, wie Sauerampfer geerntet. Seine Kreativität lebt er im eigenen Hobbykeller aus, dort befindet sich eine riesige Legosammlung und als kommendes Projekt möchte er Porträts mit Legosteinen nachbauen. Und für seine handgemachten Glasperlen gewann er auch schon mal einen Preis auf dem Kölner Schmuck-Forum im Rheinauhafen.

Herr Soll, wie wird man Polizist in der Verkehrssicherheitsarbeit?

Nachdem ich 1979 nach Köln gekommen bin, habe ich erstmal 13 Jahre im Wach- und Wechseldienst in der Innenstadt gearbeitet. Das war von der Verkehrsbehinderung bis hin zum „Tötungsdelikt im ersten Angriff“ die Arbeit im Streifenwagen.
1990 wurde ich Bundesjugendvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei. Durch die Wiedervereinigung kamen damals fünf neue Bundesländer zu unserem Arbeitsbereich dazu und das bedeutete, dass wir dort mit dem Aufbau von neuen Strukturen beschäftigt waren. Deshalb wurde überlegt, wo ich alternativ arbeiten kann, also bundesweit gewerkschaftlich, aber auch im Dienst sinnvoll eingesetzt werden kann.
Mir wurde angeboten, für diesen Zeitraum, also vier Jahre, bei der Verkehrssicherheitsberatung einzusteigen. Der Job machte mir sehr großen Spaß, die Arbeit lag mir und überall wo ich hinkam, freuten sich die Leute. Ich habe viele Lehrgänge und Weiterbildungen besucht und mich intensiv mit dem Thema auseinandergesetzt. Als meine Zeit als Bundesjugendvorsitzender endete, bin  ich bei der Verkehrssicherheitsberatung geblieben.

Was bedeutet das konkret und praktisch, Verkehrserziehung in Kindergärten und Schulen?
Wir bringen den Kindern in erster Linie bei, Verkehrsregeln in der Praxis umzusetzen. Aber es geht nicht nur um das Vermitteln von Regeln, sondern auch um Respekt und Rücksichtnahme.
Wir trainieren bei den Kindern auch Wahrnehmungs- und Bewegungsfähigkeiten.
Die Umsetzung in der Praxis ist schwierig, gerade im Bewegungs- und Wahrnehmungsbereich gibt es Probleme.  

Leistet die Polizei hier nicht in erster Linie klassische Erziehungsarbeit?
Also, es ist in erster Linie Aufgabe der Eltern, die Kinder für den Straßenverkehr fit zu machen.
Wir bieten regelmäßig in Kindergärten und Schulen auch Elternnachmittage an und geben dort Tipps und Hinweise für Eltern, was und wie sie mit ihren Kinder üben können.
Viele Schulen oder Kindergärten kommen auf uns zu, aber wir besuchen auch regelmäßig die Schulen und fragen nach, ob Bedarf  besteht. Wir sprechen dann die Programme gezielt ab, denn es gibt viele unterschiedliche Programme, praktische Übungen, vor Ort an der Strasse, aber auch spezielle Übungen zum Training in spielerischer Form. Das sind Übungen, in denen Kinder auch beobachtet werden und man eine entsprechende Rückmeldung geben kann, zum Beispiel, ob man bei Kindern einen Nachhol- und Förderbedarf erkennt.
Wir können bei Kindern beispielsweise Gleichgewichtsstörungen, Probleme mit der Körperspannung oder auch Gehörprobleme erkennen. Es gibt zum Beispiel ein so genanntes Richtungshören oder eine Ohrenpräferenz, diese Kinder haben dann Probleme im Straßenverkehr.
Das zeigt sich darin, wenn beispielsweise das rechte Führungsohr dominant ist, bekommt das Kind zwar alles mit was auf der rechten Seite passiert, aber die linke Seite wird vernachlässigt.
Für die Schulsituation ist das dann auch sehr interessant, dann solche Kinder so hinzusetzen, dass die Lehrerin rechts vom Kind steht.

