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Kultur

Der verborgene Turm in der Südstadt

Donnerstag, 31. März 2016 | Text: Calle Virnich | Bild: Dirk Gebhardt

Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten

Man muss schon aufpassen, um nicht dran vorbei zu laufen, an diesem herausragenden Zeugnis Kölner Vergangenheit. Denn bei der Adresse „An der Malzmühle 1“ steht nur ein unscheinbares Gebäude aus den 1960er Jahren, wie ähnliche zahlreich das Stadtbild prägen. Darunter aber verbirgt sich ein archäologisches Kleinod der Extraklasse, das nach dreijährigen umfangreichen Renovierungsarbeiten wieder für die Öffentlichkeit zugänglich ist. Der besondere Tipp für den nächsten Köln-Tag: das „Ubiermonument“

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Nachdem man die wenigen Treppen herabgestiegen ist und den eigens unter dem Wohnhaus für den „Fund“ errichteten Raum betreten hat, fällt dem/der Besucher/in sogleich auf, dass er/sie etwas Besonderes vor sich hat: linker Hand ein großes Stück der östlichen, rheinseitigen römischen Stadtmauer, geradeaus und an die Mauer im rechten Winkel anschließend ein mächtiges Gemäuer ganz anderer Art, das „Ubiermonument“. Auch der Laie erkennt sofort, dass beide Gemäuer unterschiedlicher Machart sind, was sowohl Material als auch Technik betrifft. Von der römischen Stadtmauer (hier) aus dem späten 1. Jahrhundert sieht man nur die äußere Verschalung aus handlichen, ziegelgroßen Steinen. Das „Ubiermonument“ dagegen, in knapp 9 Meter Breite und 6,50 Meter Höhe erhalten, besteht aus mächtigen, sorgfältig bearbeiteten Tuffsteinquadern. Mit seinen betont gesetzten Fugen und den sorgfältig kissenförmig ausgearbeiteten Quadern – der Fachmann oder die Fachfrau spricht von Bossenmauerwerk – wirkt das Monument regelrecht edel. Und wenn man genauer hinschaut erkennt man auch, dass beide Gemäuer nicht miteinander verzahnt sind und die Stadtmauer über das „Ubiermonument“ hinweggeführt wurde. Letzteres muss also deutlich älter sein als die römische Stadtmauer.

Ein Turm, tatsächlich von den Ubiern erbaut?

Den Namen „Ubiermonument“ verdankt das Gemäuer Otto Doppelfeld, der hier 1965 aus Anlass eines Neubaus die Ausgrabungen leitete. Der damalige Direktor des Römisch-Germanischen Museums vermutete hier die Südostecke der römischen Stadtmauer. Er fragte sich, wie die Römer diese Ecke angelegt hatten, mit oder ohne Turm? Der Archäologe fand beides: die römische Stadtmauer und den Steinquaderbau, den er zu Recht als Überrest eines Turms interpretierte. Eines Turms, der aus der frühesten Epoche des römischen Köln stammen musste, die der „Ubierstadt“ („Oppidum Ubiorum“). Bereits gut 70 Jahre vor Gründung der „Colonia Claudia Ara Agrippinensium“ im Jahre 50 war diese Vorgänger- und Kernsiedlung Kölns durch den römischen Feldherrn und Statthalter Galliens Marcus Vipsanius Agrippa (64–12 v. Chr.) gegründet worden. Um die römische Rheingrenze dauerhaft zu sichern, hatte man dem romfreundlichen, im Rechtsrheinischen beheimateten Germanenstamm der Ubier angeboten, hier gemeinsam mit Römern zu siedeln. Das „Oppidum Ubiorum“ wurde bald römisches Zentrum am Rhein – die Urkölner kamen also zweifelsfrei aus Italien, und von der „schäl Sick“.

