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Gesellschaft Glaube

Die letzte Ehre: mit Gedenken gehen

Mittwoch, 22. November 2017 | Text: Alida Pisu | Bild: Dirk Gebhardt

Geschätzte Lesezeit: 6 Minuten

Am kommenden Sonntag ist Totensonntag, in der evangelischen Kirche wird der Verstorbenen gedacht. Aber was ist, wenn niemand da ist, der einem Verstorbenen die letzte Ehre erweist und seiner gedenkt? „Meine Südstadt“ sprach mit Pfarrerin Anna Quaas von der Kartäuserkirche und mit Menschen, die Bestattungen Verstorbener begleiten, die sie nicht kannten.

Meine Südstadt: Frau Quaas, es gibt immer mehr Alleinlebende, die auch allein sterben. Sie haben niemanden mehr, der um sie trauert. Haben Sie als Pfarrerin schon mal allein an einem Grab gestanden?
Anna Quaas:  Ja, das war in meiner Anfangszeit in Köln ganz oft so, und das ist schon komisch, wenn man ein Gebet und den Segen spricht und denkt: „Ich war jetzt die Letzte, die an denjenigen oder diejenige gedacht hat.“ Und dann geht man nach Hause und denkt auf dem Nachhauseweg auch noch an diese Person. Das ist ein komisches Gefühl.

Aus dieser Erfahrung heraus hatten Sie eine Idee???
Anna Quaas: Ja, das ist eine Idee, die auch die katholische Nachbargemeinde St. Severin schon hatte. Die heißt dort: „Keiner geht allein“, und mir hatte mein katholischer Kollege, der Diakon Dr. Barthel Schröder, davon erzählt. Dann habe ich gedacht: „Das ist eine gute Sache, dass man Menschen mit anderen zusammen begleitet.“ Sonja Schlegel, die Koordinatorin von HerbstGold (ein Angebot der Evangelischen Gemeinde für ältere Menschen und Menschen jeden Alters), hat die Anfrage daraufhin über ihren mail-Verteiler geschickt.

Auf die mail von Frau Schlegel haben sich dann bei Ihnen Leute gemeldet, die mit Ihnen andere begleiten?
Anna Quaas: Genau. Das sind Frau Bederke, Frau Odendahl und Frau Sistig, die heute nicht hier sein kann. Drei Frauen, so ähnlich wie die Frauen am Grab von Jesus, das waren auch drei.

Heidemarie Bederke: Der Vergleich ist mir noch nie gekommen, aber er ehrt mich.

Was hat Sie beide, Frau Bederke und Frau Odendahl, dazu bewogen, Ihnen völlig fremde Menschen auf ihrem letzten Weg zu begleiten?
Heidemarie Bederke: Bei mir war es die Anfrage durch Sonja Schlegel in ihrer Rundmail. Es hat mich sofort angesprochen, denn ich bin aus eigener Erfahrung sensibel für Einsamkeit. Da hat es bei mir geklickt, dass ein einsamer Mensch, der einsam gestorben ist, wenn es an mir liegt, nicht einsam beerdigt werden muss. Es war für mich gar keine Frage, sofort zuzusagen.

Gisela Odendahl: Heidemarie hatte mich informiert, und ich kann das ja auch gut nachempfinden. Wenn ich mir vorstelle, dass jemand ganz alleine geht: Er hat ja ein Leben gehabt, war integriert in irgendetwas, in seinen Beruf, in die Familie, als er oder sie Kind war und wenn er dann ganz alleine geht, das kann ich schwer ertragen. Dieses Gefühl: man ist dabei und es wird jemand nicht total vergessen. Es geht mir auch noch lange nach, ich denke oft an unseren Gang über den Friedhof. Dann kommt immer dieser Vergleich: Wenn es um die eigenen Verwandten geht oder auch um einen selbst, dann denkt man: „Wenn so gar keiner reagieren würde, ob du nun dabei bist oder nicht, das fände ich traurig.“ Deshalb mache ich das wirklich gerne.