Meine Beobachtung über die Jahre ist, dass sich Kinder kaum noch alleine draußen bewegen oder „auf der Strasse spielen“. Ich sag das jetzt mal überspitzt: Die Verabredungen werden meist von den Eltern getroffen und die Kinder zum jeweiligen Spielpartner mit dem Auto chauffiert. Verändert das nicht grundsätzlich auch die Arbeit in der Verkehrserziehung, auch weil der Öffentliche Nahverkehr bei vielen Kindern kaum noch Berührungspunkte hat?
Das beobachten wir auch. Bei vielen Gesprächen, die wir mit Erzieherinnen, Lehrerinnen und Eltern führen, stellt sich heraus, dass die Kinder sehr oft visuell überreizt sind durch zu viel Fernsehen, Playstation und so weiter. Daraus folgend wissen viele Kinder nicht mehr, wie sich Matsch anfühlt oder die Natur und das dann auch gar nicht mehr in Worte kleiden können. Ihnen fehlt die Wahrnehmung und sie müssen diese wieder lernen.
Und zwar gilt das für alle Wahrnehmungsbereiche, die mit den Kindern wieder verstärkt geübt werden müssen, damit sie damit umgehen können, sei es für den Gleichgewichtssinn,  für den Bereich des Fühlens oder für das Gefühl für den eigenen Körper. Kinder, die keine Körperspannung haben, können bei Gefahr nicht mal eben einfach zur Seite springen, um auszuweichen.
Oder wir stellen fest, dass Kinder oft Gefühle nicht mehr beschreiben können, denn sie haben keine Adjektive dafür, ob sich etwas sich etwas glatt oder rau anfühlt.
Im Bereich der Überkreuzkoordination sind viele Kinder nicht mehr in der Lage sich vernünftig überkreuz zu bewegen, dabei ist es wichtig, um durch die Bewegungen die rechte und linke Gehirnhälfte zusammen zu bringen, also um Dinge sachanalytisch zu bewerten aber auch kreativ-intuitiv. Desto schneller können Kinder lernen und können das Gelernte auch besser behalten – das ist wichtig im Straßenverkehr, aber auch in der Schule. Hier können wir Beobachtungen aus anderen Blickwinkeln machen als Lehrer oder Erzieher und alle profitieren davon.
Die Verkehrssicherheit der Polizei hat das Projekt „Spielerisch zu mehr Sicherheit“ gestartet, mit dem Ziel, Eltern klar zu machen, wie wichtig es ist, Kinder spielen zu lassen, denn Kinder brauchen diese Erfahrungen.
Zum Beispiel, bei Spielen, wie „Mensch ärgere dich nicht“. Dort lernt das Kind Strukturen, lernt, dass Regeln akzeptiert werden müssen, Frustrationen auszuhalten sind,  lernt Farben und vieles mehr dadurch kennen. So gibt es viele Spiele, die die Wahrnehmungsfähigkeiten bei den Kindern fördern. Wir haben früher auf der Strasse noch „Hüppekästchen“ gespielt. Mit der Schwierigkeit, auf einem Bein stehend in Felder zu hüpfen und das, ohne dabei die Begrenzungslinien zu berühren. Für das trainieren des Gleichgewichtssinns war das super.
Wir wollen durch unser Projekt den Eltern Informationen und Hinweise geben, aber auch Netzwerke bilden, denn es ist eine gemeinschaftliche Aufgabe, die Kinder fit zu machen im Straßenverkehr.

Was ist das größte Problem heute, die mangelnde Konzentration von Kindern?