Ein Husarenstück

Das „Ubiermonument“ ist römischen Ursprungs, wurde von römischen Bauingenieuren und -handwerkern und nicht von den Ubiern errichtet, zumal letztere technisch auch gar nicht in der Lage waren, anspruchsvolle Steinbauten zu konstruieren. Doppelfeld wusste allerdings genau, was die Stadtväter von den historischen Relikten ihrer Stadt hielten: „Wir können ja nicht alle römischen Mauern in Köln erhalten“, erinnerte er sich an die Kämpfe im zuständigen Ausschuss, als Jahre zuvor der Erhalt des „Praetoriums“ auf der Kippe gestanden hatte. Aber nach der Taufe des Fundes auf den Namen „Ubiermonument“ war das öffentliche Interesse so groß, dass die Erhaltung und die Zugänglichkeit des Monuments außer Frage standen. Ein „wahres Husarenstück“ seines Vorgängers, so der heutige Direktor des Römisch-Germanischen Museum Dr. Marcus Trier auf der Pressekonferenz anlässlich der Wiedereröffnung des Monuments am 4. März 2016: Zwischen 2012 und Anfang 2016 wurde das Fund-Ensemble nämlich mit erheblichen finanziellen Mitteln des europäischen „Portico-Projekts“ umfänglich restauriert – der Besucherraum modernisiert und mit Beispielen von Fragmenten römischer Architektur und Baukunst aus Köln ergänzt.

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Der älteste Steinbau nördlich der Alpen

Vom ursprünglichen Turm sind der mächtige Sockel und in Teilen das Untergeschoss erhalten. Ihre massive Konstruktion lässt auf eine ursprüngliche Turmhöhe von 20 Metern schließen. Vermutlich hatte der Turm drei Etagen für Wach- und Nutzräume, der Eingang befand sich in sicherer Höhe der ersten Etage auf der Westseite. Der gesamte Bau sitzt auf einer mächtigen Fundamentplatte, gegossen aus „Opus Caementitium“, jenem berühmten römischen Kalkmörtel-Bruchsteingemisch, hart wie Beton, das unserem heutigen „Zement“ den Namen gab. Die Platte wiederum ruht auf 400, tief in den Boden des (damaligen) Rheinufers gerammten Eichenholzpfählen. Anhand der Eichenpfähle konnte mittels „dendrologischer“ Untersuchungen (dass heißt durch Vergleich der Wachstumsringe) das Fälldatum der Bäume und damit der Bau exakt datiert werden: Der Turm wurde bereits im Jahr 4/5 nach Christus erbaut, zur Zeit des Kaisers Augustus und fast 100 Jahre vor der Stadtmauer. In der Kölner Südstadt steht damit der älteste Steinbau nördlich der Alpen!

Hafen-, Wach- oder Leuchturm?

Nicht ganz sicher ist, welchem Zweck der Turm diente. Da er unmittelbar am damaligen Rheinufer stand bzw. an einem Nebenarm des Rheins, der, vom Hauptstrom durch eine einen Kilometer lange Rheininsel getrennt, als Hafen diente, hatte er wohlmöglich mehrere Funktionen: als Orientierungspunkt für die Schifffahrt, als Wachturm zum Schutz der Stadt und des Hafens, vielleicht auch als Leuchtturm. Wahrscheinlich gab es auch einen Zwillingsturm, knapp 900 Meter entfernt an der Nordostecke der Ubierstadt: Dort, in der Trankgasse, wurde Ende des 19. Jh. eine ähnliche Fundamentplatte gefunden, ebenfalls auf Eichenpfählen ruhend, mit nahezu identischen Maßen. Aber ob Hafen-, Wach- oder Leuchtturm: ein Besuch dieses außergewöhnlichen historischen Erbes unserer Stadt ist wärmstens zu empfehlen! Regelmäßig ist es am „Köln Tag“, dem ersten Donnerstag im Monat, zu besichtigen. Darüber hinaus bietet der Museumsdienst Köln Führungen an.

Text: Calle Virnich

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