Setzen Sie sich intensiver mit Leben und Sterben auseinander, seitdem Sie diese Begleitungen machen?
Heidemarie Bederke: Ja, ich habe mich nach meiner spontanen Zusage gefragt, warum ich das mache. Und wenn ich sage, Mensch ist Mensch, dann denke ich an Gottes Schöpfung. Aber wenn der Mensch dann für mich einen Namen hat, dann hat er auch eine besondere Würde. Und dann ist es mir eine gern erfüllte Pflicht, ihn zu begleiten, wenn er ganz allein gestorben ist und keine Angehörigen aufzufinden sind. Das ist das Mindeste, was ich tun kann.

Anonyme Bestattungen nehmen zu. Was sind aus Ihrer Sicht die Gründe dafür, Frau Quaas?
Anna Quaas: Sie nehmen seit der Jahrtausendwende zu. Das hat mir mal ein Bestatter gesagt. Man unterhält sich ja auch schon mal, wie das vorkommen kann, dass jemand alleine stirbt, alleine bestattet wird und zu der Trauerfeier keiner kommt. Das hat wohl viel mit der Individualisierung zu tun, aber vielleicht auch mit dem fehlenden gesellschaftlichen Druck. Dass man früher auf jeden Fall dabei war, wenn der Nachbar gestorben ist. Es ist wohl auch eine Art, sich nicht mit dem Tod auseinander setzen zu wollen. Das ist schade. Denn eigentlich ist es Menschen ja total wichtig, mit anderen zusammen zu sein, dieses Miteinander. Dafür ist ja auch die HerbstGold – Initiative von Sonja Schlegel da, dass man einfach miteinander im Gespräch ist und bleibt und sich kennt. Das Besondere von jeder Lebensgeschichte, die Würdigung von Anfang bis Ende, soll auch in der Beerdigung noch mal vorkommen. Wir machen eine Bestattungsfeier ja auch stellvertretend für die Gesellschaft, erinnern an die Besonderheit und die Würde jedes Menschen.


Gisela Odendahl, Heidemarie Bederke und Anna Quaas (v.l.)/ Bild: T. Soliz

Warum ist Ihnen die Würdigung so wichtig?
Anna Quaas: Ich finde, dass wir Menschen das brauchen. Dass man sieht, was man gemacht hat. Dass man Anerkennung kriegt, auch im Nachhinein. Es ist ja ein Unterschied, ob man einfach so geht oder mit Gedenken geht. Manche sagen ja: „Tot ist tot und das bringt dem Verstorbenen nichts mehr.“ Das ist pragmatisch richtig, und trotzdem ist es eine andere Haltung, wenn man mitgeht. Deshalb bin ich ganz dankbar, dass Frau Odendahl, Frau Bederke und Frau Sistig mitgehen. Es ist ein anderes Gefühl, wenn man das zusammen macht. Einer ist gegangen, wir halten alle zusammen und begleiten diese Person.

Gisela Odendahl: Als wir bei der letzten Beisetzung von einem älteren Herrn waren, habe ich das Geburtsjahr gesehen, es war das von meinem Mann. Dann habe ich gedacht: „Guck mal, 80 Jahre“ und habe mir vorgestellt, was mein Mann im Laufe seines Lebens so erlebt hat. Die Kriegsjahre waren dabei, die Nachkriegsjahre. Der ältere Herr kam aus den neuen Bundeländern. Vielleicht ist er ja geflüchtet, oder er ist nach dem Mauerfall gekommen. Das weiß man ja nicht. Aber was haben die Menschen für aufregende Zeiten hinter sich!

Im Grunde gehen die Geschichten, die die Verstorbenen erlebt haben, mit ihnen verloren.
Gisela Odendahl: So ist es. In dem Moment, wo man weiß: „Das ist jetzt das Letzte von ihm“, wird der Mensch interessant. Man möchte mehr über ihn wissen. Man fragt sich: „Wie hat er ausgesehen? Ist er mit dem Leben zurechtgekommen? War er fidel, hat alles mit angeguckt und gelebt, ist er Weiberfastnacht auf die Severinstraße gegangen? Oder war er sehr vereinsamt?“ Das geht einem schon an die Nieren.

