Heilige Scheiße!
Freitag, 24. November 2023 | Text: Judith Levold | Bild: Judith Levold
Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten
Ja, heilige Scheiße, oder besser: Holy Shit – so heißt ein kleines Unternehmen, das die junge Kölner Designerin Anastasia Bondar derzeit gründet.
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Mahal Antiochia – Soulfood aus dem OrientKomposttoiletten-Prototyp
Anastasia Bondar studierte an der Köln International School of Design (KISD) am TH-Standort Mainzerstraße. Sie gewann mit ihrer Masterarbeit zum Thema Verwertung menschlicher Fäkalien den Kölner Designpreis 2022. Ihr Kampagnen-Kartenspiel zur Sanitärwende war für sie aber nur der Anfang. Schon in der Abschlussarbeit selbst formulierte die 28-Jährige Ziele und Zeiträume, in denen sie weitere Schritte auf ihrem Weg in Sachen sanitary change festschrieb, wie etwa den Bau eines Komposttoiletten-Prototyps für den öffentlichen Raum, innerhalb eines Jahres.
Sanitärwende – von Köln ausgehend
„Jo, erledigt“, sagt sie mit ein bisschen Stolz in der Stimme, als ich sie in der Werkstatt während des Endspurts besuche. Gerade will sie mit ihrem mexikanischen Freund José Avila Villegas das Logo aufs Toilettenhäuschen aufbringen, doch der Laservermesser will noch nicht so richtig. Aber dann klappt es doch. Und auch der Sound des Buzzers, mit dem am Tag der Aufstellung der Toilette „die Sanitärwende eingeläutet“ wird, erklingt auf Knopfdruck. „Ich will die Sanitärwende in Köln starten. Von Köln aus geht’s los, und dann – mal sehen“, sagt sie selbstbewusst.
Alternative zu Wasserspülung
Wie sie denn das alles geschafft habe, von der Idee bis zum ersten Klohäuschen ohne Wasserspülung ab 28.11.23 im Volksgarten? Das habe angefangen mit einem Besuch im Kleingarten einer alten Dame. In deren Gartenhäuschen befand sich eine Wassertoilette, die an eine Sickergrube angeschlossen und deswegen stillgelegt worden war. Anastasia begann, sich mit dem Tabu-Thema Fäkalien und Sanitäranlagen auseinanderzusetzen: Welche Alternativen gibt es zu Wasserspültoiletten? Wie kann man Sanitär- und Verwertungsanlagen nachhaltig gestalten? Diese Fragen stellte sie sich in ihrer Masterarbeit und lernte dabei viel von der Pionierarbeit von Finizio Future Sanitation in Eberswalde, die bisher die in Deutschland einzigartige Verwertungsanlage zur Kompostierung von Inhalten aus Trockentoiletten betreibt. Nach ihrer erfolgreichen Masterarbeit hat Anastasia Bondar dann einfach weitergemacht und damit in Köln den vielbeschworenen Innovationstransfer aus einer Hochschule in die Wirtschaft geschafft.
Überlegt, entworfen, gestaltet
„Ich habe überlegt, welche Komponenten ich brauche, wer Partner sein könnte. Ich habe das Netzwerk gebildet und ja – viele viele viele Stunden hier und am Rechner daran gearbeitet“, erklärt sie. Auch der Mechanismus, mit dem statt Wasser Strohstreusel auf die Ausscheidungen im Klo gestreut wird, ist selbst entwickelt und programmiert. Mit einem kleinen Team bestehend aus José Ávila Villegas und zwei weiteren Mitstreitern setzt Anastasia die Ideen in die Tat um.
Kooperation mit städtischer Abfallwirtschaft
„Das lernt man alles, wenn man an der KISD studiert“, erzählt sie. In der Werkstatt von Brückengrün am Bonner Wall hatte sie neben ihrer Halbtagsstelle monatelang getüftelt und gebaut. Und jetzt ist es soweit: In Kooperation mit den städtischen Abfallwirtschaftsbetrieben (AWB), stellt sie an deren Stellplatz für mobile Toiletten im Volksgarten die erste Komposttoilette im öffentlichen Raum Kölns auf.
Unter dem Toilettenhäuschen aus Metall, in dem innen neben der Kloschüssel auch ein Urinal und der kontaktlos bedienbare Strohstreusel-Spender hängen, befinden sich ein Urin-Tank und das Gefäß für die Feststoffe. Beide werden regelmäßig von den AWB geleert und zur Reinigung an den Hygienisierungsstandort (StEB) in Langel gebracht.
Danach soll das Material auf metabolon, dem Innovationsstandort des Bergischen Abfallverbands in Lindlar, kompostiert werden. Und könnte dann, den Kreislauf schließend, wieder zurück in die Landwirtschaft, als düngender Humus. In Deutschland und vielen anderen Ländern jedoch, ist es derzeit noch nicht erlaubt, Kompost aus verdauter Nahrung in der gewerblichen Landwirtschaft einzusetzen. Aber: „Das kann ja noch kommen“, ist Bondar zuversichtlich.
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IG Severinsviertel e.V. – Gutes tun für das Veedel„Ist ja nicht sinnvoll“
Die Designerin ist nämlich überzeugt: „Es ist ja nicht sinnvoll, dass wir unsere Fäkalien mit aufwändig aufbereitetem Trinkwasser wegspülen und mit den darin enthaltenen Nährstoffen Flüsse, Seen und Meere verseuchen.“ Zum selben Ergebnis kam Regisseur Rubén Aruna auf seiner Reise über die Kontinente auf der Spur menschlicher Fäkalien: Die Entsorgung menschlicher Exkremente bereitet große Probleme und Umweltschäden, obwohl stattdessen ihre Nutzung als Wertstoff viel sinnvoller und auch machbar wäre.
Der sehenswerte Dokumentarfilm, den der Kölner Valentin Thurn produziert hat, feiert zeitgleich zur Aufstellung von Anastasias Komposttoilette seine Köln-Premiere im REX Kino. Er zeigt viele positive Beispiele, wie Hygiene-, Entsorgungs-, aber auch Düngeprobleme auf einen Schlag gelöst werden können – wenn man den Kreislauf aus Nahrung-Verdauung-Ausscheidung-Kompostierung und Düngung für neue Nahrung wieder schließt.
Aufstellung der ersten Komposttoilette im öffentlichen Raum Kölns: Im Volksgarten am Standort der mobile Toiletten der AWB nahe Orangerie am Montag,27.11.um 12:30h, die offizielle Eröffnung dann Dienstag 28.11.23, 15h;
Köln Premiere „Holy Shit“, Dienstag 28.11., 19h im Rex Kino Hohenzollernring, bundesweiter Kinostart am 30.11.23
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