Ja. Und dabei gibt es so viele Möglichkeiten, wie beispielsweise durch das Erzählen von spannenden Geschichten. Hier entstehen Vertrauensaspekte und das aktive Zuhören wird gefördert. Das Kind lernt Verantwortung, wenn abends vorgelesen und darüber gesprochen wird. Die Obhut der Eltern ist wichtig, aber auch das Vertrauen in die Kinder, Dinge selbst zu tun.
Ich sehe das als wichtiges Element in der Entwicklung des Kindes.
Jedoch haben das viele Kinder heute nicht mehr, sie sind angesteckt von der Hektik im Elternhaus.
Dabei ist es sehr wichtig, denn Kinder brauchen stille Übungen, um sich wieder auf etwas Neues vorzubereiten.
So habe ich ein kleines Training entwickelt, dass ich anwende, wenn ich montags morgens in die Klasse komme. Alle Kinder sollen die Augen schließen und den Kopf auf den Tisch legen. Dann gehe ich durch die Klasse, tippe einem Kind auf die Schulter und derjenige muss dann ein Tiergeräusch nachmachen. Die Klasse soll dann erraten, wer das Geräusch gemacht hat und welches Tier es war.
Das stärkt die Konzentration und übt das für den Straßenverkehr wichtige Richtungshören. Alle hören aktiv zu, und durch die Stille finden die Kinder besser zu sich selbst.

Und jetzt nach 20 Jahren – macht die Arbeit immer noch Spaß?

Ja! Die Arbeit mit Kindern wird ja nie langweilig, denn sie ist immer anders. Manchmal ist es auch anstrengend, gerade wenn man montags in den Unterricht kommt und das Wochenende zuvor war verregnet.  Dann muss man alle Register ziehen, um erstmal die Aufmerksamkeit der Kinder auf sich zu ziehen. Neben praktischen Übungen in Kindergärten und Grundschulen bieten wir auch Fahrradtrainings an, arbeiten aber auch mit Jugendlichen und Heranwachsenden. Da verändert sich die Arbeit natürlich thematisch, wir sprechen mit den Jugendlichen über Drogen und Alkohol oder aggressives Verhalten im Straßenverkehr und Fahren ohne Fahrerlaubnis. Und wir betreuen auch Senioren, haben Termine mit Seniorenheimen und machen dort auch Aufklärungsarbeit.

Und jetzt noch zwei abschließende Fragen ganz außerhalb der Uniform, an den Privatmenschen Reinhard Soll: Was gefällt Ihnen an der Südstadt? Was macht das Veedel aus?

Es macht Spaß hier zu leben und zu wohnen. Als Familie haben wir viel von der Nähe zum Kindergarten, Schule, und Römerpark profitiert und haben dadurch viele andere Kinder und Eltern kennen und schätzen gelernt.
Wir sind als Südstädter integriert und engagiert, so haben meine Frau und ich auch dabei geholfen, damals den Schulhof der Grundschule Mainzer Strasse mit umzugestalten.
Außerdem gefällt mir das Kneipenleben in der Südstadt, da steht der Handwerker, neben dem Filmregisseur und dem Architekten an der Theke – und alle haben ihre meist interessanten Geschichten zu erzählen.
Ich werde auch ständig wieder erkannt, viele Kinder, mit denen ich schon in der Grundschule gearbeitet habe, treffe ich jetzt im Erwachsenenalter wieder.
Es ist mir auch schon passiert, dass ich am Wochenende morgens aufgebrochen bin, um einzukaufen und erst nachmittags  wieder heim gekommen bin, da ich so viele Leute traf, mit denen ich ein Schwätzchen gehalten habe.

Zum Schluss noch eine Frage:
Es wird ja gerade in der Südstadt eine hitzige Debatte über das neue Waffengeschäft geführt. Was sagen Sie dazu?

Als Vorstandsmitglied der Gewerkschaft der Polizei sage ich: dieses Warenangebot ist als Beitrag zu mehr dringend notwendigem partnerschaftlichem Verhalten, sowie zur wichtigen Friedens- und Sozialerziehung, misslungen.

Text: Antje Kosubek

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