Heidemarie Bederke: Die Ruhe, wenn ich auf dem schönen Friedhof hinter der Urne hergehe, überträgt sich auf mich. Ich kann nicht über das Leben des Verstorbenen nachdenken, aber ich denke an ihn. Ich komme auch ins Nachdenken über mein eigenes Leben. Damit ist dann doch eine Verbindung zu dem Toten entstanden.  Und wenn ich die Beisetzungszeremonie unserer Kirche mit der Fürbitte, dem Segen und dem Vaterunser mit angehört habe, empfinde ich dazu eine geistige Erfüllung, einen inneren Gewinn. Diesen Gewinn hat mir der einsam Gestorbene gebracht. Dafür darf ich ihm dankbar sein.

Bestattungen können sehr ins Geld gehen. Muss es daran scheitern, wenn wenig oder kein Geld vorhanden ist?
Anna Quaas: Nein, wir stellen die Kirchen gerne zur Verfügung, und es ist auch etwas Besonders, eine Trauerfeier nicht in der Friedhofskapelle, sondern in der Kirche zu halten. Das kostet für unsere evangelischen Gemeindeglieder gar nichts: Für die musikalische Gestaltung der Trauerfeier oder für Nicht-Mitglieder der Evangelischen Gemeinde Köln kann aber ein Honorar anfallen. Eigentlich müssen die Verstorbenen evangelisch sein. Wenn es aber einen evangelischen Angehörigen gibt, dem das wichtig ist, dann geht es auch.

Sie sind ja noch ein sehr junger Mensch, Frau Quaas, der als Pfarrerin sehr viel Verantwortung trägt. Ist es für Sie auch belastend, wenn Sie an Gräbern stehen? Wie gehen Sie damit um?
Anna Quaas: Es ist einerseits belastend, andererseits Teil des Lebens. Deshalb hält man’s aus. Und deshalb ist mir auch die Gemeinde als Pfarrerin wichtig: dass ich eben nicht eine einzelne Priesterin bin, sondern Teil einer Gemeinschaft, die mitträgt und mitgeht. Diese Trauerfeiern sind ja auch verteiltes Lastentragen. Deswegen hoffe ich auch, wenn ich irgendwann mal sterbe, dass dann auch Menschen an meinem Grab stehen. Selbst wenn ich dann vielleicht keine Familie mehr habe, wäre ich heilfroh, wenn es noch Gemeindeglieder und eine Kirche gibt, die das mitträgt und mich mit Segen und Gebet verabschiedet. Weil es einfach schön ist. Auch wenn ich die Leute nicht gekannt habe: ich finde es total liebevoll, Es gibt Leute, die beten noch mal für mich und legen mein Leben zurück in Gottes Hand. Da denke ich auch, dass es sich gelohnt hat, hier zu leben und es gibt etwas, das bleibt.

Sollte ich dann noch leben: ich würde mitgehen!
Gisela Odendahl: Ich auch!

Heidemarie Bederke: Und ich ebenso!

Suchen Sie aktuell noch Leute, die mitgehen?
Anna Quaas: Ja, wir haben jetzt die drei Frauen am Grab wie bei Jesus, aber wenn ein Mann oder weitere Frauen dazukommen, ist es auch schön, zusammen zu gehen.

Und was ist, wenn Menschen Unterstützung brauchen, weil sie z. B. im Sterben liegen oder um einen Angehörigen trauern?

Anna Quaas: Es gibt Seelsorge als Seelsorgegespräch. Bei den ambulanten Hospizdiensten kann man auch Menschen finden, die begleiten. Wir sind nur häufig darauf angewiesen, dass Leute sich melden. Also bitte sehr gerne einfach melden, weil man vieles nicht weiß und dann nichts machen kann. Wenn man es weiß, kann man auch was machen. Und da tun wir unser Bestes.

Das glaube ich Ihnen. Vielen Dank, meine Damen, für das Gespräch!

Kontakt Pfarrerin Anna Quaas: anna.quaas@ekir.de und Telefon 0221-25941568

Text: Alida Pisu

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