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Gesellschaft

„Einige Kulturwissenschaftler sind in den Krieg gezogen“

Donnerstag, 19. April 2018 | Text: Johann Zajaczkowski | Bild: Johann Zajaczkowski

Geschätzte Lesezeit: 4 Minuten

Unser Autor Johann war wieder ein paar Wochen in der Ukraine und hat dort Student Felix aus Köln getroffen – natürlich war er neugierig, wieso man in die Ukraine geht zum Studieren.

Eine jüngst von der GIZ veröffentlichte Studie über das Ukrainebild der Deutschen bestätigt, was man intuitiv längst weiß: In Deutschland existiert ein „stereotypes Bild von der Ukraine entlang der vier „K“ Krim, Krieg, Krise, Korruption“. Der junge Kölner Felix Hoske hat die ersten 18 Jahre seines Lebens in Köln verbracht und ist der großen Liebe wegen in die Ukraine gezogen. Dort lebt und studiert er seit 2014. Wir haben ihn an einem -natürlich- eiskalten Märztag in der ukrainischen Hauptstadt Kiew getroffen. Ein Gespräch über eingefahrene Sichtweisen auf den jeweils anderen, lebenswirkliche Unterschiede, die Sehnsucht nach Köln und die Kiewer Schäl Sick.

Meine Südstadt: Wie lange wohnst du schon in Kiew und was genau hat dich hierher verschlagen?

Ich habe ein Freiwilliges Soziales Jahr in Polen verbracht, wo ich eine Ukrainerin kennengelernt habe. Wir wollten gerne zusammenbleiben, ich wollte studieren – und so lebe ich seit September 2014 in Kiew und studiere im Bachelor Kulturwissenschaft an der Kiew-Mohyla-Akademie.

Meine Südstadt: Du musstest ja erst einmal eine große Sprachbarriere überwinden. Wie war das?

Ich habe zunächst 10 Monate lang dreimal die Woche einen Sprachkurs belegt. Durch den Freiwilligendienst in Polen kannte ich die Grammatik schon etwas und habe viele Wörter bereits verstehen können. An der Universität habe ich zu Beginn nur ein paar englischsprachige Kurse belegt. Nach den 10 Monaten habe ich entschieden, dass ich hier auch den Bachelor machen möchte.

Meine Südstadt: Respekt.

Danke! (lacht).

Meine Südstadt: Mit welchen Vorstellungen oder Klischees wirst du konfrontiert, wenn du erzählst, dass du aus Deutschland stammst?

Wenn du Ukrainern erzählst, dass du aus Deutschland zum Studieren hergekommen bist, dann heißt es erstmal: ihr habt doch das beste Bildungssystem, und das auch noch umsonst. Für viele ist das Studium in Deutschland ein großes Ziel – und ich mache das genau andersherum, das verstehen viele nicht.

Meine Südstadt: Was hält deine Familie davon, dass du hier bist?

Zuerst hieß es: „Muss das sein?“ Aber wenn man dann präzisiert, dass man in Kiew wohnen wird und auf die hiesige Sicherheitslage hinweist, dann unterscheidet diese sich nicht von anderen europäischen Großstädten. Das hat meine Eltern überzeugt. Aber her getraut haben sie sich trotzdem noch nicht (lacht).

Meine Südstadt: Welche Klischees herrschen umgekehrt in deinem deutschen Umfeld über die Ukraine?

Die meisten Deutschen haben überhaupt kein Bild vom Land oder höchstens irgendwelche Klischees über Osteuropa. Viele wissen nicht einmal, dass hier Krieg herrscht.

Meine Südstadt: Gibt es etwas, was du aus Köln vermisst?

Auf jeden Fall! Das klingt zwar auch klischeemäßig, aber ich vermisse die Kölner Freundlichkeit und Offenheit. Das gibt´s hier so nicht. Hier tastet man sich erst vorsichtig an einen Fremden an, und erst nach gewisser Zeit entwickeln sich freundschaftliche Züge. Auch die Ausgehkultur ist anders. Die Studierenden gehen nach der Uni lieber ins Café oder setzen sich mit einem Coffee to go nach draußen. Abends mal ein Bierchen trinken, dass ist hier eher selten – und dann meist mit Ukrainern, die bereits im Ausland gelebt haben.

Meine Südstadt: Woran liegt das?

