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Gesellschaft Kultur

Ein Urgestein im Vringsveedel

Mittwoch, 28. September 2016 | Text: Calle Virnich | Bild: privat

Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten

Dieses Jahr möchte die Jury des „Severinsbürgerpreis e.V.“ den Namenspatron des Severinsviertels, den Heiligen Severin, die romanische Kirche und die dazugehörige Kirchengemeinde in den Mittelpunkt stellen. Wer lag da näher als der Historiker und stellvertretende Leiter des Historischen Archivs des Erzbistums Köln, Dr. Joachim Oepen, ein ausgewiesener Kenner der Kölner Stadt- und Kirchengeschichte, eifriger Forscher und Publizist rund um Sankt Severin und aktiv im Vorstand der gleichnamigen Kirchengemeinde?

Geboren im „Severinsklösterchen“ ist Dr. Joachim Oepen ein Urgestein des Vringsveedels und hier tief verwurzelt: Wie schon seine Vorfahren, zumindest mütterlicherseits, seit Generationen vor ihm, lebt er hier mit seiner Familie und ist seinem Viertel immer treu geblieben. Auch seine Kinder sind, selbstverständlich, im Severinsklösterchen geboren.

 

Dem Wunsch seines Vaters folgend lernte er zunächst „etwas Anständiges“ und wurde Versicherungskaufmann. Aber seine Leidenschaft war und ist die Historie, vor allem die Geschichte seiner Heimatstadt Köln und ihrer Kirchen. So studierte Joachim Oepen Geschichte, wurde stellvertretender Leiter des Historischen Archivs des Erzbistums und Lehrbeauftragter für Geschichte an der Universität zu Köln. Durch und durch „katholisch sozialisiert“, engagierte sich Dr. Oepen frühzeitig ehrenamtlich in der Kirchen- und Gemeindearbeit, zunächst in der Nachbargemeinde Sankt Pantaleon, dann vor allem in Sankt Severin, deren Kirchenvorstand er angehört.

Dabei gelang und gelingt es Dr. Oepen, sein Fachwissen in die Gemeinde einzubringen, Geschichte und Kirche miteinander zu verbinden und so „Kirche erlebbar zu machen“. Ein erstes Mal geschah dies Mitte der 1990er Jahre: Joachim Oepen beschäftigte sich damals mit seiner Dissertation. Sie hat die Geschichte von Sankt Maria im Kapitol zum Gegenstand, und war somit ohnehin tief mit der Geschichte rheinischer Kirchen vertraut.

 

In diesem Zusammenhang war er auch auf eine Urkunde von März 1393 gestoßen, die den Baubeginn des über 79 Meter großen gotischen Westturms von Sankt Severin behandelt, dem Wahrzeichen des Viertels. Mit der Urkunde beschließen die Stiftsherren von Sankt Severin „aufgrund des hohen Alters des Glockenturms“ und der damit verbundenen Gefahren den 1393/94 erfolgten Neubau des Turms: Es ist die älteste und authentischste Quelle zum Turmbau.

Dr. Oepen war aber noch etwas aufgefallen: So wie der Westturm „sieht kein Kirchturm in Köln aus“, wohl aber Kirchtürme am Niederrhein und vor allem der ebenfalls 1394 erbaute Turm von Sankt Lambertus in Düsseldorf, dem Wahrzeichen der Landeshauptstadt, deren Stiftsherr den Kölner Bau offensichtlich begleitete: ein Beispiel spätmittelalterlicher Städtefreundschaft!

 

Bei allem ging und geht es Dr. Oepen aber nicht nur um die Wissenschaft, sondern darum, diese Erkenntnisse in die Öffentlichkeit und die Gemeinde zu tragen. Wie konnte dies besser gelingen, als das Fest zum 600sten „Geburtstag“ des Turms mit dem 1995 anstehenden Pfarrfest zu verbinden? Und dieses wurde erstmals auf den Kirchplatz verlegt, angesichts der damals noch wenig verbreiteten „Eventkultur“ sehr öffentlichkeitswirksam und ganz getreu Dr. Oepens Motto „Kirche erlebbar machen“.

 

Katholische Pfarrkirche St. Severin ist eine der zwölf romanischen Basiliken Kölns. / Foto: T. Soliz

Ein weiteres wissenschaftliches wie kulturelles Highlight, das Dr. Oepen mit betreute, war die Öffnung des Reliquienschreins des Heiligen Severin im Jahre 1999, der „großen Wunderkiste“, so Dr. Oepen. Dabei kamen Erkenntnisse zutage, die nicht nur die Fachwelt in Erstaunen versetzten. So konnte Dr. Oepen ein bisher unidentifiziertes Siegel am inneren Holzsarg in das mittlere 10. Jahrhundert, dem Zeitpunkt der Umbettung der Gebeine datieren: Es ist das älteste bekannte erzbischöfliche Siegel nördlich der Alpen.

 

Vor allem aber gelang anhand der Knochen und der verschiedenen kostbaren Textilien, in welche diese eingeschlagen waren, der Nachweis, dass die Gebeine tatsächlich aus dem 4. Jahrhundert stammen: Es handelt sich also in der Tat um den Heiligen Severin, den dritten bekannten Bischof von Köln. Die teils sensationellen Befunde und Forschungen rund um die Schreinsöffnung wurden in einer umfangreichen Studie zusammengefasst, die Dr. Oepen gemeinsam mit Bernd Päffgen, Sabine Schrenk und Ursula Tegtmeier 2011 herausgab.

 

Die kostbaren Tuche wiederum, darunter das größte erhaltene mittelalterliche Seidentuch überhaupt, und andere Kleinode werden seit 2005 im „Sakrarium“ der Kirche ausgestellt und können dort besichtigt und erlebt werden – wenn, so die Planung, die aktuellen Restaurierungs- und Baumaßnahmen an Sankt Severin zu Ostern 2017 abgeschlossen sein werden: Die seit September 2014 andauernde Sanierung ist im wörtlichen Sinne die letzte und aktuelle Baustelle, mit der Dr. Oepen sowohl begleitend als Historiker als auch als Kirchenvorstand eingebunden ist. Schließlich ist die Gemeinde der eigentliche Bauherr und muss die enormen Kosten der Baumaßnahmen in Höhe von 7 Millionen Euro gemeinsam mit dem Erzbistum stemmen.

Als Dr. Joachim Oepen von der Wahl der Jury erfuhr, war er zunächst skeptisch. „Nee, sucht euch einen anderen!“, hatte er zunächst in aller Bescheidenheit gemeint, denn „nichts von dem habe ich alleine gemacht“. Aber als er vom tieferen Sinn des Preises erfuhr, die Würdigung der „Verbindung von Kirchengemeine und Viertel“, er also stellvertretend für das größere Ganze als Severinsbürgerpreisträger 2016 ausgezeichnet wird: Da war er dann doch überzeugt.
 

Text: Calle Virnich

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