Unter anderem daran, dass es schwer ist, das zu bezahlen. Man spart das Geld lieber für andere Dinge als für Alkohol. Es gibt ja auch den Stereotyp, dass Ukrainer gerne trinken, aber ich habe diese Erfahrung überhaupt nicht gemacht. Harter Alkohol wird eher im Kreise der Familie zu besonderen Anlässen wie Geburtstagen und Besuchen getrunken, aber auch dann nicht viel.

Meine Südstadt: Wie unterscheiden sich die Lebensverhältnisse von ukrainischen und deutschen Studierenden?

Das Studierendenwohnheim ist der Hauptunterschied. Die meisten Ukrainer, die nicht aus Kiew kommen, wohnen da. Die Wohnheime sind ziemlich weit weg vom Campus, bis zu 90 Minuten Fahrweg, außerhalb der Stadt. Diejenigen, die Glück haben, wohnen zu zweit auf einem Zimmer. In der Regel wohnt, studiert und schläft man jedoch zu viert auf einem Zimmer mit einer Größe von 15-20 Quadratmetern.

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Meine Südstadt: In Köln gibt´s die Schäl Sick, in Kiew die „Liwobereschna“ („Linksufrige“). Lassen sich die beiden Gegenden miteinander vergleichen?

(Lacht) Irgendwie habe ich diese Frage schon erwartet. Die Liwobereschna ist Vorstadt und Schlafstätte und wurde nach und nach massiv aufgebaut. Die Wohnungen sind hier – je nachdem, wie nahe die nächste Metrostation gelegen ist – viel billiger. Man muss jedoch verstehen, dass es in Kiew sehr viel mehr Zugezogene gibt als in Köln. Seit der Unabhängigkeit bietet Kiew die meisten Jobs, und nicht mehr die Industriestätten oder landwirtschaftliche Gebiete. In Kiew hört man die Leute auch nicht schlecht über die Liwobereschna reden wie in Köln über die Schäl Sick.

Meine Südstadt: Die Ukraine befindet sich nun im fünften Jahr im Krieg mit Russland. Ist das Thema in deinem Alltag präsent?

Ich wohne neben dem militärischen Hauptkrankenhaus. Da sehe ich häufig Veteranen im Rollstuhl oder mit leichteren Verletzungen. Grundsätzlich sieht man sehr viele Leute in Uniform in der Metro oder auf den Straßen. Das Thema Krieg ist natürlich auch in Vorlesungen und Seminaren präsent, wenn es etwa um Formen der Machtausübung oder Wladimir Putin geht – aber auch beim Thema Gleichberechtigung, da es relativ viele Frauen in der Armee und in den Freiwilligenbataillonen gibt.

Meine Südstadt: Und wie sieht das in deinem persönlichen Umfeld aus?

Die Mobilisierung hat jeden Jungen im wehrtauglichen Alter betroffen. Diejenigen, die es sich leisten konnten, sind zum Studieren oder Arbeiten ins Ausland gegangen. In meinem Bekanntenkreis haben es viele vermieden, eingezogen zu werden. Darüber hinaus gibt es an der Universität einen Vorbereitungskurs für Soldaten. Das hat aber nichts mit dem Krieg zu tun, das gab´s auch vorher schon an sämtlichen Universitäten. Dadurch sieht man auch auf dem Campus Studierende in Uniform – das heißt jedoch nicht, dass sie auf dem Weg in den Krieg sind, sondern nur, dass sie diesen Kurs besuchen. Ein paar Dozenten haben mir erzählt, dass zwei oder drei Kulturwissenschaftler in den Krieg gezogen sind.

Meine Südstadt: Ich nehme an, dass es große Unterschiede zwischen den ukrainischen und deutschen politischen Debatten gibt. Braucht man aus deiner Sicht als „Mittler zwischen den Welten“ bisweilen eine Übersetzungsleistung der Debatten für die jeweils andere Seite?

Ich gebe hier Nachhilfe in Deutsch und habe kürzlich das Thema „Breitbandausbau“ gewählt. Mein Schüler konnte nicht verstehen, wozu Privatleute in Deutschland eine Geschwindigkeit von mehr als drei Megabyte pro Sekunde benötigen. Ich empfinde es als schwieriger, Ukrainern zu erklären, was für Themen in Deutschland diskutiert werden, als andersrum. Die meisten Ukrainer wissen, dass man in Deutschland gutes Geld verdienen kann, dass man so ohne weiteres aus seiner Wohnung gejagt werden kann, und dass die Leute nicht auf Subsistenzwirtschaft angewiesen sind, um über die Runden zu kommen. (Überlegt) Es ist eine andere Welt.

Text: Johann Zajaczkowski

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